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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085-1106).

Erst nach langen Schwankungen und Bemühungen war 1081
ein neues Gegenkönigtum zustande gekommen. Der Lützelburger
Hermann, Graf von Salm, war der Erkorene; "ein Ungeachteter,
welchem die Ehre des Königreichs nicht zugedacht war", so nannte
ihn ein Publizist nach dem Worte Daniels, König "Knoblauch",
so hieß er im Volksmunde. Es war der Fluch der Aristokraten-
wahl, daß man auch jetzt an dem Fähigen und Mächtigen, der
sich vielleicht durchgesetzt hätte, vorbeiging, weil man ihn fürchtete.
Otto von Nordheim erklärte sich nach einem Augenblick verstimmten
Schwankens schließlich doch für den neuen König und führte ihm
die Sachsen zu; doch starb er schon 1083, und seitdem sank
Hermanns Machtstellung noch mehr zum bloßen Schattenkönigtum
herab. Gregor, der für den neuen Herrscher die Formel eines
Lehenseides nach Deutschland gesandt hatte, war mit der getroffenen
Wahl keineswegs einverstanden gewesen, und es ist vielleicht nicht
ausschließlich Schuld seiner eingeschränkten Lage in Rom und
unserer für diese Jahre dürftigeren Überlieferung, daß wir von un-
mittelbaren Beziehungen zwischen ihm und Hermann nichts erfahren.

Die Erfolge Heinrichs in Italien und seine Rückkehr nach
Deutschland im Schmucke der Kaiserkrone (1084) förderten dann
noch den an sich schon günstigen Stand seiner Sache. An eine
Beendigung des Bürgerkrieges war gleichwohl noch nicht zu denken.
Aus den wirren Kämpfen der folgenden Jahre heben sich nur
wenige Momente von höherer Bedeutung hervor. Wenn Heinrichs
Versuch, zur Deckung seiner italienischen Anleihen nicht nur die
deutschen Fürsten zu Abgaben heranzuziehen, sondern namentlich
auch die gesteigerten wirtschaftlichen Kräfte der emporblühenden
Städte auszunutzen, von diesen gewiß nicht mit Wohlgefallen auf-
genommen wurde, so gewann er doch alle an der Herstellung fried-
licher Zustände interessierten Kreise des Volkes aufs neue durch
sein Eingehen auf die von Westen her vordringende Idee des
Gottesfriedens. Noch unter Heinrich III. hatte das deutsche
Königtum dieser kirchlichen Hilfe entraten zu können geglaubt.
Seitdem waren bei der steigenden Friedlosigkeit zuerst in Lüttich
mit Zustimmung Heinrichs Ordnungen im Sinne des französischen
Gottesfriedens erlassen (1082), dann waren sie ähnlich für die
ganze Kölner Kirchenprovinz beschlossen (1083), jetzt verkündete
der Kaiser den Gottesfrieden für das ganze Reich (1085). Damit
trug er zur weiteren Beruhigung bei, festigte sein Verhältnis zur
deutschen Kirche und erwarb sich neue Zuneigung der Massen.

Von derselben Zeit an begann die Zersetzung des festesten
Blockes seiner Feinde. Heinrich gewann einen Teil der Sachsen
durch Bestätigung ihres alten Rechtes (1085). Den unruhigen Ehr-

§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085‒1106).

Erst nach langen Schwankungen und Bemühungen war 1081
ein neues Gegenkönigtum zustande gekommen. Der Lützelburger
Hermann, Graf von Salm, war der Erkorene; „ein Ungeachteter,
welchem die Ehre des Königreichs nicht zugedacht war“, so nannte
ihn ein Publizist nach dem Worte Daniels, König „Knoblauch“,
so hieß er im Volksmunde. Es war der Fluch der Aristokraten-
wahl, daß man auch jetzt an dem Fähigen und Mächtigen, der
sich vielleicht durchgesetzt hätte, vorbeiging, weil man ihn fürchtete.
Otto von Nordheim erklärte sich nach einem Augenblick verstimmten
Schwankens schließlich doch für den neuen König und führte ihm
die Sachsen zu; doch starb er schon 1083, und seitdem sank
Hermanns Machtstellung noch mehr zum bloßen Schattenkönigtum
herab. Gregor, der für den neuen Herrscher die Formel eines
Lehenseides nach Deutschland gesandt hatte, war mit der getroffenen
Wahl keineswegs einverstanden gewesen, und es ist vielleicht nicht
ausschließlich Schuld seiner eingeschränkten Lage in Rom und
unserer für diese Jahre dürftigeren Überlieferung, daß wir von un-
mittelbaren Beziehungen zwischen ihm und Hermann nichts erfahren.

Die Erfolge Heinrichs in Italien und seine Rückkehr nach
Deutschland im Schmucke der Kaiserkrone (1084) förderten dann
noch den an sich schon günstigen Stand seiner Sache. An eine
Beendigung des Bürgerkrieges war gleichwohl noch nicht zu denken.
Aus den wirren Kämpfen der folgenden Jahre heben sich nur
wenige Momente von höherer Bedeutung hervor. Wenn Heinrichs
Versuch, zur Deckung seiner italienischen Anleihen nicht nur die
deutschen Fürsten zu Abgaben heranzuziehen, sondern namentlich
auch die gesteigerten wirtschaftlichen Kräfte der emporblühenden
Städte auszunutzen, von diesen gewiß nicht mit Wohlgefallen auf-
genommen wurde, so gewann er doch alle an der Herstellung fried-
licher Zustände interessierten Kreise des Volkes aufs neue durch
sein Eingehen auf die von Westen her vordringende Idee des
Gottesfriedens. Noch unter Heinrich III. hatte das deutsche
Königtum dieser kirchlichen Hilfe entraten zu können geglaubt.
Seitdem waren bei der steigenden Friedlosigkeit zuerst in Lüttich
mit Zustimmung Heinrichs Ordnungen im Sinne des französischen
Gottesfriedens erlassen (1082), dann waren sie ähnlich für die
ganze Kölner Kirchenprovinz beschlossen (1083), jetzt verkündete
der Kaiser den Gottesfrieden für das ganze Reich (1085). Damit
trug er zur weiteren Beruhigung bei, festigte sein Verhältnis zur
deutschen Kirche und erwarb sich neue Zuneigung der Massen.

Von derselben Zeit an begann die Zersetzung des festesten
Blockes seiner Feinde. Heinrich gewann einen Teil der Sachsen
durch Bestätigung ihres alten Rechtes (1085). Den unruhigen Ehr-

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[61/0069] § 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085‒1106). Erst nach langen Schwankungen und Bemühungen war 1081 ein neues Gegenkönigtum zustande gekommen. Der Lützelburger Hermann, Graf von Salm, war der Erkorene; „ein Ungeachteter, welchem die Ehre des Königreichs nicht zugedacht war“, so nannte ihn ein Publizist nach dem Worte Daniels, König „Knoblauch“, so hieß er im Volksmunde. Es war der Fluch der Aristokraten- wahl, daß man auch jetzt an dem Fähigen und Mächtigen, der sich vielleicht durchgesetzt hätte, vorbeiging, weil man ihn fürchtete. Otto von Nordheim erklärte sich nach einem Augenblick verstimmten Schwankens schließlich doch für den neuen König und führte ihm die Sachsen zu; doch starb er schon 1083, und seitdem sank Hermanns Machtstellung noch mehr zum bloßen Schattenkönigtum herab. Gregor, der für den neuen Herrscher die Formel eines Lehenseides nach Deutschland gesandt hatte, war mit der getroffenen Wahl keineswegs einverstanden gewesen, und es ist vielleicht nicht ausschließlich Schuld seiner eingeschränkten Lage in Rom und unserer für diese Jahre dürftigeren Überlieferung, daß wir von un- mittelbaren Beziehungen zwischen ihm und Hermann nichts erfahren. Die Erfolge Heinrichs in Italien und seine Rückkehr nach Deutschland im Schmucke der Kaiserkrone (1084) förderten dann noch den an sich schon günstigen Stand seiner Sache. An eine Beendigung des Bürgerkrieges war gleichwohl noch nicht zu denken. Aus den wirren Kämpfen der folgenden Jahre heben sich nur wenige Momente von höherer Bedeutung hervor. Wenn Heinrichs Versuch, zur Deckung seiner italienischen Anleihen nicht nur die deutschen Fürsten zu Abgaben heranzuziehen, sondern namentlich auch die gesteigerten wirtschaftlichen Kräfte der emporblühenden Städte auszunutzen, von diesen gewiß nicht mit Wohlgefallen auf- genommen wurde, so gewann er doch alle an der Herstellung fried- licher Zustände interessierten Kreise des Volkes aufs neue durch sein Eingehen auf die von Westen her vordringende Idee des Gottesfriedens. Noch unter Heinrich III. hatte das deutsche Königtum dieser kirchlichen Hilfe entraten zu können geglaubt. Seitdem waren bei der steigenden Friedlosigkeit zuerst in Lüttich mit Zustimmung Heinrichs Ordnungen im Sinne des französischen Gottesfriedens erlassen (1082), dann waren sie ähnlich für die ganze Kölner Kirchenprovinz beschlossen (1083), jetzt verkündete der Kaiser den Gottesfrieden für das ganze Reich (1085). Damit trug er zur weiteren Beruhigung bei, festigte sein Verhältnis zur deutschen Kirche und erwarb sich neue Zuneigung der Massen. Von derselben Zeit an begann die Zersetzung des festesten Blockes seiner Feinde. Heinrich gewann einen Teil der Sachsen durch Bestätigung ihres alten Rechtes (1085). Den unruhigen Ehr-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/69>, abgerufen am 30.04.2024.