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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Der damaligen Machtstellung Friedrichs gegenüber erscheint die Auf-
flehnung seines Sohnes, wenn wir auch ihre Ursachen begreifen, doch
nur als ein knabenhafter Trotz. Eigenwillig und unstät, ausschweifend
in seiner Lebensführung, vorwärtshastend und zurückweichend ohne
Zielsicherheit, Überlegung, Rechtsgrundlage und Abschätzungsver-
mögen, erweckt der übelberatene Jüngling mehr Bedauern als Anteil.
In Spannung mit den stärksten Mächten des damaligen Deutschland,
Fürstentum und Kirche, vorwärtsgetrieben von den kleinen Dynasten
Südwestdeutschlands, sonst nur von einigen Bischöfen, Städten und Mini-
sterialen unterstützt, wagte er die Empörung gegen den eben damals
dem Gipfel seiner Machtstellung zustrebenden kaiserlichen Vater und
brach alle Brücken der Versöhnung ab, als er nicht nur in Frank-
reich Hilfe suchte, sondern auch mit dem reichsfeindlichen Lom-
bardenbunde eine verräterische Verbindung knüpfte (Dez. 1234).
Er mochte seine Hoffnung auf eine Sperrung der Alpenpässe für
die kaiserlichen Truppen richten.

Indes Friedrich bedurfte keines Heeres, er kam allein (1235).
Alles war vorbereitet, er brauchte nur das Netz zuzuziehen. In
kurzem sah sich der leichtfertige Empörer von seinen Feinden ver-
lassen, von allen Hilfsmitteln entblößt und zur Unterwerfung ge-
zwungen. Seiner harrten apulische Kerkermauern zu frühem Tode
(+ 1242). Dem Vater ist dies Vorgehen sicher nicht leicht ge-
worden, aber dem Politiker blieb keine Wahl. Um die Aussichten
seiner Dynastie, deren Fortführung nun auf zwei Augen stand, zu
mehren, schloß er kurz darauf unter rauschenden Festlichkeiten eine
neue Ehe mit der englischen Prinzessin Isabella. Vielleicht hatte
der Kaiser, als er eben diese Verbindung ins Auge faßte, damit
den Zweck verfolgt, ein Hineinspielen der alten englisch-welfischen
Gegnerschaft in die Empörung seines Sohnes hintanzuhalten. Die
Verwandlung der welfischen Hausbesitzungen Braunschweig-Lüne-
burg in ein reichslehnbares Herzogtum diente derselben Aufgabe
der Versöhnung. Der glanzvolle Mainzer Hoftag von 1235, auf
dem sie erfolgte, ward aber auch sonst bedeutungsvoll für Deutschland.

Die mühelose Bewältigung des Aufstandes und das ungemein
fördernde Zusammenwirken mit der Kurie, die -- vielleicht nicht
ganz ohne Hintergedanken1) -- eifrig zu der Vernichtung Hein-
richs mitgeholfen hatte, steigerten gewaltig das kaiserliche Ansehen
und erleichterten dadurch die Maßnahmen zur Herstellung der
durch die Wirren der letzten Jahre bedenklich gestörten Ordnung.

1) Wenn es richtig ist, daß der Papst sogleich in Mainz gegen eine
Königswahl Konrads zu arbeiten begann, so hoffte er mit Heinrichs Königtum
vielleicht die Fortdauer der staufischen Dynastie auf dem deutschen Throne
überhaupt zu beseitigen.

II. Die Zeit der Staufer.
Der damaligen Machtstellung Friedrichs gegenüber erscheint die Auf-
flehnung seines Sohnes, wenn wir auch ihre Ursachen begreifen, doch
nur als ein knabenhafter Trotz. Eigenwillig und unstät, ausschweifend
in seiner Lebensführung, vorwärtshastend und zurückweichend ohne
Zielsicherheit, Überlegung, Rechtsgrundlage und Abschätzungsver-
mögen, erweckt der übelberatene Jüngling mehr Bedauern als Anteil.
In Spannung mit den stärksten Mächten des damaligen Deutschland,
Fürstentum und Kirche, vorwärtsgetrieben von den kleinen Dynasten
Südwestdeutschlands, sonst nur von einigen Bischöfen, Städten und Mini-
sterialen unterstützt, wagte er die Empörung gegen den eben damals
dem Gipfel seiner Machtstellung zustrebenden kaiserlichen Vater und
brach alle Brücken der Versöhnung ab, als er nicht nur in Frank-
reich Hilfe suchte, sondern auch mit dem reichsfeindlichen Lom-
bardenbunde eine verräterische Verbindung knüpfte (Dez. 1234).
Er mochte seine Hoffnung auf eine Sperrung der Alpenpässe für
die kaiserlichen Truppen richten.

Indes Friedrich bedurfte keines Heeres, er kam allein (1235).
Alles war vorbereitet, er brauchte nur das Netz zuzuziehen. In
kurzem sah sich der leichtfertige Empörer von seinen Feinden ver-
lassen, von allen Hilfsmitteln entblößt und zur Unterwerfung ge-
zwungen. Seiner harrten apulische Kerkermauern zu frühem Tode
(† 1242). Dem Vater ist dies Vorgehen sicher nicht leicht ge-
worden, aber dem Politiker blieb keine Wahl. Um die Aussichten
seiner Dynastie, deren Fortführung nun auf zwei Augen stand, zu
mehren, schloß er kurz darauf unter rauschenden Festlichkeiten eine
neue Ehe mit der englischen Prinzessin Isabella. Vielleicht hatte
der Kaiser, als er eben diese Verbindung ins Auge faßte, damit
den Zweck verfolgt, ein Hineinspielen der alten englisch-welfischen
Gegnerschaft in die Empörung seines Sohnes hintanzuhalten. Die
Verwandlung der welfischen Hausbesitzungen Braunschweig-Lüne-
burg in ein reichslehnbares Herzogtum diente derselben Aufgabe
der Versöhnung. Der glanzvolle Mainzer Hoftag von 1235, auf
dem sie erfolgte, ward aber auch sonst bedeutungsvoll für Deutschland.

Die mühelose Bewältigung des Aufstandes und das ungemein
fördernde Zusammenwirken mit der Kurie, die — vielleicht nicht
ganz ohne Hintergedanken1) — eifrig zu der Vernichtung Hein-
richs mitgeholfen hatte, steigerten gewaltig das kaiserliche Ansehen
und erleichterten dadurch die Maßnahmen zur Herstellung der
durch die Wirren der letzten Jahre bedenklich gestörten Ordnung.

1) Wenn es richtig ist, daß der Papst sogleich in Mainz gegen eine
Königswahl Konrads zu arbeiten begann, so hoffte er mit Heinrichs Königtum
vielleicht die Fortdauer der staufischen Dynastie auf dem deutschen Throne
überhaupt zu beseitigen.
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[232/0240] II. Die Zeit der Staufer. Der damaligen Machtstellung Friedrichs gegenüber erscheint die Auf- flehnung seines Sohnes, wenn wir auch ihre Ursachen begreifen, doch nur als ein knabenhafter Trotz. Eigenwillig und unstät, ausschweifend in seiner Lebensführung, vorwärtshastend und zurückweichend ohne Zielsicherheit, Überlegung, Rechtsgrundlage und Abschätzungsver- mögen, erweckt der übelberatene Jüngling mehr Bedauern als Anteil. In Spannung mit den stärksten Mächten des damaligen Deutschland, Fürstentum und Kirche, vorwärtsgetrieben von den kleinen Dynasten Südwestdeutschlands, sonst nur von einigen Bischöfen, Städten und Mini- sterialen unterstützt, wagte er die Empörung gegen den eben damals dem Gipfel seiner Machtstellung zustrebenden kaiserlichen Vater und brach alle Brücken der Versöhnung ab, als er nicht nur in Frank- reich Hilfe suchte, sondern auch mit dem reichsfeindlichen Lom- bardenbunde eine verräterische Verbindung knüpfte (Dez. 1234). Er mochte seine Hoffnung auf eine Sperrung der Alpenpässe für die kaiserlichen Truppen richten. Indes Friedrich bedurfte keines Heeres, er kam allein (1235). Alles war vorbereitet, er brauchte nur das Netz zuzuziehen. In kurzem sah sich der leichtfertige Empörer von seinen Feinden ver- lassen, von allen Hilfsmitteln entblößt und zur Unterwerfung ge- zwungen. Seiner harrten apulische Kerkermauern zu frühem Tode († 1242). Dem Vater ist dies Vorgehen sicher nicht leicht ge- worden, aber dem Politiker blieb keine Wahl. Um die Aussichten seiner Dynastie, deren Fortführung nun auf zwei Augen stand, zu mehren, schloß er kurz darauf unter rauschenden Festlichkeiten eine neue Ehe mit der englischen Prinzessin Isabella. Vielleicht hatte der Kaiser, als er eben diese Verbindung ins Auge faßte, damit den Zweck verfolgt, ein Hineinspielen der alten englisch-welfischen Gegnerschaft in die Empörung seines Sohnes hintanzuhalten. Die Verwandlung der welfischen Hausbesitzungen Braunschweig-Lüne- burg in ein reichslehnbares Herzogtum diente derselben Aufgabe der Versöhnung. Der glanzvolle Mainzer Hoftag von 1235, auf dem sie erfolgte, ward aber auch sonst bedeutungsvoll für Deutschland. Die mühelose Bewältigung des Aufstandes und das ungemein fördernde Zusammenwirken mit der Kurie, die — vielleicht nicht ganz ohne Hintergedanken 1) — eifrig zu der Vernichtung Hein- richs mitgeholfen hatte, steigerten gewaltig das kaiserliche Ansehen und erleichterten dadurch die Maßnahmen zur Herstellung der durch die Wirren der letzten Jahre bedenklich gestörten Ordnung. 1) Wenn es richtig ist, daß der Papst sogleich in Mainz gegen eine Königswahl Konrads zu arbeiten begann, so hoffte er mit Heinrichs Königtum vielleicht die Fortdauer der staufischen Dynastie auf dem deutschen Throne überhaupt zu beseitigen.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/240>, abgerufen am 30.04.2024.