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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
Schmach für das Kaisertum mit dem Tage von Canossa verglichen
oder ihm völlige Verkennung der wahren Absichten des Papsttums
vorgeworfen.1) Solche Beurteiler betrachten die beiden Gegner doch
zu sehr als gleichstehende Mächte und rechnen nicht genug mit
der von vornherein hoffnungslosen Lage Friedrichs der Kirche
gegenüber. Es dürfte schwer halten, die Bahn zu bezeichnen,
die er sonst hätte gehen sollen! Auf kirchlichem Gebiete war die
päpstliche Macht unerschütterlich gefestet bis zu der Zeit, da die
Nationalstaaten oder die Massen selbst gegen die Kurie mobil
machen würden. Dieser Tag lag noch fern. Das Ziel Friedrichs
konnte daher nur sein, durch diplomatische Mittel und kirch-
liche Zugeständnisse den Vernichtungskampf des Papsttums gegen
ihn möglichst lange aufzuhalten und derweil seine politische Macht-
stellung nach Kräften auszubauen. Für die Beurteilung der ein-
zelnen Schritte wäre danach ausschlaggebend, ob sie diese Ge-
legenheit boten oder aber durch wesentliche Einräumungen das
Papsttum für den letzten Entscheidungskampf nur kräftigten. Der
Friede von Ceperano brachte der Kirche höchst wertvolle Zu-
geständnisse für Sizilien; aber sie haben Friedrichs unbedingte
Herrschaft dort schließlich nicht zu erschüttern vermocht und daher
dem Papsttum nicht den erhofften politischen Gewinn eingetragen.
Und für diesen Verlust, ohne den der Friede anscheinend doch
nicht zu erreichen war, nun der überaus eindrucksvolle moralische
Sieg, den der Kaiser über den Papst in den Augen der damaligen
Welt davontrug: der Bann trotz alles Sträubens zurückgenommen,
das Ergebnis des als Piraterie gebrandmarkten Kreuzzuges anerkannt,
die Eroberung Siziliens kläglich gescheitert, alle Bemühungen des
Papsttums um eine Empörung im Reiche vergeblich, der Weltfriede
nur der weisen Mäßigung Friedrichs verdankt. Die Dinge liegen
hier doch genau umgekehrt wie bei Canossa: dort ein augenblick-
licher politischer Erfolg erkauft durch dauernde moralische Einbuße
des Kaisertums; hier durch faktische Zugeständnisse eine ungeheure
Steigerung des kaiserlichen Ansehens erzielt, wie sie in den dreißiger
Jahren deutlich zu Tage trat. Gerade in solchen Fragen ist vielleicht
der Haupteindruck, den ein aus großer Gesichtsweite beobachtender
Zeitgenosse, der Araber Abu al Fadayl, von den Ereignissen zurück-
behielt, nicht ganz gering zu schätzen; er schrieb von Friedrich:
"Seit den Zeiten Alexanders gab es in der Christenheit keinen
Fürsten wie diesen, nicht allein in Anbetracht seiner Macht, sondern
auch wegen der Kühnheit, mit der er gegen den Papst, ihren

1) Vergl. Hauck IV, 782 ff. Dagegen meine Bemerkungen Hist. Ztschr.
93, 422 ff.

§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
Schmach für das Kaisertum mit dem Tage von Canossa verglichen
oder ihm völlige Verkennung der wahren Absichten des Papsttums
vorgeworfen.1) Solche Beurteiler betrachten die beiden Gegner doch
zu sehr als gleichstehende Mächte und rechnen nicht genug mit
der von vornherein hoffnungslosen Lage Friedrichs der Kirche
gegenüber. Es dürfte schwer halten, die Bahn zu bezeichnen,
die er sonst hätte gehen sollen! Auf kirchlichem Gebiete war die
päpstliche Macht unerschütterlich gefestet bis zu der Zeit, da die
Nationalstaaten oder die Massen selbst gegen die Kurie mobil
machen würden. Dieser Tag lag noch fern. Das Ziel Friedrichs
konnte daher nur sein, durch diplomatische Mittel und kirch-
liche Zugeständnisse den Vernichtungskampf des Papsttums gegen
ihn möglichst lange aufzuhalten und derweil seine politische Macht-
stellung nach Kräften auszubauen. Für die Beurteilung der ein-
zelnen Schritte wäre danach ausschlaggebend, ob sie diese Ge-
legenheit boten oder aber durch wesentliche Einräumungen das
Papsttum für den letzten Entscheidungskampf nur kräftigten. Der
Friede von Ceperano brachte der Kirche höchst wertvolle Zu-
geständnisse für Sizilien; aber sie haben Friedrichs unbedingte
Herrschaft dort schließlich nicht zu erschüttern vermocht und daher
dem Papsttum nicht den erhofften politischen Gewinn eingetragen.
Und für diesen Verlust, ohne den der Friede anscheinend doch
nicht zu erreichen war, nun der überaus eindrucksvolle moralische
Sieg, den der Kaiser über den Papst in den Augen der damaligen
Welt davontrug: der Bann trotz alles Sträubens zurückgenommen,
das Ergebnis des als Piraterie gebrandmarkten Kreuzzuges anerkannt,
die Eroberung Siziliens kläglich gescheitert, alle Bemühungen des
Papsttums um eine Empörung im Reiche vergeblich, der Weltfriede
nur der weisen Mäßigung Friedrichs verdankt. Die Dinge liegen
hier doch genau umgekehrt wie bei Canossa: dort ein augenblick-
licher politischer Erfolg erkauft durch dauernde moralische Einbuße
des Kaisertums; hier durch faktische Zugeständnisse eine ungeheure
Steigerung des kaiserlichen Ansehens erzielt, wie sie in den dreißiger
Jahren deutlich zu Tage trat. Gerade in solchen Fragen ist vielleicht
der Haupteindruck, den ein aus großer Gesichtsweite beobachtender
Zeitgenosse, der Araber Abu al Fadayl, von den Ereignissen zurück-
behielt, nicht ganz gering zu schätzen; er schrieb von Friedrich:
„Seit den Zeiten Alexanders gab es in der Christenheit keinen
Fürsten wie diesen, nicht allein in Anbetracht seiner Macht, sondern
auch wegen der Kühnheit, mit der er gegen den Papst, ihren

1) Vergl. Hauck IV, 782 ff. Dagegen meine Bemerkungen Hist. Ztschr.
93, 422 ff.
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[219/0227] § 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230). Schmach für das Kaisertum mit dem Tage von Canossa verglichen oder ihm völlige Verkennung der wahren Absichten des Papsttums vorgeworfen. 1) Solche Beurteiler betrachten die beiden Gegner doch zu sehr als gleichstehende Mächte und rechnen nicht genug mit der von vornherein hoffnungslosen Lage Friedrichs der Kirche gegenüber. Es dürfte schwer halten, die Bahn zu bezeichnen, die er sonst hätte gehen sollen! Auf kirchlichem Gebiete war die päpstliche Macht unerschütterlich gefestet bis zu der Zeit, da die Nationalstaaten oder die Massen selbst gegen die Kurie mobil machen würden. Dieser Tag lag noch fern. Das Ziel Friedrichs konnte daher nur sein, durch diplomatische Mittel und kirch- liche Zugeständnisse den Vernichtungskampf des Papsttums gegen ihn möglichst lange aufzuhalten und derweil seine politische Macht- stellung nach Kräften auszubauen. Für die Beurteilung der ein- zelnen Schritte wäre danach ausschlaggebend, ob sie diese Ge- legenheit boten oder aber durch wesentliche Einräumungen das Papsttum für den letzten Entscheidungskampf nur kräftigten. Der Friede von Ceperano brachte der Kirche höchst wertvolle Zu- geständnisse für Sizilien; aber sie haben Friedrichs unbedingte Herrschaft dort schließlich nicht zu erschüttern vermocht und daher dem Papsttum nicht den erhofften politischen Gewinn eingetragen. Und für diesen Verlust, ohne den der Friede anscheinend doch nicht zu erreichen war, nun der überaus eindrucksvolle moralische Sieg, den der Kaiser über den Papst in den Augen der damaligen Welt davontrug: der Bann trotz alles Sträubens zurückgenommen, das Ergebnis des als Piraterie gebrandmarkten Kreuzzuges anerkannt, die Eroberung Siziliens kläglich gescheitert, alle Bemühungen des Papsttums um eine Empörung im Reiche vergeblich, der Weltfriede nur der weisen Mäßigung Friedrichs verdankt. Die Dinge liegen hier doch genau umgekehrt wie bei Canossa: dort ein augenblick- licher politischer Erfolg erkauft durch dauernde moralische Einbuße des Kaisertums; hier durch faktische Zugeständnisse eine ungeheure Steigerung des kaiserlichen Ansehens erzielt, wie sie in den dreißiger Jahren deutlich zu Tage trat. Gerade in solchen Fragen ist vielleicht der Haupteindruck, den ein aus großer Gesichtsweite beobachtender Zeitgenosse, der Araber Abu al Fadayl, von den Ereignissen zurück- behielt, nicht ganz gering zu schätzen; er schrieb von Friedrich: „Seit den Zeiten Alexanders gab es in der Christenheit keinen Fürsten wie diesen, nicht allein in Anbetracht seiner Macht, sondern auch wegen der Kühnheit, mit der er gegen den Papst, ihren 1) Vergl. Hauck IV, 782 ff. Dagegen meine Bemerkungen Hist. Ztschr. 93, 422 ff.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/227>, abgerufen am 30.04.2024.