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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
ins Gewicht. Aber unter welchen Schwierigkeiten war der Abschluß
erreicht! El-Kamil hatte angesichts des offenen Zwiespalts der
Christenheit seine entgegenkommende Haltung geändert, nach einer
Einigung mit Damaskus gestrebt, die Verhandlungen in die Länge
gezogen und dem Kaiser manche Demütigungen bereitet. Friedrichs
militärische Lage war bei schwacher Truppenzahl gefährdet, Zwie-
tracht und Verrat herrschten im eignen Lager. Denn der Papst
betrachtete ihn nicht als Kreuzfahrer, sondern als Piraten, der
Patriarch von Jerusalem predigte offenen Widerstand und arbeitete
ihm selbst beim Sultan entgegen, die Johanniter waren unzuverlässig,
die Templer sind vielleicht nicht einmal vor dem Versuche zurück-
geschreckt, die Person des Kaisers verräterisch dem Feinde in die
Hände zu spielen. Endlich drängte die Kunde von dem Einfall
päpstlicher Truppen in das sizilische Reich zu äußerster Beschleunigung
und Beschränkung. Und trotz alledem ward viel mehr gewonnen,
als durch die riesenhaften Opfer der letzten Jahrzehnte: das König-
reich Jerusalem wenigstens zu einem Bruchteil hergestellt, die ge-
weihten Stätten alle aufs neue dem Strome der Pilger geöffnet.
Mehr noch als der Jubel der Pilger und die Anerkennung des
deutschen Freidank sprachen die Trauerkundgebungen der Moham-
medaner zugunsten des Vertrages. Aber die Realpolitik und Toleranz
Friedrichs vertrugen sich schlecht mit der Kreuzzugsbegeisterung, und
auf päpstlicher Seite verschloß man absichtlich die Augen vor dem
Erfolge.

Statt zu übermütigem Triumphe lenkte er Friedrich zu kluger
Versöhnlichkeit. Als er sich in der Grabeskirche zu Jerusalem die
Königskrone aufs Haupt setzte, bot er dem Papste die Hand zum
Frieden und sprach in einer Rede und einem kurz darauf er-
lassenen Manifest von dem Verhalten Gregors in den schonendsten
Ausdrücken. Ohne Verzug kehrte er dann über Akkon, wo der
vom Patriarchen aufgehetzte Pöbel den Kaiser und seine Begleitung
bei der Einschiffung mit Kot bewarf, nach Europa zurück und
landete unverhofft in Brindisi (10. Juni 1229).

Auf offene Feindseligkeiten des Papstes hatte Friedrich sich
schon bei seinem Aufbruch zur Kreuzfahrt gefaßt machen müssen.
Der von ihm als Statthalter in Sizilien zurückgelassene Herzog
Reinald von Spoleto hatte daher die Weisung, einen päpstlichen
Angriff durch einen Einfall in den Kirchenstaat und Rücknahme
der Rekuperationen zu beantworten1). Er überschritt seine Vollmacht
und rückte über die Grenze, als Gregor die Untertanen des Kaisers

1) Daß es sich nur um einen solchen Eventualauftrag handelte, hat zu-
erst Ficker, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 4, 351 erkannt.

§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
ins Gewicht. Aber unter welchen Schwierigkeiten war der Abschluß
erreicht! El-Kamil hatte angesichts des offenen Zwiespalts der
Christenheit seine entgegenkommende Haltung geändert, nach einer
Einigung mit Damaskus gestrebt, die Verhandlungen in die Länge
gezogen und dem Kaiser manche Demütigungen bereitet. Friedrichs
militärische Lage war bei schwacher Truppenzahl gefährdet, Zwie-
tracht und Verrat herrschten im eignen Lager. Denn der Papst
betrachtete ihn nicht als Kreuzfahrer, sondern als Piraten, der
Patriarch von Jerusalem predigte offenen Widerstand und arbeitete
ihm selbst beim Sultan entgegen, die Johanniter waren unzuverlässig,
die Templer sind vielleicht nicht einmal vor dem Versuche zurück-
geschreckt, die Person des Kaisers verräterisch dem Feinde in die
Hände zu spielen. Endlich drängte die Kunde von dem Einfall
päpstlicher Truppen in das sizilische Reich zu äußerster Beschleunigung
und Beschränkung. Und trotz alledem ward viel mehr gewonnen,
als durch die riesenhaften Opfer der letzten Jahrzehnte: das König-
reich Jerusalem wenigstens zu einem Bruchteil hergestellt, die ge-
weihten Stätten alle aufs neue dem Strome der Pilger geöffnet.
Mehr noch als der Jubel der Pilger und die Anerkennung des
deutschen Freidank sprachen die Trauerkundgebungen der Moham-
medaner zugunsten des Vertrages. Aber die Realpolitik und Toleranz
Friedrichs vertrugen sich schlecht mit der Kreuzzugsbegeisterung, und
auf päpstlicher Seite verschloß man absichtlich die Augen vor dem
Erfolge.

Statt zu übermütigem Triumphe lenkte er Friedrich zu kluger
Versöhnlichkeit. Als er sich in der Grabeskirche zu Jerusalem die
Königskrone aufs Haupt setzte, bot er dem Papste die Hand zum
Frieden und sprach in einer Rede und einem kurz darauf er-
lassenen Manifest von dem Verhalten Gregors in den schonendsten
Ausdrücken. Ohne Verzug kehrte er dann über Akkon, wo der
vom Patriarchen aufgehetzte Pöbel den Kaiser und seine Begleitung
bei der Einschiffung mit Kot bewarf, nach Europa zurück und
landete unverhofft in Brindisi (10. Juni 1229).

Auf offene Feindseligkeiten des Papstes hatte Friedrich sich
schon bei seinem Aufbruch zur Kreuzfahrt gefaßt machen müssen.
Der von ihm als Statthalter in Sizilien zurückgelassene Herzog
Reinald von Spoleto hatte daher die Weisung, einen päpstlichen
Angriff durch einen Einfall in den Kirchenstaat und Rücknahme
der Rekuperationen zu beantworten1). Er überschritt seine Vollmacht
und rückte über die Grenze, als Gregor die Untertanen des Kaisers

1) Daß es sich nur um einen solchen Eventualauftrag handelte, hat zu-
erst Ficker, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 4, 351 erkannt.
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[217/0225] § 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230). ins Gewicht. Aber unter welchen Schwierigkeiten war der Abschluß erreicht! El-Kamil hatte angesichts des offenen Zwiespalts der Christenheit seine entgegenkommende Haltung geändert, nach einer Einigung mit Damaskus gestrebt, die Verhandlungen in die Länge gezogen und dem Kaiser manche Demütigungen bereitet. Friedrichs militärische Lage war bei schwacher Truppenzahl gefährdet, Zwie- tracht und Verrat herrschten im eignen Lager. Denn der Papst betrachtete ihn nicht als Kreuzfahrer, sondern als Piraten, der Patriarch von Jerusalem predigte offenen Widerstand und arbeitete ihm selbst beim Sultan entgegen, die Johanniter waren unzuverlässig, die Templer sind vielleicht nicht einmal vor dem Versuche zurück- geschreckt, die Person des Kaisers verräterisch dem Feinde in die Hände zu spielen. Endlich drängte die Kunde von dem Einfall päpstlicher Truppen in das sizilische Reich zu äußerster Beschleunigung und Beschränkung. Und trotz alledem ward viel mehr gewonnen, als durch die riesenhaften Opfer der letzten Jahrzehnte: das König- reich Jerusalem wenigstens zu einem Bruchteil hergestellt, die ge- weihten Stätten alle aufs neue dem Strome der Pilger geöffnet. Mehr noch als der Jubel der Pilger und die Anerkennung des deutschen Freidank sprachen die Trauerkundgebungen der Moham- medaner zugunsten des Vertrages. Aber die Realpolitik und Toleranz Friedrichs vertrugen sich schlecht mit der Kreuzzugsbegeisterung, und auf päpstlicher Seite verschloß man absichtlich die Augen vor dem Erfolge. Statt zu übermütigem Triumphe lenkte er Friedrich zu kluger Versöhnlichkeit. Als er sich in der Grabeskirche zu Jerusalem die Königskrone aufs Haupt setzte, bot er dem Papste die Hand zum Frieden und sprach in einer Rede und einem kurz darauf er- lassenen Manifest von dem Verhalten Gregors in den schonendsten Ausdrücken. Ohne Verzug kehrte er dann über Akkon, wo der vom Patriarchen aufgehetzte Pöbel den Kaiser und seine Begleitung bei der Einschiffung mit Kot bewarf, nach Europa zurück und landete unverhofft in Brindisi (10. Juni 1229). Auf offene Feindseligkeiten des Papstes hatte Friedrich sich schon bei seinem Aufbruch zur Kreuzfahrt gefaßt machen müssen. Der von ihm als Statthalter in Sizilien zurückgelassene Herzog Reinald von Spoleto hatte daher die Weisung, einen päpstlichen Angriff durch einen Einfall in den Kirchenstaat und Rücknahme der Rekuperationen zu beantworten 1). Er überschritt seine Vollmacht und rückte über die Grenze, als Gregor die Untertanen des Kaisers 1) Daß es sich nur um einen solchen Eventualauftrag handelte, hat zu- erst Ficker, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 4, 351 erkannt.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/225>, abgerufen am 30.04.2024.