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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
mehr, wie der Gottesfrieden, damit begnügte, gewisse Zeiten im
Jahre vor der Fehdelust der kriegerischen Mannschaften sicher-
zustellen, sondern vier volle Jahre umfassen sollte, der ferner neue
Strafrechtsbestimmungen festsetzte und als Hüter des Friedens nicht
mehr die kirchlichen Organe bestellte, sondern die Territorialgewalten,
die den Reichsfrieden freilich nun auch mit manchen Abweichungen
in Inhalt und Dauer annahmen und durchführten. Auch so blieben
die Wirkungen namentlich für die Erwerbstände der Bauern und
Bürger segensreich genug, während der durch den inneren Krieg
mächtig angeschwollene kriegerische Adel nicht ohne Unwillen seine
Nahrungsquellen: Raub und Plünderung verstopft sah. --

Zum dritten Male hatte sich Heinrich mit wiedergewonnener
Kraft aus der schlimmsten Notlage zu befriedigenden Verhältnissen
durchgerungen. Wäre er in diesem Momente gestorben, so hätte
er zuletzt auf ein stürmisches und aufreibendes, aber doch auch
an Erfolgen reiches Leben nicht ganz ohne Genugtuung zurück-
blicken können. Indes die schwersten Leiden und Enttäuschungen
waren dem frühgealterten Manne, der sich der Mitte der fünfziger
Jahre näherte, noch für den Schluß seines Lebens vorbehalten.

Der Abfall seines Sohnes Heinrich wird in seinen tieferen
Gründen vielleicht niemals völlig einwandfrei aufgehellt werden,
doch stimmen die neueren Forscher in ihren Annahmen darüber
einigermaßen überein.1)

Danach beobachtete der scharfblickende und kaltrechnende junge
König die Friedenspolitik seines Vaters, die ihm den kriegerischen
Adel entfremdete, ohne die ersehnte Versöhnung mit der Kirche
zu bringen, nicht ohne die Besorgnis, eine neue Erhebung möchte
dem Vater und zugleich auch ihm selbst die Krone kosten, und
daher machte er den moralisch vermessenen, aber politisch doch
milder zu beurteilenden Versuch, selbst an die Spitze der Unzu-
friedenen zu treten, als Feind seines Vaters mühelos, auch ohne
prinzipielle Zugeständnisse, die Sanktion der Kirche zu erlangen
und so durch die Verbindung von Legitimität und Kirchlichkeit
seine Herrschaft auf Kosten des Vaters für die Zukunft zu sichern.

1) Indem man das Motiv der Verführung (so Floto u. Heyck, Gesch.
der Herzöge v. Zähringen 1891) als unverträglich mit der frühreifen, eigen-
willigen Natur des jungen Mannes ablehnte und das eines vorzeitigen Ehr-
geizes (so etwa Giesebrecht) nicht ausreichend fand, indem Nitzsch' Darlegung
der ständischen und wirtschaftlichen Gegensätze jener Tage mehr die Stimmung
der Umgebung charakterisierte, als die persönlichen Motive erklärte, hat man
sich im wesentlichen auf die übrigens auch mit den zeitgenössischen Quellen
am besten übereinstimmende Ansicht geeinigt, die am eindrucksvollsten Ranke
in seiner Weltgeschichte vorgetragen hat (ähnlich etwa Meyer v. Knonau,
Richter, W. Schultze in Gebhardts Handbuch).

I. Die Zeit der Salier.
mehr, wie der Gottesfrieden, damit begnügte, gewisse Zeiten im
Jahre vor der Fehdelust der kriegerischen Mannschaften sicher-
zustellen, sondern vier volle Jahre umfassen sollte, der ferner neue
Strafrechtsbestimmungen festsetzte und als Hüter des Friedens nicht
mehr die kirchlichen Organe bestellte, sondern die Territorialgewalten,
die den Reichsfrieden freilich nun auch mit manchen Abweichungen
in Inhalt und Dauer annahmen und durchführten. Auch so blieben
die Wirkungen namentlich für die Erwerbstände der Bauern und
Bürger segensreich genug, während der durch den inneren Krieg
mächtig angeschwollene kriegerische Adel nicht ohne Unwillen seine
Nahrungsquellen: Raub und Plünderung verstopft sah. —

Zum dritten Male hatte sich Heinrich mit wiedergewonnener
Kraft aus der schlimmsten Notlage zu befriedigenden Verhältnissen
durchgerungen. Wäre er in diesem Momente gestorben, so hätte
er zuletzt auf ein stürmisches und aufreibendes, aber doch auch
an Erfolgen reiches Leben nicht ganz ohne Genugtuung zurück-
blicken können. Indes die schwersten Leiden und Enttäuschungen
waren dem frühgealterten Manne, der sich der Mitte der fünfziger
Jahre näherte, noch für den Schluß seines Lebens vorbehalten.

Der Abfall seines Sohnes Heinrich wird in seinen tieferen
Gründen vielleicht niemals völlig einwandfrei aufgehellt werden,
doch stimmen die neueren Forscher in ihren Annahmen darüber
einigermaßen überein.1)

Danach beobachtete der scharfblickende und kaltrechnende junge
König die Friedenspolitik seines Vaters, die ihm den kriegerischen
Adel entfremdete, ohne die ersehnte Versöhnung mit der Kirche
zu bringen, nicht ohne die Besorgnis, eine neue Erhebung möchte
dem Vater und zugleich auch ihm selbst die Krone kosten, und
daher machte er den moralisch vermessenen, aber politisch doch
milder zu beurteilenden Versuch, selbst an die Spitze der Unzu-
friedenen zu treten, als Feind seines Vaters mühelos, auch ohne
prinzipielle Zugeständnisse, die Sanktion der Kirche zu erlangen
und so durch die Verbindung von Legitimität und Kirchlichkeit
seine Herrschaft auf Kosten des Vaters für die Zukunft zu sichern.

1) Indem man das Motiv der Verführung (so Floto u. Heyck, Gesch.
der Herzöge v. Zähringen 1891) als unverträglich mit der frühreifen, eigen-
willigen Natur des jungen Mannes ablehnte und das eines vorzeitigen Ehr-
geizes (so etwa Giesebrecht) nicht ausreichend fand, indem Nitzsch' Darlegung
der ständischen und wirtschaftlichen Gegensätze jener Tage mehr die Stimmung
der Umgebung charakterisierte, als die persönlichen Motive erklärte, hat man
sich im wesentlichen auf die übrigens auch mit den zeitgenössischen Quellen
am besten übereinstimmende Ansicht geeinigt, die am eindrucksvollsten Ranke
in seiner Weltgeschichte vorgetragen hat (ähnlich etwa Meyer v. Knonau,
Richter, W. Schultze in Gebhardts Handbuch).
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[68/0076] I. Die Zeit der Salier. mehr, wie der Gottesfrieden, damit begnügte, gewisse Zeiten im Jahre vor der Fehdelust der kriegerischen Mannschaften sicher- zustellen, sondern vier volle Jahre umfassen sollte, der ferner neue Strafrechtsbestimmungen festsetzte und als Hüter des Friedens nicht mehr die kirchlichen Organe bestellte, sondern die Territorialgewalten, die den Reichsfrieden freilich nun auch mit manchen Abweichungen in Inhalt und Dauer annahmen und durchführten. Auch so blieben die Wirkungen namentlich für die Erwerbstände der Bauern und Bürger segensreich genug, während der durch den inneren Krieg mächtig angeschwollene kriegerische Adel nicht ohne Unwillen seine Nahrungsquellen: Raub und Plünderung verstopft sah. — Zum dritten Male hatte sich Heinrich mit wiedergewonnener Kraft aus der schlimmsten Notlage zu befriedigenden Verhältnissen durchgerungen. Wäre er in diesem Momente gestorben, so hätte er zuletzt auf ein stürmisches und aufreibendes, aber doch auch an Erfolgen reiches Leben nicht ganz ohne Genugtuung zurück- blicken können. Indes die schwersten Leiden und Enttäuschungen waren dem frühgealterten Manne, der sich der Mitte der fünfziger Jahre näherte, noch für den Schluß seines Lebens vorbehalten. Der Abfall seines Sohnes Heinrich wird in seinen tieferen Gründen vielleicht niemals völlig einwandfrei aufgehellt werden, doch stimmen die neueren Forscher in ihren Annahmen darüber einigermaßen überein. 1) Danach beobachtete der scharfblickende und kaltrechnende junge König die Friedenspolitik seines Vaters, die ihm den kriegerischen Adel entfremdete, ohne die ersehnte Versöhnung mit der Kirche zu bringen, nicht ohne die Besorgnis, eine neue Erhebung möchte dem Vater und zugleich auch ihm selbst die Krone kosten, und daher machte er den moralisch vermessenen, aber politisch doch milder zu beurteilenden Versuch, selbst an die Spitze der Unzu- friedenen zu treten, als Feind seines Vaters mühelos, auch ohne prinzipielle Zugeständnisse, die Sanktion der Kirche zu erlangen und so durch die Verbindung von Legitimität und Kirchlichkeit seine Herrschaft auf Kosten des Vaters für die Zukunft zu sichern. 1) Indem man das Motiv der Verführung (so Floto u. Heyck, Gesch. der Herzöge v. Zähringen 1891) als unverträglich mit der frühreifen, eigen- willigen Natur des jungen Mannes ablehnte und das eines vorzeitigen Ehr- geizes (so etwa Giesebrecht) nicht ausreichend fand, indem Nitzsch' Darlegung der ständischen und wirtschaftlichen Gegensätze jener Tage mehr die Stimmung der Umgebung charakterisierte, als die persönlichen Motive erklärte, hat man sich im wesentlichen auf die übrigens auch mit den zeitgenössischen Quellen am besten übereinstimmende Ansicht geeinigt, die am eindrucksvollsten Ranke in seiner Weltgeschichte vorgetragen hat (ähnlich etwa Meyer v. Knonau, Richter, W. Schultze in Gebhardts Handbuch).

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/76>, abgerufen am 30.04.2024.