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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
vom Treueid löste und zur Empörung aufrief, ihm seine Reiche
absprach und sich mit den Lombarden verbündete. Dieser nicht ohne
selbstsüchtige Absicht unternommene Einfall Reinalds in den Kirchen-
staat, der ihm nachmals die Ungnade des Kaisers zuzog, gab dem
Papst in den Augen der Welt wohl die Berechtigung, ihn mit
schnell geworbenen Söldnerscharen zurückzuweisen und nun selbst
die Eroberung des Königreichs, das er unter die unmittelbare Herr-
schaft der Kirche zu nehmen gedachte, zu beginnen. Noch war
der Bau nicht gefestigt genug, um ohne die Person seines Leiters
Widerstand zu leisten; schon war mehr als die Hälfte des Fest-
landes in den Händen der Päpstlichen, als Friedrich zurückkehrte.

Die Untätigkeit der geistlichen Heerführer ließ ihm Zeit, zu
erstarken; mit rasch gerüsteten Truppen jagte er dann in raschem
Siegeslaufe die päpstlichen Schlüsselsoldaten aus dem Lande. An
der Grenze löste er sein Heer auf und bot dem Papste Friedens-
verhandlungen an. Wäre es Gregor nur um Genugtuung für die
Verletzung des Vertrages von S. Germano zu tun gewesen, so
hätte er die ausgestreckte Hand freudig ergriffen. Aber erst nach
langem Sträuben, als ihn die Unfähigkeit seiner Truppen, Geld-
mangel, Mißerfolge der Lombarden und Versagen der Agitation in
Deutschland in eine sehr bedenkliche Lage brachten, ging er auf
das Anerbieten ein. Die Verhandlungen, in S. Germano geführt
und in Ceperano zum Abschluß gebracht, sind gekennzeichnet durch
zäheste Hartnäckigkeit des Papstes und äußerstes Entgegenkommen
des Kaisers.1) Erst die Einmischung der deutschen Fürsten, die
im eignen Interesse den Frieden brauchten, auf die Kurie drückten,
aber auch auf die sizilischen Rechte Friedrichs wenig Gewicht legten,
brachte die Einigung. Der Kaiser erlangte die Absolution, hatte
aber dafür der Kirche nicht nur volle Besitzrückgabe und umfassende
Amnestie zuzusichern, sondern auch wertvolle Zugeständnisse in Be-
zug auf die innerkirchlichen Verhältnisse Siziliens zu machen.2)

Die Beurteilung dieses Friedenschlusses wie überhaupt der
gesamten Kirchenpolitik Friedrichs unterliegt noch jetzt den stärksten
Schwankungen. Man3) hat sein unterwürfiges Entgegenkommen an

1) Die Korrespondenz des päpstlichen Unterhändlers Thomas v. Capua,
Kardinalpriesters v. S. Sabina, hat darüber Aufschlüsse gegeben, vergl. Roden-
berg, Neues Arch. 18, 177 ff.
2) Exemption des sizilischen Klerus von weltlicher Gerichtsbarkeit (ab-
gesehen von Lehenssachen) und allgemeiner Besteuerung (unter Vorbehalt der
bestehenden Verpflichtungen einzelner Kirchen und Geistlichen). Das Kon-
sensrecht bei Bischofswahlen wurde von Friedrich mühsam behauptet.
3) Winkelmann, Jahrb. II, 189. Ich kann ihm nicht zustimmen, stehe
dagegen der völlig entgegengesetzten Beurteilung, die gleich darauf in dem-
selben Buche vorgetragen wird, sehr nahe.

II. Die Zeit der Staufer.
vom Treueid löste und zur Empörung aufrief, ihm seine Reiche
absprach und sich mit den Lombarden verbündete. Dieser nicht ohne
selbstsüchtige Absicht unternommene Einfall Reinalds in den Kirchen-
staat, der ihm nachmals die Ungnade des Kaisers zuzog, gab dem
Papst in den Augen der Welt wohl die Berechtigung, ihn mit
schnell geworbenen Söldnerscharen zurückzuweisen und nun selbst
die Eroberung des Königreichs, das er unter die unmittelbare Herr-
schaft der Kirche zu nehmen gedachte, zu beginnen. Noch war
der Bau nicht gefestigt genug, um ohne die Person seines Leiters
Widerstand zu leisten; schon war mehr als die Hälfte des Fest-
landes in den Händen der Päpstlichen, als Friedrich zurückkehrte.

Die Untätigkeit der geistlichen Heerführer ließ ihm Zeit, zu
erstarken; mit rasch gerüsteten Truppen jagte er dann in raschem
Siegeslaufe die päpstlichen Schlüsselsoldaten aus dem Lande. An
der Grenze löste er sein Heer auf und bot dem Papste Friedens-
verhandlungen an. Wäre es Gregor nur um Genugtuung für die
Verletzung des Vertrages von S. Germano zu tun gewesen, so
hätte er die ausgestreckte Hand freudig ergriffen. Aber erst nach
langem Sträuben, als ihn die Unfähigkeit seiner Truppen, Geld-
mangel, Mißerfolge der Lombarden und Versagen der Agitation in
Deutschland in eine sehr bedenkliche Lage brachten, ging er auf
das Anerbieten ein. Die Verhandlungen, in S. Germano geführt
und in Ceperano zum Abschluß gebracht, sind gekennzeichnet durch
zäheste Hartnäckigkeit des Papstes und äußerstes Entgegenkommen
des Kaisers.1) Erst die Einmischung der deutschen Fürsten, die
im eignen Interesse den Frieden brauchten, auf die Kurie drückten,
aber auch auf die sizilischen Rechte Friedrichs wenig Gewicht legten,
brachte die Einigung. Der Kaiser erlangte die Absolution, hatte
aber dafür der Kirche nicht nur volle Besitzrückgabe und umfassende
Amnestie zuzusichern, sondern auch wertvolle Zugeständnisse in Be-
zug auf die innerkirchlichen Verhältnisse Siziliens zu machen.2)

Die Beurteilung dieses Friedenschlusses wie überhaupt der
gesamten Kirchenpolitik Friedrichs unterliegt noch jetzt den stärksten
Schwankungen. Man3) hat sein unterwürfiges Entgegenkommen an

1) Die Korrespondenz des päpstlichen Unterhändlers Thomas v. Capua,
Kardinalpriesters v. S. Sabina, hat darüber Aufschlüsse gegeben, vergl. Roden-
berg, Neues Arch. 18, 177 ff.
2) Exemption des sizilischen Klerus von weltlicher Gerichtsbarkeit (ab-
gesehen von Lehenssachen) und allgemeiner Besteuerung (unter Vorbehalt der
bestehenden Verpflichtungen einzelner Kirchen und Geistlichen). Das Kon-
sensrecht bei Bischofswahlen wurde von Friedrich mühsam behauptet.
3) Winkelmann, Jahrb. II, 189. Ich kann ihm nicht zustimmen, stehe
dagegen der völlig entgegengesetzten Beurteilung, die gleich darauf in dem-
selben Buche vorgetragen wird, sehr nahe.
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[218/0226] II. Die Zeit der Staufer. vom Treueid löste und zur Empörung aufrief, ihm seine Reiche absprach und sich mit den Lombarden verbündete. Dieser nicht ohne selbstsüchtige Absicht unternommene Einfall Reinalds in den Kirchen- staat, der ihm nachmals die Ungnade des Kaisers zuzog, gab dem Papst in den Augen der Welt wohl die Berechtigung, ihn mit schnell geworbenen Söldnerscharen zurückzuweisen und nun selbst die Eroberung des Königreichs, das er unter die unmittelbare Herr- schaft der Kirche zu nehmen gedachte, zu beginnen. Noch war der Bau nicht gefestigt genug, um ohne die Person seines Leiters Widerstand zu leisten; schon war mehr als die Hälfte des Fest- landes in den Händen der Päpstlichen, als Friedrich zurückkehrte. Die Untätigkeit der geistlichen Heerführer ließ ihm Zeit, zu erstarken; mit rasch gerüsteten Truppen jagte er dann in raschem Siegeslaufe die päpstlichen Schlüsselsoldaten aus dem Lande. An der Grenze löste er sein Heer auf und bot dem Papste Friedens- verhandlungen an. Wäre es Gregor nur um Genugtuung für die Verletzung des Vertrages von S. Germano zu tun gewesen, so hätte er die ausgestreckte Hand freudig ergriffen. Aber erst nach langem Sträuben, als ihn die Unfähigkeit seiner Truppen, Geld- mangel, Mißerfolge der Lombarden und Versagen der Agitation in Deutschland in eine sehr bedenkliche Lage brachten, ging er auf das Anerbieten ein. Die Verhandlungen, in S. Germano geführt und in Ceperano zum Abschluß gebracht, sind gekennzeichnet durch zäheste Hartnäckigkeit des Papstes und äußerstes Entgegenkommen des Kaisers. 1) Erst die Einmischung der deutschen Fürsten, die im eignen Interesse den Frieden brauchten, auf die Kurie drückten, aber auch auf die sizilischen Rechte Friedrichs wenig Gewicht legten, brachte die Einigung. Der Kaiser erlangte die Absolution, hatte aber dafür der Kirche nicht nur volle Besitzrückgabe und umfassende Amnestie zuzusichern, sondern auch wertvolle Zugeständnisse in Be- zug auf die innerkirchlichen Verhältnisse Siziliens zu machen. 2) Die Beurteilung dieses Friedenschlusses wie überhaupt der gesamten Kirchenpolitik Friedrichs unterliegt noch jetzt den stärksten Schwankungen. Man 3) hat sein unterwürfiges Entgegenkommen an 1) Die Korrespondenz des päpstlichen Unterhändlers Thomas v. Capua, Kardinalpriesters v. S. Sabina, hat darüber Aufschlüsse gegeben, vergl. Roden- berg, Neues Arch. 18, 177 ff. 2) Exemption des sizilischen Klerus von weltlicher Gerichtsbarkeit (ab- gesehen von Lehenssachen) und allgemeiner Besteuerung (unter Vorbehalt der bestehenden Verpflichtungen einzelner Kirchen und Geistlichen). Das Kon- sensrecht bei Bischofswahlen wurde von Friedrich mühsam behauptet. 3) Winkelmann, Jahrb. II, 189. Ich kann ihm nicht zustimmen, stehe dagegen der völlig entgegengesetzten Beurteilung, die gleich darauf in dem- selben Buche vorgetragen wird, sehr nahe.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/226>, abgerufen am 30.04.2024.