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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085-1106).

Immerhin hätte er, wenn er sich wirklich in solchen Gedanken-
gängen bewegte, die Gefahr, die der Krone drohte, doch wohl
überschätzt; denn nichts berechtigt uns zu der Annahme, daß
Heinrich IV. ihr nicht Stand gehalten haben würde, wenn nur
Vater und Sohn einig blieben. Ich möchte daher das Allgemein-
menschliche des Konflikts schärfer hervorheben. Reibungen ergeben
sich nur zu natürlich, wo Vater und Sohn gewissermaßen in einem
Unternehmen tätig sind, und werden solche Gegensätze in einer
Zeit sittlicher Verwilderung nicht mehr überbrückt durch Ehrfurcht,
so entsteht der offene Bruch. König Heinrich aber war aufge-
wachsen in einer Zerrüttung der moralischen Begriffe und Auf-
lösung der Familienbande ohne Gleichen, in Verhältnissen, die ge-
eignet waren, in ihm frühzeitig Argwohn, Verschlagenheit, Selbst-
sucht zu entwickeln, aber nicht Treue und Edelmut. Diese nach
schrankenloser Selbständigkeit strebende Natur hatte nun der miß-
trauisch gewordene Vater durch einen Treueid an sich zu ketten
versucht, der, von dem Sohne als Demütigung empfunden, nur zu
leicht das Gegenteil der gewollten Wirkung hervorrufen konnte, zumal
wenn kirchliche Einflüsterungen hinzutraten, die den Eidbruch gegen
den Gebannten als ein Verdienst hinstellten. Jene oben geschilderten
Besorgnisse und die Einwirkungen mißvergnügter Adliger führten
ihn weiter.

Nach wie vor hielt der gealterte Kaiser, wenn auch maßvoller
als früher an seiner Politik fest, die deutsche Kirche in Abhängig-
keit, den Laienadel im Zaum zu halten und gegen beide die empor-
strebenden Kräfte von Bürgertum und Ministerialität auszuspielen.1)
Eben die Begünstigung von Angehörigen dieser beiden Stände, die
in einem an sich keineswegs bedeutenden Einzelvorgang zu Tage
trat, gab den unmittelbaren Anlaß zum Abfall seines Sohnes.

Bei einem Aufenthalte des kaiserlichen Hofes in Regensburg
kam es 1104 zu einer Auflehnung von Ministerialen und Bürgern
gegen den Grafen Sigihard von Burghausen, der dabei ums Leben
kam. Hier zuerst zeigte sich eine entgegengesetzte Stellungnahme
des Kaisers und seines Sohnes; während dieser für den Grafen
eingetreten war, tat der Vater nichts zu seiner Rettung und ließ die
Täter straffrei. Darob Entrüstung des bayrischen Adels und Ver-
stimmung des jungen Königs, der bald darauf heimlich vom Hofe
entwich und mit jenen Unzufriedenen die Fahne des Aufruhrs gegen
den Vater erhob. Auf die Kunde davon hat der Kaiser die

1) W. Schultzes Meinung, die Reichsministerialität habe sich jetzt gegen
Heinrich als den Verteidiger der alten Verfassung gewandt, die er früher umzu-
stürzen versucht habe, ist die noch einseitigere und irrigere Zuspitzung einer
Konstruktion von Nitzsch; vgl. oben S. 39.
§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085‒1106).

Immerhin hätte er, wenn er sich wirklich in solchen Gedanken-
gängen bewegte, die Gefahr, die der Krone drohte, doch wohl
überschätzt; denn nichts berechtigt uns zu der Annahme, daß
Heinrich IV. ihr nicht Stand gehalten haben würde, wenn nur
Vater und Sohn einig blieben. Ich möchte daher das Allgemein-
menschliche des Konflikts schärfer hervorheben. Reibungen ergeben
sich nur zu natürlich, wo Vater und Sohn gewissermaßen in einem
Unternehmen tätig sind, und werden solche Gegensätze in einer
Zeit sittlicher Verwilderung nicht mehr überbrückt durch Ehrfurcht,
so entsteht der offene Bruch. König Heinrich aber war aufge-
wachsen in einer Zerrüttung der moralischen Begriffe und Auf-
lösung der Familienbande ohne Gleichen, in Verhältnissen, die ge-
eignet waren, in ihm frühzeitig Argwohn, Verschlagenheit, Selbst-
sucht zu entwickeln, aber nicht Treue und Edelmut. Diese nach
schrankenloser Selbständigkeit strebende Natur hatte nun der miß-
trauisch gewordene Vater durch einen Treueid an sich zu ketten
versucht, der, von dem Sohne als Demütigung empfunden, nur zu
leicht das Gegenteil der gewollten Wirkung hervorrufen konnte, zumal
wenn kirchliche Einflüsterungen hinzutraten, die den Eidbruch gegen
den Gebannten als ein Verdienst hinstellten. Jene oben geschilderten
Besorgnisse und die Einwirkungen mißvergnügter Adliger führten
ihn weiter.

Nach wie vor hielt der gealterte Kaiser, wenn auch maßvoller
als früher an seiner Politik fest, die deutsche Kirche in Abhängig-
keit, den Laienadel im Zaum zu halten und gegen beide die empor-
strebenden Kräfte von Bürgertum und Ministerialität auszuspielen.1)
Eben die Begünstigung von Angehörigen dieser beiden Stände, die
in einem an sich keineswegs bedeutenden Einzelvorgang zu Tage
trat, gab den unmittelbaren Anlaß zum Abfall seines Sohnes.

Bei einem Aufenthalte des kaiserlichen Hofes in Regensburg
kam es 1104 zu einer Auflehnung von Ministerialen und Bürgern
gegen den Grafen Sigihard von Burghausen, der dabei ums Leben
kam. Hier zuerst zeigte sich eine entgegengesetzte Stellungnahme
des Kaisers und seines Sohnes; während dieser für den Grafen
eingetreten war, tat der Vater nichts zu seiner Rettung und ließ die
Täter straffrei. Darob Entrüstung des bayrischen Adels und Ver-
stimmung des jungen Königs, der bald darauf heimlich vom Hofe
entwich und mit jenen Unzufriedenen die Fahne des Aufruhrs gegen
den Vater erhob. Auf die Kunde davon hat der Kaiser die

1) W. Schultzes Meinung, die Reichsministerialität habe sich jetzt gegen
Heinrich als den Verteidiger der alten Verfassung gewandt, die er früher umzu-
stürzen versucht habe, ist die noch einseitigere und irrigere Zuspitzung einer
Konstruktion von Nitzsch; vgl. oben S. 39.
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[69/0077] § 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085‒1106). Immerhin hätte er, wenn er sich wirklich in solchen Gedanken- gängen bewegte, die Gefahr, die der Krone drohte, doch wohl überschätzt; denn nichts berechtigt uns zu der Annahme, daß Heinrich IV. ihr nicht Stand gehalten haben würde, wenn nur Vater und Sohn einig blieben. Ich möchte daher das Allgemein- menschliche des Konflikts schärfer hervorheben. Reibungen ergeben sich nur zu natürlich, wo Vater und Sohn gewissermaßen in einem Unternehmen tätig sind, und werden solche Gegensätze in einer Zeit sittlicher Verwilderung nicht mehr überbrückt durch Ehrfurcht, so entsteht der offene Bruch. König Heinrich aber war aufge- wachsen in einer Zerrüttung der moralischen Begriffe und Auf- lösung der Familienbande ohne Gleichen, in Verhältnissen, die ge- eignet waren, in ihm frühzeitig Argwohn, Verschlagenheit, Selbst- sucht zu entwickeln, aber nicht Treue und Edelmut. Diese nach schrankenloser Selbständigkeit strebende Natur hatte nun der miß- trauisch gewordene Vater durch einen Treueid an sich zu ketten versucht, der, von dem Sohne als Demütigung empfunden, nur zu leicht das Gegenteil der gewollten Wirkung hervorrufen konnte, zumal wenn kirchliche Einflüsterungen hinzutraten, die den Eidbruch gegen den Gebannten als ein Verdienst hinstellten. Jene oben geschilderten Besorgnisse und die Einwirkungen mißvergnügter Adliger führten ihn weiter. Nach wie vor hielt der gealterte Kaiser, wenn auch maßvoller als früher an seiner Politik fest, die deutsche Kirche in Abhängig- keit, den Laienadel im Zaum zu halten und gegen beide die empor- strebenden Kräfte von Bürgertum und Ministerialität auszuspielen. 1) Eben die Begünstigung von Angehörigen dieser beiden Stände, die in einem an sich keineswegs bedeutenden Einzelvorgang zu Tage trat, gab den unmittelbaren Anlaß zum Abfall seines Sohnes. Bei einem Aufenthalte des kaiserlichen Hofes in Regensburg kam es 1104 zu einer Auflehnung von Ministerialen und Bürgern gegen den Grafen Sigihard von Burghausen, der dabei ums Leben kam. Hier zuerst zeigte sich eine entgegengesetzte Stellungnahme des Kaisers und seines Sohnes; während dieser für den Grafen eingetreten war, tat der Vater nichts zu seiner Rettung und ließ die Täter straffrei. Darob Entrüstung des bayrischen Adels und Ver- stimmung des jungen Königs, der bald darauf heimlich vom Hofe entwich und mit jenen Unzufriedenen die Fahne des Aufruhrs gegen den Vater erhob. Auf die Kunde davon hat der Kaiser die 1) W. Schultzes Meinung, die Reichsministerialität habe sich jetzt gegen Heinrich als den Verteidiger der alten Verfassung gewandt, die er früher umzu- stürzen versucht habe, ist die noch einseitigere und irrigere Zuspitzung einer Konstruktion von Nitzsch; vgl. oben S. 39.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/77>, abgerufen am 25.11.2024.