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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
wechsel war es, der die Welt aufs neue in Unruhe stürzen sollte;
wie so oft, brachte er die Gegenpartei ans Ruder. Gregor IX.
(1227-41)1), ein naher Verwandter Innozenz' III., war noch mit
seinen annähernd sechzig Jahren eine schöne, kraftvolle Erscheinung,
schon seit einem Menschenalter gepriesen als "Spiegel der Bered-
samkeit und Zierde guter Sitten"2), hervorragend durch Ge-
dächtniskraft, juristischen Scharfsinn und gelehrte Bildung. Bereits
als Kardinalbischof Ugolino von Ostia hatte er als eine Säule der
Kirche gegolten. Kaum in einer andern Figur der Papstgeschichte
liegen die großen inneren Widersprüche der Hierarchie so unver-
mittelt und doch so selbstverständlich nebeneinander. Der Freund
und Förderer der Minoriten, der freilich die sonnigen Ideale des
h. Franz mit hartem Druck in die kältere Wirklichkeit führte, aber
eben dadurch sein tiefes Verständnis für ihren praktischen Wert
bewies, der sich auch sonst für religiöse Verinnerlichung, Entsagung,
Armut erwärmte, liebte als Papst den glänzenden Pomp und die
eindrucksvolle Pose und hat den Kampf um die Weltherrschaft mit
den weltlichsten Mitteln bis zur Verflachung und Entsittlichung geführt.
Nach innen und außen verkörperte er so fast noch in einer Steigerung
die Reformtendenzen und Herrschaftsbestrebungen der Papstkirche
unter Innozenz III. Aber wenn über dessen Maßnahmen stets
eine kühle, überlegene Vernunft gewaltet hatte, die ihm die Erfolge
sicherte, so lebte in Gregor IX. etwas von der dämonischen Leiden-
schaft und bergestürzenden Willenskraft des großen Papstes, dessen
Namen er sich erwählte. Eben diese zügellose Leidenschaftlichkeit
mag viele häßliche Auswüchse seiner Kampfesweise erklären, sie
versagte ihm auch die durchschlagenden Erfolge. Wie Gregor VII.
war er der Mann der von einer großartigen Einheitlichkeit und
Kraft der Weltanschauung getragenen, stürmischen Initiative, nicht
der mühevollen Vollendung. Zweimal hat er die furchtbare Ver-
antwortung eines Weltkampfes auf seine Schultern genommen, sein
Temperament vor allem hat dem Schicksalsstreit seinen Charakter
aufgeprägt und eine Wendung zur Versöhnung auch für die Zukunft
verbaut, aber trotz aller Wucht des Angriffes war er für Friedrich
noch nicht der gefährlichste Gegner!

Nicht die zufälligen Ereignisse des Jahres 1227 haben den
Kampf hervorgerufen, sie gaben nur den Anlaß zu dem überlegten

1) Die Register hrsg, von Auvray 1890 ff. Für die sonstigen Quellen
vergl. Reg. Imp. V, S. 1170. Neuere Biographien v. Balan (1872) u. Felten
(1886) kritisch wenig verwendbar. Beachtenswerte Bemerkungen v. W. Goetz,
Hist. Viertelj. 5, 43 ff; der Politiker Gregor dürfte aber doch etwas un-
günstiger zu beurteilen sein.
2) Vergl. Hist. Viertelj. 7, 519.

II. Die Zeit der Staufer.
wechsel war es, der die Welt aufs neue in Unruhe stürzen sollte;
wie so oft, brachte er die Gegenpartei ans Ruder. Gregor IX.
(1227‒41)1), ein naher Verwandter Innozenz' III., war noch mit
seinen annähernd sechzig Jahren eine schöne, kraftvolle Erscheinung,
schon seit einem Menschenalter gepriesen als „Spiegel der Bered-
samkeit und Zierde guter Sitten“2), hervorragend durch Ge-
dächtniskraft, juristischen Scharfsinn und gelehrte Bildung. Bereits
als Kardinalbischof Ugolino von Ostia hatte er als eine Säule der
Kirche gegolten. Kaum in einer andern Figur der Papstgeschichte
liegen die großen inneren Widersprüche der Hierarchie so unver-
mittelt und doch so selbstverständlich nebeneinander. Der Freund
und Förderer der Minoriten, der freilich die sonnigen Ideale des
h. Franz mit hartem Druck in die kältere Wirklichkeit führte, aber
eben dadurch sein tiefes Verständnis für ihren praktischen Wert
bewies, der sich auch sonst für religiöse Verinnerlichung, Entsagung,
Armut erwärmte, liebte als Papst den glänzenden Pomp und die
eindrucksvolle Pose und hat den Kampf um die Weltherrschaft mit
den weltlichsten Mitteln bis zur Verflachung und Entsittlichung geführt.
Nach innen und außen verkörperte er so fast noch in einer Steigerung
die Reformtendenzen und Herrschaftsbestrebungen der Papstkirche
unter Innozenz III. Aber wenn über dessen Maßnahmen stets
eine kühle, überlegene Vernunft gewaltet hatte, die ihm die Erfolge
sicherte, so lebte in Gregor IX. etwas von der dämonischen Leiden-
schaft und bergestürzenden Willenskraft des großen Papstes, dessen
Namen er sich erwählte. Eben diese zügellose Leidenschaftlichkeit
mag viele häßliche Auswüchse seiner Kampfesweise erklären, sie
versagte ihm auch die durchschlagenden Erfolge. Wie Gregor VII.
war er der Mann der von einer großartigen Einheitlichkeit und
Kraft der Weltanschauung getragenen, stürmischen Initiative, nicht
der mühevollen Vollendung. Zweimal hat er die furchtbare Ver-
antwortung eines Weltkampfes auf seine Schultern genommen, sein
Temperament vor allem hat dem Schicksalsstreit seinen Charakter
aufgeprägt und eine Wendung zur Versöhnung auch für die Zukunft
verbaut, aber trotz aller Wucht des Angriffes war er für Friedrich
noch nicht der gefährlichste Gegner!

Nicht die zufälligen Ereignisse des Jahres 1227 haben den
Kampf hervorgerufen, sie gaben nur den Anlaß zu dem überlegten

1) Die Register hrsg, von Auvray 1890 ff. Für die sonstigen Quellen
vergl. Reg. Imp. V, S. 1170. Neuere Biographien v. Balan (1872) u. Felten
(1886) kritisch wenig verwendbar. Beachtenswerte Bemerkungen v. W. Goetz,
Hist. Viertelj. 5, 43 ff; der Politiker Gregor dürfte aber doch etwas un-
günstiger zu beurteilen sein.
2) Vergl. Hist. Viertelj. 7, 519.
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[214/0222] II. Die Zeit der Staufer. wechsel war es, der die Welt aufs neue in Unruhe stürzen sollte; wie so oft, brachte er die Gegenpartei ans Ruder. Gregor IX. (1227‒41) 1), ein naher Verwandter Innozenz' III., war noch mit seinen annähernd sechzig Jahren eine schöne, kraftvolle Erscheinung, schon seit einem Menschenalter gepriesen als „Spiegel der Bered- samkeit und Zierde guter Sitten“ 2), hervorragend durch Ge- dächtniskraft, juristischen Scharfsinn und gelehrte Bildung. Bereits als Kardinalbischof Ugolino von Ostia hatte er als eine Säule der Kirche gegolten. Kaum in einer andern Figur der Papstgeschichte liegen die großen inneren Widersprüche der Hierarchie so unver- mittelt und doch so selbstverständlich nebeneinander. Der Freund und Förderer der Minoriten, der freilich die sonnigen Ideale des h. Franz mit hartem Druck in die kältere Wirklichkeit führte, aber eben dadurch sein tiefes Verständnis für ihren praktischen Wert bewies, der sich auch sonst für religiöse Verinnerlichung, Entsagung, Armut erwärmte, liebte als Papst den glänzenden Pomp und die eindrucksvolle Pose und hat den Kampf um die Weltherrschaft mit den weltlichsten Mitteln bis zur Verflachung und Entsittlichung geführt. Nach innen und außen verkörperte er so fast noch in einer Steigerung die Reformtendenzen und Herrschaftsbestrebungen der Papstkirche unter Innozenz III. Aber wenn über dessen Maßnahmen stets eine kühle, überlegene Vernunft gewaltet hatte, die ihm die Erfolge sicherte, so lebte in Gregor IX. etwas von der dämonischen Leiden- schaft und bergestürzenden Willenskraft des großen Papstes, dessen Namen er sich erwählte. Eben diese zügellose Leidenschaftlichkeit mag viele häßliche Auswüchse seiner Kampfesweise erklären, sie versagte ihm auch die durchschlagenden Erfolge. Wie Gregor VII. war er der Mann der von einer großartigen Einheitlichkeit und Kraft der Weltanschauung getragenen, stürmischen Initiative, nicht der mühevollen Vollendung. Zweimal hat er die furchtbare Ver- antwortung eines Weltkampfes auf seine Schultern genommen, sein Temperament vor allem hat dem Schicksalsstreit seinen Charakter aufgeprägt und eine Wendung zur Versöhnung auch für die Zukunft verbaut, aber trotz aller Wucht des Angriffes war er für Friedrich noch nicht der gefährlichste Gegner! Nicht die zufälligen Ereignisse des Jahres 1227 haben den Kampf hervorgerufen, sie gaben nur den Anlaß zu dem überlegten 1) Die Register hrsg, von Auvray 1890 ff. Für die sonstigen Quellen vergl. Reg. Imp. V, S. 1170. Neuere Biographien v. Balan (1872) u. Felten (1886) kritisch wenig verwendbar. Beachtenswerte Bemerkungen v. W. Goetz, Hist. Viertelj. 5, 43 ff; der Politiker Gregor dürfte aber doch etwas un- günstiger zu beurteilen sein. 2) Vergl. Hist. Viertelj. 7, 519.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/222>, abgerufen am 22.11.2024.