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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
und gewollten Angriff der römischen Kurie gegen Friedrich II.1).
Gregor IX. hatte mit Sorge und Unwillen beobachtet, wie das ver-
söhnliche Walten seines Vorgängers es dem Kaiser ermöglicht hatte,
seine volle Machtstellung gegen die Absichten Innozenz' III. zu
behaupten und ungemein zu befestigen, wie er von der starken
Grundlage Siziliens aus bereits nach Reichsitalien hinübergriff und
durch so manche temperamentvolle Äußerung zu erkennen gab,
daß er bei allem Streben nach Frieden mit der Kirche nicht aus
der staufischen Art geschlagen war und die alten politischen Ziele
fest im Auge behielt. Was frommten schließlich alle kirchlichen
Zugeständnisse, wenn die politische Umklammerung des Papsttums
sich erneute? Darauf spitzten sich nun die alten Gegensätze mit
aller Schärfe zu: Das Papsttum, das eine selbständige weltliche
Herrschaft als Voraussetzung für seine freie Willensentschließung
betrachtete, suchte seinen politischen Einfluß von dem erweiterten
Kirchenstaat aus auf das sizilische Lehensreich geltend zu machen
und auch gegen Oberitalien vorzuschieben. Der Kaiser, der Herr in
seinem sizilischen Hause bleiben wollte, konnte die Verbindung mit
Deutschland nur aufrecht erhalten, wenn er sich auch des Mittel-
gliedes versicherte. Italien, durch das Vordringen des Abendlandes im
Mittelmeerbecken, durch den Umschwung des Welthandels seit den
Kreuzzügen, durch das Emporblühen der wirtschaftlichen und geistigen
Kultur ganz anders als früher in den Mittelpunkt der Welt gerückt,
bildete das große Streitobjekt zwischen den beiden Häuptern der
Christenheit. Gregor war es, der zuerst die Unlösbarkeit des Knotens
erkannte und den Vernichtungskampf mit bewunderungswürdiger
Folgerichtigkeit und Entschlußkraft begann, der aber die politischen
Gründe seines Vorgehens stets sorgfältig verschleierte und, indem er
kirchliche, agitatorisch wirksame Momente vorschob, der kurialen
Politik den Stempel unwahrer Hinterhältigkeit aufdrückte. Indes
die persönliche und moralische Beurteilung hat zurückzutreten hinter
der Wucht der großen Weltgegensätze.

Der Aufbruchstermin für den Kreuzzug war von der Kurie
unklug auf den heißen August gesetzt, Friedrich mehrte die Gefahr,
indem er über die festen Normen des Vertrages von S. Germano
hinaus auch für alle Pilger Schiffe bereitzuhalten erklärte. So er-
griff in der Ebene von Brindisi eine furchtbare Seuche die Massen.
Der Kaiser selbst erkrankte schon vor der Einschiffung, nach der
Abfahrt starb sein Begleiter, der Landgraf Ludwig von Thüringen.
Friedrich selbst kehrte um und suchte Heilung in den Bädern von

1) Über die aggressive Tendenz der damaligen Kirche vergl. die Be-
merkungen Fickers, Reg. Imp. V, S. XXIII ff.

§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
und gewollten Angriff der römischen Kurie gegen Friedrich II.1).
Gregor IX. hatte mit Sorge und Unwillen beobachtet, wie das ver-
söhnliche Walten seines Vorgängers es dem Kaiser ermöglicht hatte,
seine volle Machtstellung gegen die Absichten Innozenz' III. zu
behaupten und ungemein zu befestigen, wie er von der starken
Grundlage Siziliens aus bereits nach Reichsitalien hinübergriff und
durch so manche temperamentvolle Äußerung zu erkennen gab,
daß er bei allem Streben nach Frieden mit der Kirche nicht aus
der staufischen Art geschlagen war und die alten politischen Ziele
fest im Auge behielt. Was frommten schließlich alle kirchlichen
Zugeständnisse, wenn die politische Umklammerung des Papsttums
sich erneute? Darauf spitzten sich nun die alten Gegensätze mit
aller Schärfe zu: Das Papsttum, das eine selbständige weltliche
Herrschaft als Voraussetzung für seine freie Willensentschließung
betrachtete, suchte seinen politischen Einfluß von dem erweiterten
Kirchenstaat aus auf das sizilische Lehensreich geltend zu machen
und auch gegen Oberitalien vorzuschieben. Der Kaiser, der Herr in
seinem sizilischen Hause bleiben wollte, konnte die Verbindung mit
Deutschland nur aufrecht erhalten, wenn er sich auch des Mittel-
gliedes versicherte. Italien, durch das Vordringen des Abendlandes im
Mittelmeerbecken, durch den Umschwung des Welthandels seit den
Kreuzzügen, durch das Emporblühen der wirtschaftlichen und geistigen
Kultur ganz anders als früher in den Mittelpunkt der Welt gerückt,
bildete das große Streitobjekt zwischen den beiden Häuptern der
Christenheit. Gregor war es, der zuerst die Unlösbarkeit des Knotens
erkannte und den Vernichtungskampf mit bewunderungswürdiger
Folgerichtigkeit und Entschlußkraft begann, der aber die politischen
Gründe seines Vorgehens stets sorgfältig verschleierte und, indem er
kirchliche, agitatorisch wirksame Momente vorschob, der kurialen
Politik den Stempel unwahrer Hinterhältigkeit aufdrückte. Indes
die persönliche und moralische Beurteilung hat zurückzutreten hinter
der Wucht der großen Weltgegensätze.

Der Aufbruchstermin für den Kreuzzug war von der Kurie
unklug auf den heißen August gesetzt, Friedrich mehrte die Gefahr,
indem er über die festen Normen des Vertrages von S. Germano
hinaus auch für alle Pilger Schiffe bereitzuhalten erklärte. So er-
griff in der Ebene von Brindisi eine furchtbare Seuche die Massen.
Der Kaiser selbst erkrankte schon vor der Einschiffung, nach der
Abfahrt starb sein Begleiter, der Landgraf Ludwig von Thüringen.
Friedrich selbst kehrte um und suchte Heilung in den Bädern von

1) Über die aggressive Tendenz der damaligen Kirche vergl. die Be-
merkungen Fickers, Reg. Imp. V, S. XXIII ff.
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[215/0223] § 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230). und gewollten Angriff der römischen Kurie gegen Friedrich II. 1). Gregor IX. hatte mit Sorge und Unwillen beobachtet, wie das ver- söhnliche Walten seines Vorgängers es dem Kaiser ermöglicht hatte, seine volle Machtstellung gegen die Absichten Innozenz' III. zu behaupten und ungemein zu befestigen, wie er von der starken Grundlage Siziliens aus bereits nach Reichsitalien hinübergriff und durch so manche temperamentvolle Äußerung zu erkennen gab, daß er bei allem Streben nach Frieden mit der Kirche nicht aus der staufischen Art geschlagen war und die alten politischen Ziele fest im Auge behielt. Was frommten schließlich alle kirchlichen Zugeständnisse, wenn die politische Umklammerung des Papsttums sich erneute? Darauf spitzten sich nun die alten Gegensätze mit aller Schärfe zu: Das Papsttum, das eine selbständige weltliche Herrschaft als Voraussetzung für seine freie Willensentschließung betrachtete, suchte seinen politischen Einfluß von dem erweiterten Kirchenstaat aus auf das sizilische Lehensreich geltend zu machen und auch gegen Oberitalien vorzuschieben. Der Kaiser, der Herr in seinem sizilischen Hause bleiben wollte, konnte die Verbindung mit Deutschland nur aufrecht erhalten, wenn er sich auch des Mittel- gliedes versicherte. Italien, durch das Vordringen des Abendlandes im Mittelmeerbecken, durch den Umschwung des Welthandels seit den Kreuzzügen, durch das Emporblühen der wirtschaftlichen und geistigen Kultur ganz anders als früher in den Mittelpunkt der Welt gerückt, bildete das große Streitobjekt zwischen den beiden Häuptern der Christenheit. Gregor war es, der zuerst die Unlösbarkeit des Knotens erkannte und den Vernichtungskampf mit bewunderungswürdiger Folgerichtigkeit und Entschlußkraft begann, der aber die politischen Gründe seines Vorgehens stets sorgfältig verschleierte und, indem er kirchliche, agitatorisch wirksame Momente vorschob, der kurialen Politik den Stempel unwahrer Hinterhältigkeit aufdrückte. Indes die persönliche und moralische Beurteilung hat zurückzutreten hinter der Wucht der großen Weltgegensätze. Der Aufbruchstermin für den Kreuzzug war von der Kurie unklug auf den heißen August gesetzt, Friedrich mehrte die Gefahr, indem er über die festen Normen des Vertrages von S. Germano hinaus auch für alle Pilger Schiffe bereitzuhalten erklärte. So er- griff in der Ebene von Brindisi eine furchtbare Seuche die Massen. Der Kaiser selbst erkrankte schon vor der Einschiffung, nach der Abfahrt starb sein Begleiter, der Landgraf Ludwig von Thüringen. Friedrich selbst kehrte um und suchte Heilung in den Bädern von 1) Über die aggressive Tendenz der damaligen Kirche vergl. die Be- merkungen Fickers, Reg. Imp. V, S. XXIII ff.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/223>, abgerufen am 30.04.2024.