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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Pozzuoli. Da traf ihn der Bannstrahl des Papstes.1) Gregor war
formell unzweifelhaft im Recht; die Rücksicht auf eine höhere Ge-
walt, wenn auch nicht ausbedungen, wäre freilich menschlich ge-
wesen, aber der Papst dekretierte sie hinweg mit der haltlosen
Behauptung, Friedrichs Krankheit sei nur eine Fiktion. Eine Ver-
ständigung hätte sich unschwer erzielen lassen, denn der Kaiser
war bereit, den unfreiwilligen Vertragsbruch durch eine Kirchenbuße
zu sühnen und das Versäumte baldigst nachzuholen, aber nun be-
gründete Gregor den Bann mit neuen, auf Sizilien bezüglichen Be-
schwerden und erklärte, bei fernerer Mißregierung dies päpstliche
Lehen als erledigt einziehen zu müssen. Es wurde klar, das Papst-
tum wollte die Vernichtung des Kaisers oder seine Demütigung und
dauernde Schwächung. Da war es ein meisterhafter Schachzug
Friedrichs, daß er, um aller Welt den Ernst seiner Absicht zu be-
weisen und den Papst in der öffentlichen Meinung ins Unrecht zu
setzen, im folgenden Jahre trotz des Bannes die Fahrt nach dem
Orient antrat.

Der fünfte Kreuzzug (1228-29) unterschied sich scharf von
seinen Vorgängern durch die Führerrolle eines Gebannten, dem die
Kurie ob dieses Trotzes nur um so mehr grollte, durch die
dynastischen Pläne des Leiters, dem seine Gemahlin soeben sterbend
den Erben des Königreichs Jerusalem, seinen zweiten Sohn Konrad,
geboren hatte, und durch die von vornherein auf diplomatische
Erfolge gerichteten Absichten Friedrichs, der mit dem Sultan El-
Kamil von Ägypten wie mit so manchem mohammedanischen Ge-
lehrten freundliche Beziehungen unterhielt und ihre Hochachtung
genoß. Das hat in der Tat neben dem für die Christen wertvollen
Zwiespalt zwischen Ägypten und Damaskus dem Kaiser sein Unter-
nehmen erleichtert und schließlich den Vertrag ermöglicht (1229),
durch den die Hauptandachtstätten: Jerusalem, Bethlehem, Na-
zareth und ihre Verbindungen mit dem namentlich um die Stadt
Sidon verstärkten Rest des Königreichs Jerusalem an der Meeres-
küste an Friedrich als neuen König des Landes abgetreten wur-
den, während für die Mohammedaner auf zehn Jahre Waffen-
stillstand, unbedingte Neutralität bei Angriffen auf sie von andrer
Seite und freie Religionsübung in der Moschee von Jerusalem aus-
bedungen ward. Dieser Vertrag hatte unleugbare Schwächen.
Schwerer als die letztgenannten Zugeständnisse, die in der Chri-
stenheit kaum ganz berechtigten Anstoß erregten, fielen die
mangelhafte Verteidigungsfähigkeit dieser schmalen Gebietsstreifen
und die fortdauernde Feindschaft des Sultans von Damaskus

1) Erste Ankündigung 29. Sept., feierliche Verkündigung 18. Nov. 1227.

II. Die Zeit der Staufer.
Pozzuoli. Da traf ihn der Bannstrahl des Papstes.1) Gregor war
formell unzweifelhaft im Recht; die Rücksicht auf eine höhere Ge-
walt, wenn auch nicht ausbedungen, wäre freilich menschlich ge-
wesen, aber der Papst dekretierte sie hinweg mit der haltlosen
Behauptung, Friedrichs Krankheit sei nur eine Fiktion. Eine Ver-
ständigung hätte sich unschwer erzielen lassen, denn der Kaiser
war bereit, den unfreiwilligen Vertragsbruch durch eine Kirchenbuße
zu sühnen und das Versäumte baldigst nachzuholen, aber nun be-
gründete Gregor den Bann mit neuen, auf Sizilien bezüglichen Be-
schwerden und erklärte, bei fernerer Mißregierung dies päpstliche
Lehen als erledigt einziehen zu müssen. Es wurde klar, das Papst-
tum wollte die Vernichtung des Kaisers oder seine Demütigung und
dauernde Schwächung. Da war es ein meisterhafter Schachzug
Friedrichs, daß er, um aller Welt den Ernst seiner Absicht zu be-
weisen und den Papst in der öffentlichen Meinung ins Unrecht zu
setzen, im folgenden Jahre trotz des Bannes die Fahrt nach dem
Orient antrat.

Der fünfte Kreuzzug (1228‒29) unterschied sich scharf von
seinen Vorgängern durch die Führerrolle eines Gebannten, dem die
Kurie ob dieses Trotzes nur um so mehr grollte, durch die
dynastischen Pläne des Leiters, dem seine Gemahlin soeben sterbend
den Erben des Königreichs Jerusalem, seinen zweiten Sohn Konrad,
geboren hatte, und durch die von vornherein auf diplomatische
Erfolge gerichteten Absichten Friedrichs, der mit dem Sultan El-
Kamil von Ägypten wie mit so manchem mohammedanischen Ge-
lehrten freundliche Beziehungen unterhielt und ihre Hochachtung
genoß. Das hat in der Tat neben dem für die Christen wertvollen
Zwiespalt zwischen Ägypten und Damaskus dem Kaiser sein Unter-
nehmen erleichtert und schließlich den Vertrag ermöglicht (1229),
durch den die Hauptandachtstätten: Jerusalem, Bethlehem, Na-
zareth und ihre Verbindungen mit dem namentlich um die Stadt
Sidon verstärkten Rest des Königreichs Jerusalem an der Meeres-
küste an Friedrich als neuen König des Landes abgetreten wur-
den, während für die Mohammedaner auf zehn Jahre Waffen-
stillstand, unbedingte Neutralität bei Angriffen auf sie von andrer
Seite und freie Religionsübung in der Moschee von Jerusalem aus-
bedungen ward. Dieser Vertrag hatte unleugbare Schwächen.
Schwerer als die letztgenannten Zugeständnisse, die in der Chri-
stenheit kaum ganz berechtigten Anstoß erregten, fielen die
mangelhafte Verteidigungsfähigkeit dieser schmalen Gebietsstreifen
und die fortdauernde Feindschaft des Sultans von Damaskus

1) Erste Ankündigung 29. Sept., feierliche Verkündigung 18. Nov. 1227.
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[216/0224] II. Die Zeit der Staufer. Pozzuoli. Da traf ihn der Bannstrahl des Papstes. 1) Gregor war formell unzweifelhaft im Recht; die Rücksicht auf eine höhere Ge- walt, wenn auch nicht ausbedungen, wäre freilich menschlich ge- wesen, aber der Papst dekretierte sie hinweg mit der haltlosen Behauptung, Friedrichs Krankheit sei nur eine Fiktion. Eine Ver- ständigung hätte sich unschwer erzielen lassen, denn der Kaiser war bereit, den unfreiwilligen Vertragsbruch durch eine Kirchenbuße zu sühnen und das Versäumte baldigst nachzuholen, aber nun be- gründete Gregor den Bann mit neuen, auf Sizilien bezüglichen Be- schwerden und erklärte, bei fernerer Mißregierung dies päpstliche Lehen als erledigt einziehen zu müssen. Es wurde klar, das Papst- tum wollte die Vernichtung des Kaisers oder seine Demütigung und dauernde Schwächung. Da war es ein meisterhafter Schachzug Friedrichs, daß er, um aller Welt den Ernst seiner Absicht zu be- weisen und den Papst in der öffentlichen Meinung ins Unrecht zu setzen, im folgenden Jahre trotz des Bannes die Fahrt nach dem Orient antrat. Der fünfte Kreuzzug (1228‒29) unterschied sich scharf von seinen Vorgängern durch die Führerrolle eines Gebannten, dem die Kurie ob dieses Trotzes nur um so mehr grollte, durch die dynastischen Pläne des Leiters, dem seine Gemahlin soeben sterbend den Erben des Königreichs Jerusalem, seinen zweiten Sohn Konrad, geboren hatte, und durch die von vornherein auf diplomatische Erfolge gerichteten Absichten Friedrichs, der mit dem Sultan El- Kamil von Ägypten wie mit so manchem mohammedanischen Ge- lehrten freundliche Beziehungen unterhielt und ihre Hochachtung genoß. Das hat in der Tat neben dem für die Christen wertvollen Zwiespalt zwischen Ägypten und Damaskus dem Kaiser sein Unter- nehmen erleichtert und schließlich den Vertrag ermöglicht (1229), durch den die Hauptandachtstätten: Jerusalem, Bethlehem, Na- zareth und ihre Verbindungen mit dem namentlich um die Stadt Sidon verstärkten Rest des Königreichs Jerusalem an der Meeres- küste an Friedrich als neuen König des Landes abgetreten wur- den, während für die Mohammedaner auf zehn Jahre Waffen- stillstand, unbedingte Neutralität bei Angriffen auf sie von andrer Seite und freie Religionsübung in der Moschee von Jerusalem aus- bedungen ward. Dieser Vertrag hatte unleugbare Schwächen. Schwerer als die letztgenannten Zugeständnisse, die in der Chri- stenheit kaum ganz berechtigten Anstoß erregten, fielen die mangelhafte Verteidigungsfähigkeit dieser schmalen Gebietsstreifen und die fortdauernde Feindschaft des Sultans von Damaskus 1) Erste Ankündigung 29. Sept., feierliche Verkündigung 18. Nov. 1227.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/224>, abgerufen am 30.04.2024.