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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Kämpfe der Zukunft waren gegen die kapitalkräftigen lombardischen
Städte und die größte Finanzmacht der damaligen Welt, das Papst-
tum, zu führen. Mochte das männerreiche Deutschland für die
kriegerischen Kräfte aufkommen, die Geldmittel waren allein dem
Reichtum des sizilischen Landes abzugewinnen, und diese Aufgabe
hat Friedrich nun sofort nach dem Frieden von Ceperano mit
rücksichtsloser Folgerichtigkeit gelöst.

Abgesehen von wiederholten Rückforderungen des entfremdeten Kron-
guts, das jetzt zu den Abgaben stark herangezogen wurde, war hier das meiste
Neuschöpfung und dem früheren Normannenstaate noch unbekannt; so die
Umgestaltung der früheren Vasallenbeiträge zu einer allgemeinen, regelmäßigen
Grundsteuer, der kunstvolle Ausbau der bereits bestehenden indirekten Steuern,
der Grenzzölle, Lager- und Hafengelder, Verbrauchs- und Nutzungsabgaben,
der überaus gewinnbringende staatliche Getreidehandel und die noch er-
giebigeren, auf jüdisch-orientalische Einwirkungen zurückzuführenden Monopole.

Die Ergebnisse schienen in der Tat glänzend und waren es
auch vom Standpunkt der universalen Machtpolitik aus; denn der
Kaiser rückte als Kapitalkraft durch die Unsummen, die ihm
diese Finanzwirtschaft von Jahr zu Jahr abwarf, geradezu an die
erste Stelle der Welt, und das Geld ward schon damals immer
mehr zur Vorbedingung der Kriegführung! Aber diese Ergebnisse
wurden doch nur erzielt durch einen Raubbau, der die übermäßig
angespannten Kräfte des Landes, weil er sie nicht zu ersetzen ver-
stand, in absehbarer Zeit erschöpfen mußte. Die immer erneuten
Steuerforderungen erregten mehrfache Unruhen der betroffenen
Bevölkerung; das künstliche Zoll- und Abgabensystem schraubte
die Lebensmittelpreise zu unerträglicher Höhe; der staatliche Ge-
treidehandel wirkte lähmend auf den Privathandel und machte den
Getreideanbau außerhalb der Domänen kaum mehr lohnend; die
Monopolwirtschaft endlich hemmte völlig die Unternehmungskraft
für eine Reihe wichtiger Geschäftszweige. Friedrich war keineswegs
blind für die Schädigungen, er verfolgte sie mit Sorge und versuchte
wiederholt, noch zuletzt in seinem Testament, durch Steuerreduk-
tionen Erleichterungen zu gewähren. Er war sich vollkommen klar
darüber, daß "die sichere und wohlhabende Lage der Untertanen
den Ruhm der Könige begründe". Aber der furchtbare Existenz-
kampf, der das ganze letzte Drittel seiner kaiserlichen Regierung erfüllte,
trieb ihn wider Willen in der verhängnisvollen Richtung vorwärts,
die auf die Dauer zum Niedergang führen mußte. Trotzdem ist
gerade dieses Finanzsystem, das ja in der Tat eine grandiose
Leistung darstellte und in Friedenszeiten bei maßvollerer Anwendung
wohl auch bessere Wirkungen erzielt haben würde, von den Zeit-
genossen mehr als alles andre bewundert und nicht nur in den
kleinen italienischen Stadtstaaten und in Aragonien, sondern auch

II. Die Zeit der Staufer.
Kämpfe der Zukunft waren gegen die kapitalkräftigen lombardischen
Städte und die größte Finanzmacht der damaligen Welt, das Papst-
tum, zu führen. Mochte das männerreiche Deutschland für die
kriegerischen Kräfte aufkommen, die Geldmittel waren allein dem
Reichtum des sizilischen Landes abzugewinnen, und diese Aufgabe
hat Friedrich nun sofort nach dem Frieden von Ceperano mit
rücksichtsloser Folgerichtigkeit gelöst.

Abgesehen von wiederholten Rückforderungen des entfremdeten Kron-
guts, das jetzt zu den Abgaben stark herangezogen wurde, war hier das meiste
Neuschöpfung und dem früheren Normannenstaate noch unbekannt; so die
Umgestaltung der früheren Vasallenbeiträge zu einer allgemeinen, regelmäßigen
Grundsteuer, der kunstvolle Ausbau der bereits bestehenden indirekten Steuern,
der Grenzzölle, Lager- und Hafengelder, Verbrauchs- und Nutzungsabgaben,
der überaus gewinnbringende staatliche Getreidehandel und die noch er-
giebigeren, auf jüdisch-orientalische Einwirkungen zurückzuführenden Monopole.

Die Ergebnisse schienen in der Tat glänzend und waren es
auch vom Standpunkt der universalen Machtpolitik aus; denn der
Kaiser rückte als Kapitalkraft durch die Unsummen, die ihm
diese Finanzwirtschaft von Jahr zu Jahr abwarf, geradezu an die
erste Stelle der Welt, und das Geld ward schon damals immer
mehr zur Vorbedingung der Kriegführung! Aber diese Ergebnisse
wurden doch nur erzielt durch einen Raubbau, der die übermäßig
angespannten Kräfte des Landes, weil er sie nicht zu ersetzen ver-
stand, in absehbarer Zeit erschöpfen mußte. Die immer erneuten
Steuerforderungen erregten mehrfache Unruhen der betroffenen
Bevölkerung; das künstliche Zoll- und Abgabensystem schraubte
die Lebensmittelpreise zu unerträglicher Höhe; der staatliche Ge-
treidehandel wirkte lähmend auf den Privathandel und machte den
Getreideanbau außerhalb der Domänen kaum mehr lohnend; die
Monopolwirtschaft endlich hemmte völlig die Unternehmungskraft
für eine Reihe wichtiger Geschäftszweige. Friedrich war keineswegs
blind für die Schädigungen, er verfolgte sie mit Sorge und versuchte
wiederholt, noch zuletzt in seinem Testament, durch Steuerreduk-
tionen Erleichterungen zu gewähren. Er war sich vollkommen klar
darüber, daß „die sichere und wohlhabende Lage der Untertanen
den Ruhm der Könige begründe“. Aber der furchtbare Existenz-
kampf, der das ganze letzte Drittel seiner kaiserlichen Regierung erfüllte,
trieb ihn wider Willen in der verhängnisvollen Richtung vorwärts,
die auf die Dauer zum Niedergang führen mußte. Trotzdem ist
gerade dieses Finanzsystem, das ja in der Tat eine grandiose
Leistung darstellte und in Friedenszeiten bei maßvollerer Anwendung
wohl auch bessere Wirkungen erzielt haben würde, von den Zeit-
genossen mehr als alles andre bewundert und nicht nur in den
kleinen italienischen Stadtstaaten und in Aragonien, sondern auch

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[226/0234] II. Die Zeit der Staufer. Kämpfe der Zukunft waren gegen die kapitalkräftigen lombardischen Städte und die größte Finanzmacht der damaligen Welt, das Papst- tum, zu führen. Mochte das männerreiche Deutschland für die kriegerischen Kräfte aufkommen, die Geldmittel waren allein dem Reichtum des sizilischen Landes abzugewinnen, und diese Aufgabe hat Friedrich nun sofort nach dem Frieden von Ceperano mit rücksichtsloser Folgerichtigkeit gelöst. Abgesehen von wiederholten Rückforderungen des entfremdeten Kron- guts, das jetzt zu den Abgaben stark herangezogen wurde, war hier das meiste Neuschöpfung und dem früheren Normannenstaate noch unbekannt; so die Umgestaltung der früheren Vasallenbeiträge zu einer allgemeinen, regelmäßigen Grundsteuer, der kunstvolle Ausbau der bereits bestehenden indirekten Steuern, der Grenzzölle, Lager- und Hafengelder, Verbrauchs- und Nutzungsabgaben, der überaus gewinnbringende staatliche Getreidehandel und die noch er- giebigeren, auf jüdisch-orientalische Einwirkungen zurückzuführenden Monopole. Die Ergebnisse schienen in der Tat glänzend und waren es auch vom Standpunkt der universalen Machtpolitik aus; denn der Kaiser rückte als Kapitalkraft durch die Unsummen, die ihm diese Finanzwirtschaft von Jahr zu Jahr abwarf, geradezu an die erste Stelle der Welt, und das Geld ward schon damals immer mehr zur Vorbedingung der Kriegführung! Aber diese Ergebnisse wurden doch nur erzielt durch einen Raubbau, der die übermäßig angespannten Kräfte des Landes, weil er sie nicht zu ersetzen ver- stand, in absehbarer Zeit erschöpfen mußte. Die immer erneuten Steuerforderungen erregten mehrfache Unruhen der betroffenen Bevölkerung; das künstliche Zoll- und Abgabensystem schraubte die Lebensmittelpreise zu unerträglicher Höhe; der staatliche Ge- treidehandel wirkte lähmend auf den Privathandel und machte den Getreideanbau außerhalb der Domänen kaum mehr lohnend; die Monopolwirtschaft endlich hemmte völlig die Unternehmungskraft für eine Reihe wichtiger Geschäftszweige. Friedrich war keineswegs blind für die Schädigungen, er verfolgte sie mit Sorge und versuchte wiederholt, noch zuletzt in seinem Testament, durch Steuerreduk- tionen Erleichterungen zu gewähren. Er war sich vollkommen klar darüber, daß „die sichere und wohlhabende Lage der Untertanen den Ruhm der Könige begründe“. Aber der furchtbare Existenz- kampf, der das ganze letzte Drittel seiner kaiserlichen Regierung erfüllte, trieb ihn wider Willen in der verhängnisvollen Richtung vorwärts, die auf die Dauer zum Niedergang führen mußte. Trotzdem ist gerade dieses Finanzsystem, das ja in der Tat eine grandiose Leistung darstellte und in Friedenszeiten bei maßvollerer Anwendung wohl auch bessere Wirkungen erzielt haben würde, von den Zeit- genossen mehr als alles andre bewundert und nicht nur in den kleinen italienischen Stadtstaaten und in Aragonien, sondern auch

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/234>, abgerufen am 30.04.2024.