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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Khalifen, aufzutreten wagte, ihn bekämpfte und in die Flucht jagte."
Den Frieden bezeichnete auch ein abendländischer Zeitgenosse1) als
einen Schimpf für die heilige Kirche. Wenn er freilich die her-
gestellte Eintracht für mehr erheuchelt als ehrlich hielt, so hatte er
nicht minder Recht. Darüber durften die persönliche Zusammen-
kunft Gregors und Friedrichs in Anagni und theoretische Aus-
führungen über das harmonische Zusammenwirken der beiden Ge-
walten nicht täuschen. Der erste Vernichtungsanfall war abgeschlagen,
das Kaisertum hatte einstweilen seinen Platz neben dem Papsttum
zurückerobert, aber der unheilvolle Gegensatz war mitnichten gelöst.
Immerhin hatte Friedrich sich eine Grundlage für weitere Befestigung
seiner Macht gesichert.

§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht
(1230-1239).

Friedrich stand damals in seinen kräftigsten Jahren. Die mittel-
große, später etwas volle Figur mit dem bartlosen Antlitz2) und dem
rötlichblonden Haar war nicht eben an sich von überwältigendem
Eindruck, aber von unermüdlicher Leistungsfähigkeit und gehoben
durch Sicherheit und Pomp des Auftretens. Der dabei entfaltete
Prunk, fremdartige Gestalten von Äthiopiern und Mauren, seltene
Tiere der kaiserlichen Menagerie, wie Elefanten, Dromedare, Löwen
und Panter, erregten lebhaft die Phantasie der Deutschen, aber
zeigten ihnen auch handgreiflich, wie wenig sie doch eigentlich
diesen Herrscher als den ihrigen betrachten konnten. In der Tat
war dieser ganze Luxus, der sich in seinen apulischen Schlössern noch
weit glänzender und berauschender entfaltete, war die ganze Üppig-
keit des Sinnenlebens und die fast mohammedanische Auffassung
der Ehe, die dem Herrscher eunuchenbewachte Harems daheim wie
im Feldlager gestattete, in Art und Unart sizilianisch und bei Friedrichs
normannischen Vorfahren ganz ähnlich anzutreffen. Das verschlang
gewaltige Summen und erregte manchen Anstoß; aber Friedrichs
geniale Kraftnatur war weit entfernt, davon entnervt zu werden.

Rastlos kam er den vielseitigen und aufreibenden Pflichten
seines Amtes nach. Imperialistische, normannische und moham-

1) Abt Wilhelm von Andres; vgl. Winkelmann, Jahrb. II, 210.
2) Einer Identifizierung der eindrucksvollen Büste von Acerenza mit
Friedrich II. (R. Delbrück, Ztschr. f. bild. Kunst 1902) wird man auf Grund
weiterer Untersuchungen (ebenda 1903) bis auf weiteres ablehnend gegenüber
stehen müssen.

II. Die Zeit der Staufer.
Khalifen, aufzutreten wagte, ihn bekämpfte und in die Flucht jagte.“
Den Frieden bezeichnete auch ein abendländischer Zeitgenosse1) als
einen Schimpf für die heilige Kirche. Wenn er freilich die her-
gestellte Eintracht für mehr erheuchelt als ehrlich hielt, so hatte er
nicht minder Recht. Darüber durften die persönliche Zusammen-
kunft Gregors und Friedrichs in Anagni und theoretische Aus-
führungen über das harmonische Zusammenwirken der beiden Ge-
walten nicht täuschen. Der erste Vernichtungsanfall war abgeschlagen,
das Kaisertum hatte einstweilen seinen Platz neben dem Papsttum
zurückerobert, aber der unheilvolle Gegensatz war mitnichten gelöst.
Immerhin hatte Friedrich sich eine Grundlage für weitere Befestigung
seiner Macht gesichert.

§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht
(1230‒1239).

Friedrich stand damals in seinen kräftigsten Jahren. Die mittel-
große, später etwas volle Figur mit dem bartlosen Antlitz2) und dem
rötlichblonden Haar war nicht eben an sich von überwältigendem
Eindruck, aber von unermüdlicher Leistungsfähigkeit und gehoben
durch Sicherheit und Pomp des Auftretens. Der dabei entfaltete
Prunk, fremdartige Gestalten von Äthiopiern und Mauren, seltene
Tiere der kaiserlichen Menagerie, wie Elefanten, Dromedare, Löwen
und Panter, erregten lebhaft die Phantasie der Deutschen, aber
zeigten ihnen auch handgreiflich, wie wenig sie doch eigentlich
diesen Herrscher als den ihrigen betrachten konnten. In der Tat
war dieser ganze Luxus, der sich in seinen apulischen Schlössern noch
weit glänzender und berauschender entfaltete, war die ganze Üppig-
keit des Sinnenlebens und die fast mohammedanische Auffassung
der Ehe, die dem Herrscher eunuchenbewachte Harems daheim wie
im Feldlager gestattete, in Art und Unart sizilianisch und bei Friedrichs
normannischen Vorfahren ganz ähnlich anzutreffen. Das verschlang
gewaltige Summen und erregte manchen Anstoß; aber Friedrichs
geniale Kraftnatur war weit entfernt, davon entnervt zu werden.

Rastlos kam er den vielseitigen und aufreibenden Pflichten
seines Amtes nach. Imperialistische, normannische und moham-

1) Abt Wilhelm von Andres; vgl. Winkelmann, Jahrb. II, 210.
2) Einer Identifizierung der eindrucksvollen Büste von Acerenza mit
Friedrich II. (R. Delbrück, Ztschr. f. bild. Kunst 1902) wird man auf Grund
weiterer Untersuchungen (ebenda 1903) bis auf weiteres ablehnend gegenüber
stehen müssen.
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[220/0228] II. Die Zeit der Staufer. Khalifen, aufzutreten wagte, ihn bekämpfte und in die Flucht jagte.“ Den Frieden bezeichnete auch ein abendländischer Zeitgenosse 1) als einen Schimpf für die heilige Kirche. Wenn er freilich die her- gestellte Eintracht für mehr erheuchelt als ehrlich hielt, so hatte er nicht minder Recht. Darüber durften die persönliche Zusammen- kunft Gregors und Friedrichs in Anagni und theoretische Aus- führungen über das harmonische Zusammenwirken der beiden Ge- walten nicht täuschen. Der erste Vernichtungsanfall war abgeschlagen, das Kaisertum hatte einstweilen seinen Platz neben dem Papsttum zurückerobert, aber der unheilvolle Gegensatz war mitnichten gelöst. Immerhin hatte Friedrich sich eine Grundlage für weitere Befestigung seiner Macht gesichert. § 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239). Friedrich stand damals in seinen kräftigsten Jahren. Die mittel- große, später etwas volle Figur mit dem bartlosen Antlitz 2) und dem rötlichblonden Haar war nicht eben an sich von überwältigendem Eindruck, aber von unermüdlicher Leistungsfähigkeit und gehoben durch Sicherheit und Pomp des Auftretens. Der dabei entfaltete Prunk, fremdartige Gestalten von Äthiopiern und Mauren, seltene Tiere der kaiserlichen Menagerie, wie Elefanten, Dromedare, Löwen und Panter, erregten lebhaft die Phantasie der Deutschen, aber zeigten ihnen auch handgreiflich, wie wenig sie doch eigentlich diesen Herrscher als den ihrigen betrachten konnten. In der Tat war dieser ganze Luxus, der sich in seinen apulischen Schlössern noch weit glänzender und berauschender entfaltete, war die ganze Üppig- keit des Sinnenlebens und die fast mohammedanische Auffassung der Ehe, die dem Herrscher eunuchenbewachte Harems daheim wie im Feldlager gestattete, in Art und Unart sizilianisch und bei Friedrichs normannischen Vorfahren ganz ähnlich anzutreffen. Das verschlang gewaltige Summen und erregte manchen Anstoß; aber Friedrichs geniale Kraftnatur war weit entfernt, davon entnervt zu werden. Rastlos kam er den vielseitigen und aufreibenden Pflichten seines Amtes nach. Imperialistische, normannische und moham- 1) Abt Wilhelm von Andres; vgl. Winkelmann, Jahrb. II, 210. 2) Einer Identifizierung der eindrucksvollen Büste von Acerenza mit Friedrich II. (R. Delbrück, Ztschr. f. bild. Kunst 1902) wird man auf Grund weiterer Untersuchungen (ebenda 1903) bis auf weiteres ablehnend gegenüber stehen müssen.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/228>, abgerufen am 22.11.2024.