nun die Herrschaft über Italien in den neunziger Jahren fast völlig verloren.
Um die in letzter Zeit arg vernachlässigten Beziehungen zur deutschen Opposition wieder fester zu knüpfen und ihr neue Kraft zu verleihen, hatte Urban 1089 eine ähnliche Kombination, wie sie schon Heinrich III. nach Italien getrieben hatte, zustande gebracht, indem er die unnatürliche und rein politische Vermählung des sieb- zehnjährigen gleichnamigen Sohnes des Herzogs Welf mit der über vierzig Jahre alten Mathilde von Tuszien vermittelte, eine Ver- bindung, die, von der einen Seite nur in Erbschaftshoffnung ein- gegangen, von der andern als ein weiteres Opfer an die Kirche betrachtet und kaum von aussichtsvoller Dauer, zunächst doch einen für Heinrich überaus bedrohlichen, nahezu geschlossenen Zug feindlichen Gebietes von Süddeutschland bis Tuszien herstellte, der um jeden Preis zersprengt werden mußte. So begannen neue, er- bitterte Kämpfe in Italien (seit 1090), die für den Kaiser anfangs durchaus erfolgreich waren. Schon war der Papst aus Rom aber- mals zu den Normannen vertrieben, die süddeutschen Gegner zum Frieden geneigt, Mathilde beinahe von den eigenen Vasallen zum Nachgeben gezwungen, als nach einer unbedeutenden Niederlage der Kaiserlichen vor Canossa zunächst eine in ihren Ursachen nicht ganz aufgeklärte Stockung der Unternehmungen eintrat (1092), dann aber die Heinrichs Kräfte zeitweilig völlig lähmenden, furchtbaren Zerwürfnisse in seiner Familie einen gänzlichen Umschwung her- beiführten.
In ihrer Bedrängnis hatte die päpstliche Partei sich nicht da- vor gescheut, die Netze des Verrates unter seine nächsten An- gehörigen auszuwerfen. Der Abfall seines jungen Sohnes Konrad war ihr erster Erfolg. Dieser, schon seit einiger Zeit gekrönter deutscher König (1087), aber auch jetzt noch nicht zwanzigjährig, noch ohne ausgeprägte Eigenart, nur mit stark hervortretenden Zügen kirchlicher Hingebung, sagte sich auf die Einflüsterungen päpstlicher Parteigänger, unter denen die Gräfin Mathilde an erster Stelle ge- nannt wird, von seinem Vater los und ließ sich in Mailand noch einmal zum König krönen. Die Absicht war also, unter dem Aus- hängeschild seines Namens Italien vom Reiche loszureißen, und in der Tat erfolgte nun ein neuer Aufschwung der Pataria, ein erster Lombardenbund in engster Fühlung mit Welf und Mathilde schnitt dem Kaiser die letzten Alpenverbindungen mit Deutschland ab und sperrte ihm jeden Truppennachschub. Später trat Konrad auch mit dem Papste in direkte Verbindung; bei einer persönlichen Zu- sammenkunft mit ihm in Cremona (1095) tat er ihm Marschall- dienste und leistete ihm einen Sicherheitseid, der ihn, wenn auch
I. Die Zeit der Salier.
nun die Herrschaft über Italien in den neunziger Jahren fast völlig verloren.
Um die in letzter Zeit arg vernachlässigten Beziehungen zur deutschen Opposition wieder fester zu knüpfen und ihr neue Kraft zu verleihen, hatte Urban 1089 eine ähnliche Kombination, wie sie schon Heinrich III. nach Italien getrieben hatte, zustande gebracht, indem er die unnatürliche und rein politische Vermählung des sieb- zehnjährigen gleichnamigen Sohnes des Herzogs Welf mit der über vierzig Jahre alten Mathilde von Tuszien vermittelte, eine Ver- bindung, die, von der einen Seite nur in Erbschaftshoffnung ein- gegangen, von der andern als ein weiteres Opfer an die Kirche betrachtet und kaum von aussichtsvoller Dauer, zunächst doch einen für Heinrich überaus bedrohlichen, nahezu geschlossenen Zug feindlichen Gebietes von Süddeutschland bis Tuszien herstellte, der um jeden Preis zersprengt werden mußte. So begannen neue, er- bitterte Kämpfe in Italien (seit 1090), die für den Kaiser anfangs durchaus erfolgreich waren. Schon war der Papst aus Rom aber- mals zu den Normannen vertrieben, die süddeutschen Gegner zum Frieden geneigt, Mathilde beinahe von den eigenen Vasallen zum Nachgeben gezwungen, als nach einer unbedeutenden Niederlage der Kaiserlichen vor Canossa zunächst eine in ihren Ursachen nicht ganz aufgeklärte Stockung der Unternehmungen eintrat (1092), dann aber die Heinrichs Kräfte zeitweilig völlig lähmenden, furchtbaren Zerwürfnisse in seiner Familie einen gänzlichen Umschwung her- beiführten.
In ihrer Bedrängnis hatte die päpstliche Partei sich nicht da- vor gescheut, die Netze des Verrates unter seine nächsten An- gehörigen auszuwerfen. Der Abfall seines jungen Sohnes Konrad war ihr erster Erfolg. Dieser, schon seit einiger Zeit gekrönter deutscher König (1087), aber auch jetzt noch nicht zwanzigjährig, noch ohne ausgeprägte Eigenart, nur mit stark hervortretenden Zügen kirchlicher Hingebung, sagte sich auf die Einflüsterungen päpstlicher Parteigänger, unter denen die Gräfin Mathilde an erster Stelle ge- nannt wird, von seinem Vater los und ließ sich in Mailand noch einmal zum König krönen. Die Absicht war also, unter dem Aus- hängeschild seines Namens Italien vom Reiche loszureißen, und in der Tat erfolgte nun ein neuer Aufschwung der Pataria, ein erster Lombardenbund in engster Fühlung mit Welf und Mathilde schnitt dem Kaiser die letzten Alpenverbindungen mit Deutschland ab und sperrte ihm jeden Truppennachschub. Später trat Konrad auch mit dem Papste in direkte Verbindung; bei einer persönlichen Zu- sammenkunft mit ihm in Cremona (1095) tat er ihm Marschall- dienste und leistete ihm einen Sicherheitseid, der ihn, wenn auch
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[64/0072]
I. Die Zeit der Salier.
nun die Herrschaft über Italien in den neunziger Jahren fast völlig
verloren.
Um die in letzter Zeit arg vernachlässigten Beziehungen zur
deutschen Opposition wieder fester zu knüpfen und ihr neue Kraft
zu verleihen, hatte Urban 1089 eine ähnliche Kombination, wie sie
schon Heinrich III. nach Italien getrieben hatte, zustande gebracht,
indem er die unnatürliche und rein politische Vermählung des sieb-
zehnjährigen gleichnamigen Sohnes des Herzogs Welf mit der über
vierzig Jahre alten Mathilde von Tuszien vermittelte, eine Ver-
bindung, die, von der einen Seite nur in Erbschaftshoffnung ein-
gegangen, von der andern als ein weiteres Opfer an die Kirche
betrachtet und kaum von aussichtsvoller Dauer, zunächst doch
einen für Heinrich überaus bedrohlichen, nahezu geschlossenen Zug
feindlichen Gebietes von Süddeutschland bis Tuszien herstellte, der
um jeden Preis zersprengt werden mußte. So begannen neue, er-
bitterte Kämpfe in Italien (seit 1090), die für den Kaiser anfangs
durchaus erfolgreich waren. Schon war der Papst aus Rom aber-
mals zu den Normannen vertrieben, die süddeutschen Gegner zum
Frieden geneigt, Mathilde beinahe von den eigenen Vasallen zum
Nachgeben gezwungen, als nach einer unbedeutenden Niederlage
der Kaiserlichen vor Canossa zunächst eine in ihren Ursachen nicht
ganz aufgeklärte Stockung der Unternehmungen eintrat (1092), dann
aber die Heinrichs Kräfte zeitweilig völlig lähmenden, furchtbaren
Zerwürfnisse in seiner Familie einen gänzlichen Umschwung her-
beiführten.
In ihrer Bedrängnis hatte die päpstliche Partei sich nicht da-
vor gescheut, die Netze des Verrates unter seine nächsten An-
gehörigen auszuwerfen. Der Abfall seines jungen Sohnes Konrad
war ihr erster Erfolg. Dieser, schon seit einiger Zeit gekrönter
deutscher König (1087), aber auch jetzt noch nicht zwanzigjährig,
noch ohne ausgeprägte Eigenart, nur mit stark hervortretenden Zügen
kirchlicher Hingebung, sagte sich auf die Einflüsterungen päpstlicher
Parteigänger, unter denen die Gräfin Mathilde an erster Stelle ge-
nannt wird, von seinem Vater los und ließ sich in Mailand noch
einmal zum König krönen. Die Absicht war also, unter dem Aus-
hängeschild seines Namens Italien vom Reiche loszureißen, und in
der Tat erfolgte nun ein neuer Aufschwung der Pataria, ein erster
Lombardenbund in engster Fühlung mit Welf und Mathilde schnitt
dem Kaiser die letzten Alpenverbindungen mit Deutschland ab und
sperrte ihm jeden Truppennachschub. Später trat Konrad auch
mit dem Papste in direkte Verbindung; bei einer persönlichen Zu-
sammenkunft mit ihm in Cremona (1095) tat er ihm Marschall-
dienste und leistete ihm einen Sicherheitseid, der ihn, wenn auch
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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/72>, abgerufen am 16.02.2025.
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