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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
Verfall einer hohen Kaution. Aber durch die noch in demselben
Jahre vollzogene Vermählung des verwitweten Kaisers mit Isabella
von Brienne, der Erbtochter des Königreichs Jerusalem, wurde sein
eigenstes Interesse eng mit dem Unternehmen verknüpft, und er
gewann immerhin zwei weitere kostbare Jahre.

Wie er sie anzuwenden gedachte, verkündete er schon in S. Ger-
mano: zwischen der unmittelbaren Herrschaft über Sizilien und der
mittelbaren über Deutschland sollte als das notwendige Bindeglied
die Herstellung der kaiserlichen Rechte in Reichsitalien eingefügt
werden, die in der Tat in den letzten Jahrzehnten in den ärgsten
Verfall geraten waren. Als er damals auf das folgende Jahr (1226)
zur Ordnung dieser Verhältnisse einen Reichstag nach Cremona aus-
schrieb, hat er schwerlich schon weitergehende Absichten gehabt,
als die Rechtsgrundlage des Konstanzer Friedens herzustellen. Aber
er täuschte sich über die Stimmung der Lombarden, die angesichts
der absolutistischen Tendenzen Friedrichs in Sizilien von lebhaftem
Mißtrauen erfüllt waren, er unterschätzte die in der Ungebundenheit
der letzten Generation neuerstarkten Widerstandskräfte und würdigte
nicht genug die stille, aber dauernde Interessengemeinschaft zwischen
Lombardei und Papsttum. Diese Irrtümer führten zu einem ersten
unliebsamen Mißerfolge seiner Politik.

Sofort erneuerten die meisten Städte der Lombardei, Romagna
und Mark Treviso den alten Lombardenbund, nahmen eine feind-
liche Stellung ein, hinderten durch Sperrung der Etschklause den
Zuzug deutscher Truppen unter König Heinrich und reizten den
Kaiser durch demütigende Zumutungen weit über die Bedingungen
des Konstanzer Friedens hinaus. Wie hätte Friedrich solch' offene
Auflehnung ruhig hinnehmen sollen? Aber von Deutschland ab-
geschnitten, in Oberitalien nur von Cremona und seinem Anhang
unterstützt, konnte er an ein kriegerisches Vorgehen nicht denken,
sondern mußte sich mit der Verkündigung der Reichsacht gegen
die Bundesmitglieder, der Aufhebung des Konstanzer Friedens
und aller Privilegien begnügen. Nur der Einmischung der Kurie
war es dann zu danken, daß, im Hinblick auf den Kreuzzug, dem
aus dem Zwiespalt ein neues Hemmnis zu erwachsen drohte, vor-
derhand ein leidlicher Friedenszustand geschaffen wurde, der zwar
die Verhältnisse vor 1226 wiederherstellte und dem Kaiser keine
Genugtuung gewährte, aber wenigstens keine grundsätzliche Ent-
scheidung traf und so die Erledigung der Streitfrage der Zukunft
vorbehielt.

Es war die letzte Tat Honorius' III. Als er kurz darauf starb
(1227), konnte er hoffen, daß der langersehnte Kreuzzug ohne
weitere Gefährdung von statten gehen würde. Aber eben der Papst-

§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
Verfall einer hohen Kaution. Aber durch die noch in demselben
Jahre vollzogene Vermählung des verwitweten Kaisers mit Isabella
von Brienne, der Erbtochter des Königreichs Jerusalem, wurde sein
eigenstes Interesse eng mit dem Unternehmen verknüpft, und er
gewann immerhin zwei weitere kostbare Jahre.

Wie er sie anzuwenden gedachte, verkündete er schon in S. Ger-
mano: zwischen der unmittelbaren Herrschaft über Sizilien und der
mittelbaren über Deutschland sollte als das notwendige Bindeglied
die Herstellung der kaiserlichen Rechte in Reichsitalien eingefügt
werden, die in der Tat in den letzten Jahrzehnten in den ärgsten
Verfall geraten waren. Als er damals auf das folgende Jahr (1226)
zur Ordnung dieser Verhältnisse einen Reichstag nach Cremona aus-
schrieb, hat er schwerlich schon weitergehende Absichten gehabt,
als die Rechtsgrundlage des Konstanzer Friedens herzustellen. Aber
er täuschte sich über die Stimmung der Lombarden, die angesichts
der absolutistischen Tendenzen Friedrichs in Sizilien von lebhaftem
Mißtrauen erfüllt waren, er unterschätzte die in der Ungebundenheit
der letzten Generation neuerstarkten Widerstandskräfte und würdigte
nicht genug die stille, aber dauernde Interessengemeinschaft zwischen
Lombardei und Papsttum. Diese Irrtümer führten zu einem ersten
unliebsamen Mißerfolge seiner Politik.

Sofort erneuerten die meisten Städte der Lombardei, Romagna
und Mark Treviso den alten Lombardenbund, nahmen eine feind-
liche Stellung ein, hinderten durch Sperrung der Etschklause den
Zuzug deutscher Truppen unter König Heinrich und reizten den
Kaiser durch demütigende Zumutungen weit über die Bedingungen
des Konstanzer Friedens hinaus. Wie hätte Friedrich solch' offene
Auflehnung ruhig hinnehmen sollen? Aber von Deutschland ab-
geschnitten, in Oberitalien nur von Cremona und seinem Anhang
unterstützt, konnte er an ein kriegerisches Vorgehen nicht denken,
sondern mußte sich mit der Verkündigung der Reichsacht gegen
die Bundesmitglieder, der Aufhebung des Konstanzer Friedens
und aller Privilegien begnügen. Nur der Einmischung der Kurie
war es dann zu danken, daß, im Hinblick auf den Kreuzzug, dem
aus dem Zwiespalt ein neues Hemmnis zu erwachsen drohte, vor-
derhand ein leidlicher Friedenszustand geschaffen wurde, der zwar
die Verhältnisse vor 1226 wiederherstellte und dem Kaiser keine
Genugtuung gewährte, aber wenigstens keine grundsätzliche Ent-
scheidung traf und so die Erledigung der Streitfrage der Zukunft
vorbehielt.

Es war die letzte Tat Honorius' III. Als er kurz darauf starb
(1227), konnte er hoffen, daß der langersehnte Kreuzzug ohne
weitere Gefährdung von statten gehen würde. Aber eben der Papst-

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[213/0221] § 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230). Verfall einer hohen Kaution. Aber durch die noch in demselben Jahre vollzogene Vermählung des verwitweten Kaisers mit Isabella von Brienne, der Erbtochter des Königreichs Jerusalem, wurde sein eigenstes Interesse eng mit dem Unternehmen verknüpft, und er gewann immerhin zwei weitere kostbare Jahre. Wie er sie anzuwenden gedachte, verkündete er schon in S. Ger- mano: zwischen der unmittelbaren Herrschaft über Sizilien und der mittelbaren über Deutschland sollte als das notwendige Bindeglied die Herstellung der kaiserlichen Rechte in Reichsitalien eingefügt werden, die in der Tat in den letzten Jahrzehnten in den ärgsten Verfall geraten waren. Als er damals auf das folgende Jahr (1226) zur Ordnung dieser Verhältnisse einen Reichstag nach Cremona aus- schrieb, hat er schwerlich schon weitergehende Absichten gehabt, als die Rechtsgrundlage des Konstanzer Friedens herzustellen. Aber er täuschte sich über die Stimmung der Lombarden, die angesichts der absolutistischen Tendenzen Friedrichs in Sizilien von lebhaftem Mißtrauen erfüllt waren, er unterschätzte die in der Ungebundenheit der letzten Generation neuerstarkten Widerstandskräfte und würdigte nicht genug die stille, aber dauernde Interessengemeinschaft zwischen Lombardei und Papsttum. Diese Irrtümer führten zu einem ersten unliebsamen Mißerfolge seiner Politik. Sofort erneuerten die meisten Städte der Lombardei, Romagna und Mark Treviso den alten Lombardenbund, nahmen eine feind- liche Stellung ein, hinderten durch Sperrung der Etschklause den Zuzug deutscher Truppen unter König Heinrich und reizten den Kaiser durch demütigende Zumutungen weit über die Bedingungen des Konstanzer Friedens hinaus. Wie hätte Friedrich solch' offene Auflehnung ruhig hinnehmen sollen? Aber von Deutschland ab- geschnitten, in Oberitalien nur von Cremona und seinem Anhang unterstützt, konnte er an ein kriegerisches Vorgehen nicht denken, sondern mußte sich mit der Verkündigung der Reichsacht gegen die Bundesmitglieder, der Aufhebung des Konstanzer Friedens und aller Privilegien begnügen. Nur der Einmischung der Kurie war es dann zu danken, daß, im Hinblick auf den Kreuzzug, dem aus dem Zwiespalt ein neues Hemmnis zu erwachsen drohte, vor- derhand ein leidlicher Friedenszustand geschaffen wurde, der zwar die Verhältnisse vor 1226 wiederherstellte und dem Kaiser keine Genugtuung gewährte, aber wenigstens keine grundsätzliche Ent- scheidung traf und so die Erledigung der Streitfrage der Zukunft vorbehielt. Es war die letzte Tat Honorius' III. Als er kurz darauf starb (1227), konnte er hoffen, daß der langersehnte Kreuzzug ohne weitere Gefährdung von statten gehen würde. Aber eben der Papst-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/221>, abgerufen am 30.04.2024.