Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Die Zeit der Staufer.

Diese Fesselung wirkte auf den reizbaren, unruhigen Geist des
jungen Königs nicht anders wie einst der Vasalleneid auf Heinrich V.
Der Druck dieses Fürstenregiments und der berichtigenden Ein-
griffe des Vaters wurde ihm immer unerträglicher und trieb ihn der
Empörung zu.1) Es scheint, daß neben einigen Ministerialen ins-
besondere die aufstrebenden gräflichen und freiherrlichen Dynasten
des deutschen Südwestens, die aus der Spaltung zwischen König-
tum und Fürstentum Vorteil zu ziehen suchten, Heinrich ungünstig
beeinflußten.2)

Die religiöse Aufregung, die eben damals Deutschland ergriffen
hatte, war nicht geeignet, beruhigend zu wirken; sie sollte überdies
noch den Konfliktstoff zwischen dem königlichen und kaiserlichen
Regiment vermehren. Man begann in Deutschland die Wirkung
der neuen Bettelorden zu spüren. Seit dem Anfang der zwanziger
Jahre mehrten sich dort die Niederlassungen der Minoriten er-
staunlich schnell. Das Bild des Stifters erstrahlte nach seinem Tode
(1226) und seiner Kanonisation (1228) nur in umso leuchten-
derem Glanze. Auch viele, die seinem Orden nicht beitreten
konnten, erfüllte es mit den Idealen der Armut, Selbstaufopferung
und einer persönlich gefärbten Religion. Aber daneben machte
sich auch der starrere glaubenseifrige Geist der Dominikaner geltend,
denen Papst Gregor IX. 1233 die Aufgabe der Inquisition über-
trug, in der sie sich bereits hervorragend betätigt hatten. Typische
Vertreter beider Richtungen in ihren Extremen und doch in ihrem
Schicksal auf das engste miteinander verbunden sind die Landgräfin
Elisabeth von Thüringen und ihr Beichtvater Magister Konrad von
Marburg.3) Elisabeth, das ungarische Königskind, weich und ein-
drucksfähig, tief ergriffen von dem Armutsideal der Franziskaner und
nach dem Tode des Gemahls (1227) auch als Tertiarierin dem
Minoritenorden angegliedert, endlich bis zu völliger Selbstentäußerung
gelenkt von dem Magister Konrad und in maßlos gesteigerten as-
ketischen Übungen und Liebeswerken rasch ihre jungen Kräfte

1) Eine ausreichende neuere Darstellung der Empörung Heinrichs fehlt.
Vergl. Rohden, Forsch. z. deutsch. Gesch. 22.
2) Vergl. Redlich, Rud. v. Habsb. S. 48 gegen Nitzsch, der den vor-
wärtstreibenden Einfluß allein bei den Ministerialen suchte.
3) Von den Quellen sind nur die protokollierten Aussagen von Elisa-
beths Dienerinnen, der Libellus de dictis quattuor ancillarum (Mencken,
Script. rer. Germ II) und der Bericht Konrads von Marburg an Gregor IX.
von Ende 1232 (Hess. Urkundenb. I. 31 ff.) glaubwürdig, wenn auch tendenziös.
Alles andre ist legendarisch. Aus der überreichen neueren Literatur seien
hier nur zur ersten Einführung die Aufsätze von K. Wenck (Hist. Ztschr. 69
und in dem Prachtwerke "Die Wartburg" 1907) über Elisabeth und von
Winkelmann (Deutsche Rundschau 28) über Konrad hervorgehoben.
II. Die Zeit der Staufer.

Diese Fesselung wirkte auf den reizbaren, unruhigen Geist des
jungen Königs nicht anders wie einst der Vasalleneid auf Heinrich V.
Der Druck dieses Fürstenregiments und der berichtigenden Ein-
griffe des Vaters wurde ihm immer unerträglicher und trieb ihn der
Empörung zu.1) Es scheint, daß neben einigen Ministerialen ins-
besondere die aufstrebenden gräflichen und freiherrlichen Dynasten
des deutschen Südwestens, die aus der Spaltung zwischen König-
tum und Fürstentum Vorteil zu ziehen suchten, Heinrich ungünstig
beeinflußten.2)

Die religiöse Aufregung, die eben damals Deutschland ergriffen
hatte, war nicht geeignet, beruhigend zu wirken; sie sollte überdies
noch den Konfliktstoff zwischen dem königlichen und kaiserlichen
Regiment vermehren. Man begann in Deutschland die Wirkung
der neuen Bettelorden zu spüren. Seit dem Anfang der zwanziger
Jahre mehrten sich dort die Niederlassungen der Minoriten er-
staunlich schnell. Das Bild des Stifters erstrahlte nach seinem Tode
(1226) und seiner Kanonisation (1228) nur in umso leuchten-
derem Glanze. Auch viele, die seinem Orden nicht beitreten
konnten, erfüllte es mit den Idealen der Armut, Selbstaufopferung
und einer persönlich gefärbten Religion. Aber daneben machte
sich auch der starrere glaubenseifrige Geist der Dominikaner geltend,
denen Papst Gregor IX. 1233 die Aufgabe der Inquisition über-
trug, in der sie sich bereits hervorragend betätigt hatten. Typische
Vertreter beider Richtungen in ihren Extremen und doch in ihrem
Schicksal auf das engste miteinander verbunden sind die Landgräfin
Elisabeth von Thüringen und ihr Beichtvater Magister Konrad von
Marburg.3) Elisabeth, das ungarische Königskind, weich und ein-
drucksfähig, tief ergriffen von dem Armutsideal der Franziskaner und
nach dem Tode des Gemahls (1227) auch als Tertiarierin dem
Minoritenorden angegliedert, endlich bis zu völliger Selbstentäußerung
gelenkt von dem Magister Konrad und in maßlos gesteigerten as-
ketischen Übungen und Liebeswerken rasch ihre jungen Kräfte

1) Eine ausreichende neuere Darstellung der Empörung Heinrichs fehlt.
Vergl. Rohden, Forsch. z. deutsch. Gesch. 22.
2) Vergl. Redlich, Rud. v. Habsb. S. 48 gegen Nitzsch, der den vor-
wärtstreibenden Einfluß allein bei den Ministerialen suchte.
3) Von den Quellen sind nur die protokollierten Aussagen von Elisa-
beths Dienerinnen, der Libellus de dictis quattuor ancillarum (Mencken,
Script. rer. Germ II) und der Bericht Konrads von Marburg an Gregor IX.
von Ende 1232 (Hess. Urkundenb. I. 31 ff.) glaubwürdig, wenn auch tendenziös.
Alles andre ist legendarisch. Aus der überreichen neueren Literatur seien
hier nur zur ersten Einführung die Aufsätze von K. Wenck (Hist. Ztschr. 69
und in dem Prachtwerke „Die Wartburg“ 1907) über Elisabeth und von
Winkelmann (Deutsche Rundschau 28) über Konrad hervorgehoben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0238" n="230"/>
          <fw place="top" type="header">II. Die Zeit der Staufer.</fw><lb/>
          <p>Diese Fesselung wirkte auf den reizbaren, unruhigen Geist des<lb/>
jungen Königs nicht anders wie einst der Vasalleneid auf Heinrich V.<lb/>
Der Druck dieses Fürstenregiments und der berichtigenden Ein-<lb/>
griffe des Vaters wurde ihm immer unerträglicher und trieb ihn der<lb/>
Empörung zu.<note place="foot" n="1)">Eine ausreichende neuere Darstellung der Empörung Heinrichs fehlt.<lb/>
Vergl. Rohden, Forsch. z. deutsch. Gesch. 22.</note> Es scheint, daß neben einigen Ministerialen ins-<lb/>
besondere die aufstrebenden gräflichen und freiherrlichen Dynasten<lb/>
des deutschen Südwestens, die aus der Spaltung zwischen König-<lb/>
tum und Fürstentum Vorteil zu ziehen suchten, Heinrich ungünstig<lb/>
beeinflußten.<note place="foot" n="2)">Vergl. Redlich, Rud. v. Habsb. S. 48 gegen Nitzsch, der den vor-<lb/>
wärtstreibenden Einfluß allein bei den Ministerialen suchte.</note></p><lb/>
          <p>Die religiöse Aufregung, die eben damals Deutschland ergriffen<lb/>
hatte, war nicht geeignet, beruhigend zu wirken; sie sollte überdies<lb/>
noch den Konfliktstoff zwischen dem königlichen und kaiserlichen<lb/>
Regiment vermehren. Man begann in Deutschland die Wirkung<lb/>
der neuen Bettelorden zu spüren. Seit dem Anfang der zwanziger<lb/>
Jahre mehrten sich dort die Niederlassungen der Minoriten er-<lb/>
staunlich schnell. Das Bild des Stifters erstrahlte nach seinem Tode<lb/>
(1226) und seiner Kanonisation (1228) nur in umso leuchten-<lb/>
derem Glanze. Auch viele, die seinem Orden nicht beitreten<lb/>
konnten, erfüllte es mit den Idealen der Armut, Selbstaufopferung<lb/>
und einer persönlich gefärbten Religion. Aber daneben machte<lb/>
sich auch der starrere glaubenseifrige Geist der Dominikaner geltend,<lb/>
denen Papst Gregor IX. 1233 die Aufgabe der Inquisition über-<lb/>
trug, in der sie sich bereits hervorragend betätigt hatten. Typische<lb/>
Vertreter beider Richtungen in ihren Extremen und doch in ihrem<lb/>
Schicksal auf das engste miteinander verbunden sind die Landgräfin<lb/>
Elisabeth von Thüringen und ihr Beichtvater Magister Konrad von<lb/>
Marburg.<note place="foot" n="3)">Von den Quellen sind nur die protokollierten Aussagen von Elisa-<lb/>
beths Dienerinnen, der Libellus de dictis quattuor ancillarum (Mencken,<lb/>
Script. rer. Germ II) und der Bericht Konrads von Marburg an Gregor IX.<lb/>
von Ende 1232 (Hess. Urkundenb. I. 31 ff.) glaubwürdig, wenn auch tendenziös.<lb/>
Alles andre ist legendarisch. Aus der überreichen neueren Literatur seien<lb/>
hier nur zur ersten Einführung die Aufsätze von K. Wenck (Hist. Ztschr. 69<lb/>
und in dem Prachtwerke &#x201E;Die Wartburg&#x201C; 1907) über Elisabeth und von<lb/>
Winkelmann (Deutsche Rundschau 28) über Konrad hervorgehoben.</note> Elisabeth, das ungarische Königskind, weich und ein-<lb/>
drucksfähig, tief ergriffen von dem Armutsideal der Franziskaner und<lb/>
nach dem Tode des Gemahls (1227) auch als Tertiarierin dem<lb/>
Minoritenorden angegliedert, endlich bis zu völliger Selbstentäußerung<lb/>
gelenkt von dem Magister Konrad und in maßlos gesteigerten as-<lb/>
ketischen Übungen und Liebeswerken rasch ihre jungen Kräfte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0238] II. Die Zeit der Staufer. Diese Fesselung wirkte auf den reizbaren, unruhigen Geist des jungen Königs nicht anders wie einst der Vasalleneid auf Heinrich V. Der Druck dieses Fürstenregiments und der berichtigenden Ein- griffe des Vaters wurde ihm immer unerträglicher und trieb ihn der Empörung zu. 1) Es scheint, daß neben einigen Ministerialen ins- besondere die aufstrebenden gräflichen und freiherrlichen Dynasten des deutschen Südwestens, die aus der Spaltung zwischen König- tum und Fürstentum Vorteil zu ziehen suchten, Heinrich ungünstig beeinflußten. 2) Die religiöse Aufregung, die eben damals Deutschland ergriffen hatte, war nicht geeignet, beruhigend zu wirken; sie sollte überdies noch den Konfliktstoff zwischen dem königlichen und kaiserlichen Regiment vermehren. Man begann in Deutschland die Wirkung der neuen Bettelorden zu spüren. Seit dem Anfang der zwanziger Jahre mehrten sich dort die Niederlassungen der Minoriten er- staunlich schnell. Das Bild des Stifters erstrahlte nach seinem Tode (1226) und seiner Kanonisation (1228) nur in umso leuchten- derem Glanze. Auch viele, die seinem Orden nicht beitreten konnten, erfüllte es mit den Idealen der Armut, Selbstaufopferung und einer persönlich gefärbten Religion. Aber daneben machte sich auch der starrere glaubenseifrige Geist der Dominikaner geltend, denen Papst Gregor IX. 1233 die Aufgabe der Inquisition über- trug, in der sie sich bereits hervorragend betätigt hatten. Typische Vertreter beider Richtungen in ihren Extremen und doch in ihrem Schicksal auf das engste miteinander verbunden sind die Landgräfin Elisabeth von Thüringen und ihr Beichtvater Magister Konrad von Marburg. 3) Elisabeth, das ungarische Königskind, weich und ein- drucksfähig, tief ergriffen von dem Armutsideal der Franziskaner und nach dem Tode des Gemahls (1227) auch als Tertiarierin dem Minoritenorden angegliedert, endlich bis zu völliger Selbstentäußerung gelenkt von dem Magister Konrad und in maßlos gesteigerten as- ketischen Übungen und Liebeswerken rasch ihre jungen Kräfte 1) Eine ausreichende neuere Darstellung der Empörung Heinrichs fehlt. Vergl. Rohden, Forsch. z. deutsch. Gesch. 22. 2) Vergl. Redlich, Rud. v. Habsb. S. 48 gegen Nitzsch, der den vor- wärtstreibenden Einfluß allein bei den Ministerialen suchte. 3) Von den Quellen sind nur die protokollierten Aussagen von Elisa- beths Dienerinnen, der Libellus de dictis quattuor ancillarum (Mencken, Script. rer. Germ II) und der Bericht Konrads von Marburg an Gregor IX. von Ende 1232 (Hess. Urkundenb. I. 31 ff.) glaubwürdig, wenn auch tendenziös. Alles andre ist legendarisch. Aus der überreichen neueren Literatur seien hier nur zur ersten Einführung die Aufsätze von K. Wenck (Hist. Ztschr. 69 und in dem Prachtwerke „Die Wartburg“ 1907) über Elisabeth und von Winkelmann (Deutsche Rundschau 28) über Konrad hervorgehoben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/238
Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/238>, abgerufen am 25.11.2024.