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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230-1239).
verzehrend, schon im Tode (1231) vom reliquiensüchtigen Volke
als Heilige nahezu in Stücke zerrissen, bald genug (1235) von der
Kirche kanonisiert. Neben ihr der Dominikaner Konrad wie ein
Martergemälde aus der spanischen Gegenreformation neben einem
kölnischen Madonnenbilde, hart und eng, finster und fanatisch.
Er vor allem war es, dem Deutschland bald nach dem Tode
Elisabeths die erste große und allgemeine Ketzerverfolgung ver-
dankte. Fanatismus und Aberwitz, Blutgier und Eigennutz feierten
einige Jahre hindurch in deutschen Landen wüste Orgien, während
sich etwa gleichzeitig in Italien die religiöse Spannung der Gemüter
in der Andachtbewegung des "großen Hallelujah" auslöste (1233)
und auch dort einen Dominikaner, Johann von Vicenza1), in den
Mittelpunkt der Bewegung führte, der kurze Zeit in der Mark
Treviso eine eigenartige, Savonarolas Rolle vorwegnehmende geist-
lich-weltliche Herrscherstellung behauptete.

Kurz vor seinem Sturze (Sept. 1233) war auch in Deutsch-
land der Dominikaner Konrad von Marburg dem aufgesummten
Hasse seiner Gegner auf offener Straße zum Opfer gefallen (Juli
1233), und die Hochflut der Bewegung damit überschritten. Noch
freilich hatten die Stedinger Bauern an der Unterweser die "Ketzerei"
ihrer Zehntverweigerung an den Erzbischof von Bremen nach
tapferer Gegenwehr mit ihrer Vernichtung zu büßen (1234). Aber
die Ausschreitungen des ketzerrichterlichen Treibens hatten damals
bereits in den maßgebenden Kreisen Deutschlands einen tiefen
Widerwillen erzeugt, der bei den Bischöfen durch den übel ver-
merkten Einbruch der Bettelorden in ihre kirchliche Gerichtsbarkeit
noch verstärkt wurde. König Heinrich machte sich zum Organ der
allgemeinen Wünsche, als er im Februar 1234 auf dem Frankfurter
Hoftage in Übereinstimmung mit den Fürsten den jede staatliche Ord-
nung über den Haufen werfenden Kreuzpredigten und Heerfahrten
gegen angebliche Ketzer durch Verkündigung eines allgemeinen Land-
friedens ein Ziel setzte und die Anklagen wegen Ketzerei wieder
einem billigen Urteil der ordentlichen weltlichen Gerichte überwies.

So berechtigt und wohltuend uns aber auch dies Vorgehen
erscheinen mag, es stimmte schlecht überein mit der damaligen
Politik des Kaisers, der eben 1232 das Krönungsgesetz gegen die
Ketzer, wesentlich verschärft und jetzt auf das gesamte Reich als
Geltungskreis ausgedehnt, erneuert hatte und auf ein einmütiges Zu-
sammenwirken mit der Kurie, namenslich soweit es ihm politisch
nichts kostete, das allergrößte Gewicht legte, wie er sich auch durch
eifrige Bekämpfung der rebellischen Römer den Papst verpflichtete.

1) Vergl. über ihn das anziehende Büchlein von Sutter (1891).

§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239).
verzehrend, schon im Tode (1231) vom reliquiensüchtigen Volke
als Heilige nahezu in Stücke zerrissen, bald genug (1235) von der
Kirche kanonisiert. Neben ihr der Dominikaner Konrad wie ein
Martergemälde aus der spanischen Gegenreformation neben einem
kölnischen Madonnenbilde, hart und eng, finster und fanatisch.
Er vor allem war es, dem Deutschland bald nach dem Tode
Elisabeths die erste große und allgemeine Ketzerverfolgung ver-
dankte. Fanatismus und Aberwitz, Blutgier und Eigennutz feierten
einige Jahre hindurch in deutschen Landen wüste Orgien, während
sich etwa gleichzeitig in Italien die religiöse Spannung der Gemüter
in der Andachtbewegung des „großen Hallelujah“ auslöste (1233)
und auch dort einen Dominikaner, Johann von Vicenza1), in den
Mittelpunkt der Bewegung führte, der kurze Zeit in der Mark
Treviso eine eigenartige, Savonarolas Rolle vorwegnehmende geist-
lich-weltliche Herrscherstellung behauptete.

Kurz vor seinem Sturze (Sept. 1233) war auch in Deutsch-
land der Dominikaner Konrad von Marburg dem aufgesummten
Hasse seiner Gegner auf offener Straße zum Opfer gefallen (Juli
1233), und die Hochflut der Bewegung damit überschritten. Noch
freilich hatten die Stedinger Bauern an der Unterweser die „Ketzerei“
ihrer Zehntverweigerung an den Erzbischof von Bremen nach
tapferer Gegenwehr mit ihrer Vernichtung zu büßen (1234). Aber
die Ausschreitungen des ketzerrichterlichen Treibens hatten damals
bereits in den maßgebenden Kreisen Deutschlands einen tiefen
Widerwillen erzeugt, der bei den Bischöfen durch den übel ver-
merkten Einbruch der Bettelorden in ihre kirchliche Gerichtsbarkeit
noch verstärkt wurde. König Heinrich machte sich zum Organ der
allgemeinen Wünsche, als er im Februar 1234 auf dem Frankfurter
Hoftage in Übereinstimmung mit den Fürsten den jede staatliche Ord-
nung über den Haufen werfenden Kreuzpredigten und Heerfahrten
gegen angebliche Ketzer durch Verkündigung eines allgemeinen Land-
friedens ein Ziel setzte und die Anklagen wegen Ketzerei wieder
einem billigen Urteil der ordentlichen weltlichen Gerichte überwies.

So berechtigt und wohltuend uns aber auch dies Vorgehen
erscheinen mag, es stimmte schlecht überein mit der damaligen
Politik des Kaisers, der eben 1232 das Krönungsgesetz gegen die
Ketzer, wesentlich verschärft und jetzt auf das gesamte Reich als
Geltungskreis ausgedehnt, erneuert hatte und auf ein einmütiges Zu-
sammenwirken mit der Kurie, namenslich soweit es ihm politisch
nichts kostete, das allergrößte Gewicht legte, wie er sich auch durch
eifrige Bekämpfung der rebellischen Römer den Papst verpflichtete.

1) Vergl. über ihn das anziehende Büchlein von Sutter (1891).
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[231/0239] § 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239). verzehrend, schon im Tode (1231) vom reliquiensüchtigen Volke als Heilige nahezu in Stücke zerrissen, bald genug (1235) von der Kirche kanonisiert. Neben ihr der Dominikaner Konrad wie ein Martergemälde aus der spanischen Gegenreformation neben einem kölnischen Madonnenbilde, hart und eng, finster und fanatisch. Er vor allem war es, dem Deutschland bald nach dem Tode Elisabeths die erste große und allgemeine Ketzerverfolgung ver- dankte. Fanatismus und Aberwitz, Blutgier und Eigennutz feierten einige Jahre hindurch in deutschen Landen wüste Orgien, während sich etwa gleichzeitig in Italien die religiöse Spannung der Gemüter in der Andachtbewegung des „großen Hallelujah“ auslöste (1233) und auch dort einen Dominikaner, Johann von Vicenza 1), in den Mittelpunkt der Bewegung führte, der kurze Zeit in der Mark Treviso eine eigenartige, Savonarolas Rolle vorwegnehmende geist- lich-weltliche Herrscherstellung behauptete. Kurz vor seinem Sturze (Sept. 1233) war auch in Deutsch- land der Dominikaner Konrad von Marburg dem aufgesummten Hasse seiner Gegner auf offener Straße zum Opfer gefallen (Juli 1233), und die Hochflut der Bewegung damit überschritten. Noch freilich hatten die Stedinger Bauern an der Unterweser die „Ketzerei“ ihrer Zehntverweigerung an den Erzbischof von Bremen nach tapferer Gegenwehr mit ihrer Vernichtung zu büßen (1234). Aber die Ausschreitungen des ketzerrichterlichen Treibens hatten damals bereits in den maßgebenden Kreisen Deutschlands einen tiefen Widerwillen erzeugt, der bei den Bischöfen durch den übel ver- merkten Einbruch der Bettelorden in ihre kirchliche Gerichtsbarkeit noch verstärkt wurde. König Heinrich machte sich zum Organ der allgemeinen Wünsche, als er im Februar 1234 auf dem Frankfurter Hoftage in Übereinstimmung mit den Fürsten den jede staatliche Ord- nung über den Haufen werfenden Kreuzpredigten und Heerfahrten gegen angebliche Ketzer durch Verkündigung eines allgemeinen Land- friedens ein Ziel setzte und die Anklagen wegen Ketzerei wieder einem billigen Urteil der ordentlichen weltlichen Gerichte überwies. So berechtigt und wohltuend uns aber auch dies Vorgehen erscheinen mag, es stimmte schlecht überein mit der damaligen Politik des Kaisers, der eben 1232 das Krönungsgesetz gegen die Ketzer, wesentlich verschärft und jetzt auf das gesamte Reich als Geltungskreis ausgedehnt, erneuert hatte und auf ein einmütiges Zu- sammenwirken mit der Kurie, namenslich soweit es ihm politisch nichts kostete, das allergrößte Gewicht legte, wie er sich auch durch eifrige Bekämpfung der rebellischen Römer den Papst verpflichtete. 1) Vergl. über ihn das anziehende Büchlein von Sutter (1891).

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/239>, abgerufen am 30.04.2024.