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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230-1239).
im fernen Deutschordenslande weitgehend nachgeahmt worden. Im
sizilischen Reiche aber hat Friedrichs Verfassungswerk den Sturz
der staufischen Herrschaft auf Jahrhunderte ohne wesentliche Ände-
rung überdauert.

Nicht minder bedeutsame, aber völlig entgegengesetzte Wand-
lungen vollzogen sich zu derselben Zeit in dem Verfassungsleben
Deutschlands. Die Steigerung der Regierungsgewalt kam hier nicht
mehr der Krone, sondern dem Territorialfürstentum zugute, dessen
Förderung durch die universale Politik des Kaisers bedingt war.
Wer wie der junge König Heinrich die Dinge unter dem deutschen
Gesichtswinkel betrachtete, mußte diese Politik für verkehrt und
eine Eindämmung der Fürstenmacht im Interesse der Krone für
dringend geboten halten. Seit dem Bruche mit Ludwig von Bayern,
der einige Jahre später auf unaufgeklärte Weise ermordet wurde
(1231)1), fehlten fürstliche Stimmen im königlichen Rate fast ganz.
Heinrich, im Kreise der ritterlichen Reichsdienstmannen aufge-
wachsen, begann unter ihrem Einflusse der fürstenfreundlichen
Politik seines Vaters entgegenzuarbeiten, -- freilich ohne Nachdruck
und Folgerichtigkeit. Denn als er die Abwesenheit der mächtig-
sten Fürsten, die den Frieden von Ceperano vermittelten, benutzte,
um gegen sie an den Städten eine Stütze zu gewinnen, reizte er
nur seine Gegner, die gerade jetzt, im erhöhten Bewußtsein der
kaiserlichen Gunst rückkehrend, mit geschlossener Kraft dem
jungen Könige ihren Willen aufzwangen (Wormser Privileg Heinrichs
vom 1. Mai 1231). Wollte Friedrich dann nicht seine gesamte
Politik verleugnen und mit dem deutschen Fürstentum brechen, so
mußte er schon die Zugeständnisse des Sohnes -- wenn auch mit
einigen für die Krone vorteilhaften Änderungen -- in allem Wesent-
lichen bestätigen. Er tat es auf dem Hoftage von Cividale in
Friaul im Mai 12322).

Kein Chronist hat des Vorgangs gedacht, gleichwohl war er
für die deutsche Verfassungsgeschichte von epochemachender Be-
deutung, denn er drückte das Siegel auf die Entwicklung der letzten
Jahrzehnte, die den politischen Schwerpunkt des Reiches verschoben
hatte aus der Monarchie in die Fürstenaristokratie.

Hatte die Krone schon 1220 den größten Teil ihrer Hoheitsrechte aus
den geistlichen Territorien zurückgezogen, so dehnte sich diese Bewegung jetzt
auch auf die weltlichen Fürstentümer aus. Münz- und Geleitrecht eines jeden
Fürsten in seinem Gebiete wurden vom Reiche als allein gültig anerkannt.

1) Über den unbegründeten, aber 1245 auch vom Papsttum genährten
Verdacht, der sich auf den Kaiser als Urheber lenkte, vergl. zuletzt Winkel-
mann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 17.
2) Vergl. M. G. Const. II, 211 ff.
15*

§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239).
im fernen Deutschordenslande weitgehend nachgeahmt worden. Im
sizilischen Reiche aber hat Friedrichs Verfassungswerk den Sturz
der staufischen Herrschaft auf Jahrhunderte ohne wesentliche Ände-
rung überdauert.

Nicht minder bedeutsame, aber völlig entgegengesetzte Wand-
lungen vollzogen sich zu derselben Zeit in dem Verfassungsleben
Deutschlands. Die Steigerung der Regierungsgewalt kam hier nicht
mehr der Krone, sondern dem Territorialfürstentum zugute, dessen
Förderung durch die universale Politik des Kaisers bedingt war.
Wer wie der junge König Heinrich die Dinge unter dem deutschen
Gesichtswinkel betrachtete, mußte diese Politik für verkehrt und
eine Eindämmung der Fürstenmacht im Interesse der Krone für
dringend geboten halten. Seit dem Bruche mit Ludwig von Bayern,
der einige Jahre später auf unaufgeklärte Weise ermordet wurde
(1231)1), fehlten fürstliche Stimmen im königlichen Rate fast ganz.
Heinrich, im Kreise der ritterlichen Reichsdienstmannen aufge-
wachsen, begann unter ihrem Einflusse der fürstenfreundlichen
Politik seines Vaters entgegenzuarbeiten, — freilich ohne Nachdruck
und Folgerichtigkeit. Denn als er die Abwesenheit der mächtig-
sten Fürsten, die den Frieden von Ceperano vermittelten, benutzte,
um gegen sie an den Städten eine Stütze zu gewinnen, reizte er
nur seine Gegner, die gerade jetzt, im erhöhten Bewußtsein der
kaiserlichen Gunst rückkehrend, mit geschlossener Kraft dem
jungen Könige ihren Willen aufzwangen (Wormser Privileg Heinrichs
vom 1. Mai 1231). Wollte Friedrich dann nicht seine gesamte
Politik verleugnen und mit dem deutschen Fürstentum brechen, so
mußte er schon die Zugeständnisse des Sohnes — wenn auch mit
einigen für die Krone vorteilhaften Änderungen — in allem Wesent-
lichen bestätigen. Er tat es auf dem Hoftage von Cividale in
Friaul im Mai 12322).

Kein Chronist hat des Vorgangs gedacht, gleichwohl war er
für die deutsche Verfassungsgeschichte von epochemachender Be-
deutung, denn er drückte das Siegel auf die Entwicklung der letzten
Jahrzehnte, die den politischen Schwerpunkt des Reiches verschoben
hatte aus der Monarchie in die Fürstenaristokratie.

Hatte die Krone schon 1220 den größten Teil ihrer Hoheitsrechte aus
den geistlichen Territorien zurückgezogen, so dehnte sich diese Bewegung jetzt
auch auf die weltlichen Fürstentümer aus. Münz- und Geleitrecht eines jeden
Fürsten in seinem Gebiete wurden vom Reiche als allein gültig anerkannt.

1) Über den unbegründeten, aber 1245 auch vom Papsttum genährten
Verdacht, der sich auf den Kaiser als Urheber lenkte, vergl. zuletzt Winkel-
mann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 17.
2) Vergl. M. G. Const. II, 211 ff.
15*
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[227/0235] § 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239). im fernen Deutschordenslande weitgehend nachgeahmt worden. Im sizilischen Reiche aber hat Friedrichs Verfassungswerk den Sturz der staufischen Herrschaft auf Jahrhunderte ohne wesentliche Ände- rung überdauert. Nicht minder bedeutsame, aber völlig entgegengesetzte Wand- lungen vollzogen sich zu derselben Zeit in dem Verfassungsleben Deutschlands. Die Steigerung der Regierungsgewalt kam hier nicht mehr der Krone, sondern dem Territorialfürstentum zugute, dessen Förderung durch die universale Politik des Kaisers bedingt war. Wer wie der junge König Heinrich die Dinge unter dem deutschen Gesichtswinkel betrachtete, mußte diese Politik für verkehrt und eine Eindämmung der Fürstenmacht im Interesse der Krone für dringend geboten halten. Seit dem Bruche mit Ludwig von Bayern, der einige Jahre später auf unaufgeklärte Weise ermordet wurde (1231) 1), fehlten fürstliche Stimmen im königlichen Rate fast ganz. Heinrich, im Kreise der ritterlichen Reichsdienstmannen aufge- wachsen, begann unter ihrem Einflusse der fürstenfreundlichen Politik seines Vaters entgegenzuarbeiten, — freilich ohne Nachdruck und Folgerichtigkeit. Denn als er die Abwesenheit der mächtig- sten Fürsten, die den Frieden von Ceperano vermittelten, benutzte, um gegen sie an den Städten eine Stütze zu gewinnen, reizte er nur seine Gegner, die gerade jetzt, im erhöhten Bewußtsein der kaiserlichen Gunst rückkehrend, mit geschlossener Kraft dem jungen Könige ihren Willen aufzwangen (Wormser Privileg Heinrichs vom 1. Mai 1231). Wollte Friedrich dann nicht seine gesamte Politik verleugnen und mit dem deutschen Fürstentum brechen, so mußte er schon die Zugeständnisse des Sohnes — wenn auch mit einigen für die Krone vorteilhaften Änderungen — in allem Wesent- lichen bestätigen. Er tat es auf dem Hoftage von Cividale in Friaul im Mai 1232 2). Kein Chronist hat des Vorgangs gedacht, gleichwohl war er für die deutsche Verfassungsgeschichte von epochemachender Be- deutung, denn er drückte das Siegel auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die den politischen Schwerpunkt des Reiches verschoben hatte aus der Monarchie in die Fürstenaristokratie. Hatte die Krone schon 1220 den größten Teil ihrer Hoheitsrechte aus den geistlichen Territorien zurückgezogen, so dehnte sich diese Bewegung jetzt auch auf die weltlichen Fürstentümer aus. Münz- und Geleitrecht eines jeden Fürsten in seinem Gebiete wurden vom Reiche als allein gültig anerkannt. 1) Über den unbegründeten, aber 1245 auch vom Papsttum genährten Verdacht, der sich auf den Kaiser als Urheber lenkte, vergl. zuletzt Winkel- mann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 17. 2) Vergl. M. G. Const. II, 211 ff. 15*

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/235>, abgerufen am 30.04.2024.