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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230-1239).

Wenn der normannische Staat neben manchen Elementen der byzan-
tinischen und arabischen Verwaltung vor allem doch auf dem germanischen
Lehenswesens beruht hatte, so lag der Fortschritt der neuen Monarchie
Friedrichs in der Überwindung des Lehenswesens durch ein mehr durch
Bildung als Geburt ausgezeichnetes, großenteils juristisch geschultes, auf Zeit
und Besoldung angestelltes und in straffer Abhängigkeit gehaltenes Beamten-
tum, das in dem absoluten Königtum seine Spitze fand. In diesem modernen
Beamtenstaate sanken alsbald alle andern Körperschaften zu politischer Un-
selbständigkeit und Bedeutungslosigkeit herab; die Vereinigung der könig-
lichen Vasallen auf den Hoftagen, die nur noch selten und lediglich zu
Zwecken der Beratung berufen wurden, die Städte, denen der König die Vor-
steher ernannte, und denen er, wenn er gelegentlich bürgerliche Sachver-
ständige zur Begutachtung heranzog, damit doch nicht das mindeste Recht
politischer Vertretung zugestehen wollte1); die Kirchen, denen gegenüber die
Krone, zwar in ständigen Reibungen mit dem Papsttum, aber im wesentlichen
erfolgreich und gelegentlich selbst über die Zugeständnisse von Ceperano
hinaus2), die notwendigsten Rechte festhielt. Diese zentralisierte und stark
bürokratische Verwaltung blieb trotz genauer Umschreibung der Befugnisse
des Einzelnen gewiß nicht ohne Übergriffe der allregierenden Beamtenschaft,
aber es war doch auch für Rechenschaftsablegung, Überwachung und freie
Beschwerdeführung ausgiebig gesorgt, und gegenüber dem unbeholfenen, kraft-
zersplitternden Lehenswesen bedeutete sie zum mindesten unter dem
Gesichtspunkte staatlicher Leistungsfähigkeit und Schlagfertigkeit einen ge-
waltigen Fortschritt, dem für ganz Europa die Zukunft gehörte.

Allmächtig war in diesem Staate nur das Königtum, das sich auch im
Heerwesen durch die unbedingt ergebenen sarazenischen Soldtruppen, die
Anlage königlicher Festungen und den Ausbau der Flotte von dem Feudalis-
mus unabhängig zu machen wußte. Die Schrankenlosigkeit seines in alle Ge-
biete eingreifenden und oft genug mit rechtbrechender Willkür verfahrenden
Regiments wurde vom Lande bald als ein schwerer Druck empfunden, aber von
den Mächtigeren mehr als von der Masse der Tieferstehenden, denen Friedrich
eine in dem früheren Lehensstaate ungewohnte Gerechtigkeit und soziale Für-
sorge zuteil werden ließ. Und es war eben doch keine launenhafte Tyran-
nei, sondern ein aufgeklärter, die Vernunft allein zum Maßstab nehmender
Absolutismus. In seiner allseitigen Fürsorge, seiner Freiheit von Dogmatismus
und Mystizismus, seiner Beeinflussung durch nationalökonomische, statistische,
hygienische, volkserzieherische Gesichtspunkte, seinen handelspolitischen Maß-
nahmen und Landesmeliorationen, seinem fortgeschrittenen Strafrecht, das
Gottesurteile als widernatürlich und unwahrhaftig abschaffte, Zweikampf und
Folter eng begrenzte, in der zunehmenden Schriftlichkeit des Verwaltungs-
wesens und Gerichtsverfahrens, -- in diesem ganzen kühlen Rationalismus
mutet er uns doch wenig mittelalterlich mehr an und deutet weit voraus in
das siebzehnte Jahrhundert.

Bei aller Fürsorge hatte doch auch diese vielgeliebte Heimat
Friedrichs, anders als Deutschland, aber kaum minder schwer zu
empfinden, daß sie nur noch der Teil eines Universalreiches war,
dessen Behauptung und Ausbau unendliche Mittel erforderte. Die

1) Vergl. Paolucci, Il parlamento di Foggia 1240, Akten der Palermi-
taner Akad. 1897 gegen Winkelmanns höhere Wertung.
2) Vergl. Winkelm. Jahrb. II, 268.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 15
§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239).

Wenn der normannische Staat neben manchen Elementen der byzan-
tinischen und arabischen Verwaltung vor allem doch auf dem germanischen
Lehenswesens beruht hatte, so lag der Fortschritt der neuen Monarchie
Friedrichs in der Überwindung des Lehenswesens durch ein mehr durch
Bildung als Geburt ausgezeichnetes, großenteils juristisch geschultes, auf Zeit
und Besoldung angestelltes und in straffer Abhängigkeit gehaltenes Beamten-
tum, das in dem absoluten Königtum seine Spitze fand. In diesem modernen
Beamtenstaate sanken alsbald alle andern Körperschaften zu politischer Un-
selbständigkeit und Bedeutungslosigkeit herab; die Vereinigung der könig-
lichen Vasallen auf den Hoftagen, die nur noch selten und lediglich zu
Zwecken der Beratung berufen wurden, die Städte, denen der König die Vor-
steher ernannte, und denen er, wenn er gelegentlich bürgerliche Sachver-
ständige zur Begutachtung heranzog, damit doch nicht das mindeste Recht
politischer Vertretung zugestehen wollte1); die Kirchen, denen gegenüber die
Krone, zwar in ständigen Reibungen mit dem Papsttum, aber im wesentlichen
erfolgreich und gelegentlich selbst über die Zugeständnisse von Ceperano
hinaus2), die notwendigsten Rechte festhielt. Diese zentralisierte und stark
bürokratische Verwaltung blieb trotz genauer Umschreibung der Befugnisse
des Einzelnen gewiß nicht ohne Übergriffe der allregierenden Beamtenschaft,
aber es war doch auch für Rechenschaftsablegung, Überwachung und freie
Beschwerdeführung ausgiebig gesorgt, und gegenüber dem unbeholfenen, kraft-
zersplitternden Lehenswesen bedeutete sie zum mindesten unter dem
Gesichtspunkte staatlicher Leistungsfähigkeit und Schlagfertigkeit einen ge-
waltigen Fortschritt, dem für ganz Europa die Zukunft gehörte.

Allmächtig war in diesem Staate nur das Königtum, das sich auch im
Heerwesen durch die unbedingt ergebenen sarazenischen Soldtruppen, die
Anlage königlicher Festungen und den Ausbau der Flotte von dem Feudalis-
mus unabhängig zu machen wußte. Die Schrankenlosigkeit seines in alle Ge-
biete eingreifenden und oft genug mit rechtbrechender Willkür verfahrenden
Regiments wurde vom Lande bald als ein schwerer Druck empfunden, aber von
den Mächtigeren mehr als von der Masse der Tieferstehenden, denen Friedrich
eine in dem früheren Lehensstaate ungewohnte Gerechtigkeit und soziale Für-
sorge zuteil werden ließ. Und es war eben doch keine launenhafte Tyran-
nei, sondern ein aufgeklärter, die Vernunft allein zum Maßstab nehmender
Absolutismus. In seiner allseitigen Fürsorge, seiner Freiheit von Dogmatismus
und Mystizismus, seiner Beeinflussung durch nationalökonomische, statistische,
hygienische, volkserzieherische Gesichtspunkte, seinen handelspolitischen Maß-
nahmen und Landesmeliorationen, seinem fortgeschrittenen Strafrecht, das
Gottesurteile als widernatürlich und unwahrhaftig abschaffte, Zweikampf und
Folter eng begrenzte, in der zunehmenden Schriftlichkeit des Verwaltungs-
wesens und Gerichtsverfahrens, — in diesem ganzen kühlen Rationalismus
mutet er uns doch wenig mittelalterlich mehr an und deutet weit voraus in
das siebzehnte Jahrhundert.

Bei aller Fürsorge hatte doch auch diese vielgeliebte Heimat
Friedrichs, anders als Deutschland, aber kaum minder schwer zu
empfinden, daß sie nur noch der Teil eines Universalreiches war,
dessen Behauptung und Ausbau unendliche Mittel erforderte. Die

1) Vergl. Paolucci, Il parlamento di Foggia 1240, Akten der Palermi-
taner Akad. 1897 gegen Winkelmanns höhere Wertung.
2) Vergl. Winkelm. Jahrb. II, 268.
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[225/0233] § 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239). Wenn der normannische Staat neben manchen Elementen der byzan- tinischen und arabischen Verwaltung vor allem doch auf dem germanischen Lehenswesens beruht hatte, so lag der Fortschritt der neuen Monarchie Friedrichs in der Überwindung des Lehenswesens durch ein mehr durch Bildung als Geburt ausgezeichnetes, großenteils juristisch geschultes, auf Zeit und Besoldung angestelltes und in straffer Abhängigkeit gehaltenes Beamten- tum, das in dem absoluten Königtum seine Spitze fand. In diesem modernen Beamtenstaate sanken alsbald alle andern Körperschaften zu politischer Un- selbständigkeit und Bedeutungslosigkeit herab; die Vereinigung der könig- lichen Vasallen auf den Hoftagen, die nur noch selten und lediglich zu Zwecken der Beratung berufen wurden, die Städte, denen der König die Vor- steher ernannte, und denen er, wenn er gelegentlich bürgerliche Sachver- ständige zur Begutachtung heranzog, damit doch nicht das mindeste Recht politischer Vertretung zugestehen wollte 1); die Kirchen, denen gegenüber die Krone, zwar in ständigen Reibungen mit dem Papsttum, aber im wesentlichen erfolgreich und gelegentlich selbst über die Zugeständnisse von Ceperano hinaus 2), die notwendigsten Rechte festhielt. Diese zentralisierte und stark bürokratische Verwaltung blieb trotz genauer Umschreibung der Befugnisse des Einzelnen gewiß nicht ohne Übergriffe der allregierenden Beamtenschaft, aber es war doch auch für Rechenschaftsablegung, Überwachung und freie Beschwerdeführung ausgiebig gesorgt, und gegenüber dem unbeholfenen, kraft- zersplitternden Lehenswesen bedeutete sie zum mindesten unter dem Gesichtspunkte staatlicher Leistungsfähigkeit und Schlagfertigkeit einen ge- waltigen Fortschritt, dem für ganz Europa die Zukunft gehörte. Allmächtig war in diesem Staate nur das Königtum, das sich auch im Heerwesen durch die unbedingt ergebenen sarazenischen Soldtruppen, die Anlage königlicher Festungen und den Ausbau der Flotte von dem Feudalis- mus unabhängig zu machen wußte. Die Schrankenlosigkeit seines in alle Ge- biete eingreifenden und oft genug mit rechtbrechender Willkür verfahrenden Regiments wurde vom Lande bald als ein schwerer Druck empfunden, aber von den Mächtigeren mehr als von der Masse der Tieferstehenden, denen Friedrich eine in dem früheren Lehensstaate ungewohnte Gerechtigkeit und soziale Für- sorge zuteil werden ließ. Und es war eben doch keine launenhafte Tyran- nei, sondern ein aufgeklärter, die Vernunft allein zum Maßstab nehmender Absolutismus. In seiner allseitigen Fürsorge, seiner Freiheit von Dogmatismus und Mystizismus, seiner Beeinflussung durch nationalökonomische, statistische, hygienische, volkserzieherische Gesichtspunkte, seinen handelspolitischen Maß- nahmen und Landesmeliorationen, seinem fortgeschrittenen Strafrecht, das Gottesurteile als widernatürlich und unwahrhaftig abschaffte, Zweikampf und Folter eng begrenzte, in der zunehmenden Schriftlichkeit des Verwaltungs- wesens und Gerichtsverfahrens, — in diesem ganzen kühlen Rationalismus mutet er uns doch wenig mittelalterlich mehr an und deutet weit voraus in das siebzehnte Jahrhundert. Bei aller Fürsorge hatte doch auch diese vielgeliebte Heimat Friedrichs, anders als Deutschland, aber kaum minder schwer zu empfinden, daß sie nur noch der Teil eines Universalreiches war, dessen Behauptung und Ausbau unendliche Mittel erforderte. Die 1) Vergl. Paolucci, Il parlamento di Foggia 1240, Akten der Palermi- taner Akad. 1897 gegen Winkelmanns höhere Wertung. 2) Vergl. Winkelm. Jahrb. II, 268. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 15

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/233>, abgerufen am 25.11.2024.