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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.

Vielleicht noch freudiger als er würde der Reichsgubernator
Engelbert diese letzten Entwickelungen begrüßt haben, aber er sollte
sie nicht mehr erleben. Es fehlte in den Jahren (1224 u. 25),
in denen er ganz persönlich die deutsche Politik leitete, nicht an
einer gewissen Spannung zum kaiserlichen Hofe, der die letzte
Entscheidung der wichtigsten Fragen doch immer in seiner Hand
behielt nach dem Grundsatz, daß Deutschland an jedem Ort sei,
an dem der Kaiser mit einigen seiner Fürsten zusammenkomme.
Meinungsverschiedenheit entstand namentlich über die Frage der
Verheiratung des jungen Königs, für den Engelbert, seinem kölnischen
Standpunkt entsprechend, aber auch aus nationaldeutschen, anti-
französischen Erwägungen heraus eine englische Verbindung wünschte,
während Friedrich, an seinem capetingischen Bündnis festhaltend,
schließlich für Margaretha, die Tochter des Herzogs Leopold von
Österreich entschied. Eben als die Hochzeit des jungen Paares
gefeiert wurde, erscholl die grause Kunde von der durch einen
Verwandten des Erzbischofs mit anderen Helfershelfern aus Privat-
rache vollführten Ermordung Engelberts (7. Nov. 1225). Er hatte
sich dem Willen des Kaisers bereits unterworfen und hätte, damals
erst ein vierzigjähriger, seine Dienste dem Reiche weiter zur Ver-
fügung gestellt; da ward dieser glänzenden und für Deutschland
bisher nur segenvollen staatsmännischen Laufbahn durch Mörder-
hand ein jähes Ende bereitet! Man versteht den entsetzlichen
Fluch, den der alternde Walter von der Vogelweide gegen den
ruchlosen Täter schleuderte!

Der Charakter der fürstlichen Klassenherrschaft blieb auch
hinfort unverändert, aber Herzog Ludwig von Bayern, der an Engel-
berts Stelle trat, besaß weder die Gesichtsweite, noch die Begabung
des Kölners, und als der ausbrechende Kampf des Kaisers mit dem
Papsttum die Verhältnisse verwirrte, schob der achtzehnjährige junge
König alsbald den unzuverlässigen Herzog beiseite und übernahm
von da ab selbst die Verantwortung für die Leitung der deutschen
Angelegenheiten (1228).

Inzwischen war der Termin für die Kreuzfahrt Friedrichs unter
mißmutiger Zustimmung der Kurie mehrfach hinausgeschoben. Schon
hatten Reibereien in Mittelitalien, wo der Kaiser die Hinderung
seiner Verbindungen durch die päpstlichen Rekuperationen doch
schmerzlich empfand, und Eingriffe des Papstes in das Konsens-
recht der Krone bei sizilischen Bistumsbesetzungen Mißtrauen und
Ärger hüben und drüben geweckt. Noch einmal kam es zu der
Vereinbarung von S. Germano (1225). Sie legte Friedrich die
bindendsten Verpflichtungen auf: Abfahrt mit festbemessener Mann-
schaft und Flotte im August 1227 bei Strafe des Bannes und bei

II. Die Zeit der Staufer.

Vielleicht noch freudiger als er würde der Reichsgubernator
Engelbert diese letzten Entwickelungen begrüßt haben, aber er sollte
sie nicht mehr erleben. Es fehlte in den Jahren (1224 u. 25),
in denen er ganz persönlich die deutsche Politik leitete, nicht an
einer gewissen Spannung zum kaiserlichen Hofe, der die letzte
Entscheidung der wichtigsten Fragen doch immer in seiner Hand
behielt nach dem Grundsatz, daß Deutschland an jedem Ort sei,
an dem der Kaiser mit einigen seiner Fürsten zusammenkomme.
Meinungsverschiedenheit entstand namentlich über die Frage der
Verheiratung des jungen Königs, für den Engelbert, seinem kölnischen
Standpunkt entsprechend, aber auch aus nationaldeutschen, anti-
französischen Erwägungen heraus eine englische Verbindung wünschte,
während Friedrich, an seinem capetingischen Bündnis festhaltend,
schließlich für Margaretha, die Tochter des Herzogs Leopold von
Österreich entschied. Eben als die Hochzeit des jungen Paares
gefeiert wurde, erscholl die grause Kunde von der durch einen
Verwandten des Erzbischofs mit anderen Helfershelfern aus Privat-
rache vollführten Ermordung Engelberts (7. Nov. 1225). Er hatte
sich dem Willen des Kaisers bereits unterworfen und hätte, damals
erst ein vierzigjähriger, seine Dienste dem Reiche weiter zur Ver-
fügung gestellt; da ward dieser glänzenden und für Deutschland
bisher nur segenvollen staatsmännischen Laufbahn durch Mörder-
hand ein jähes Ende bereitet! Man versteht den entsetzlichen
Fluch, den der alternde Walter von der Vogelweide gegen den
ruchlosen Täter schleuderte!

Der Charakter der fürstlichen Klassenherrschaft blieb auch
hinfort unverändert, aber Herzog Ludwig von Bayern, der an Engel-
berts Stelle trat, besaß weder die Gesichtsweite, noch die Begabung
des Kölners, und als der ausbrechende Kampf des Kaisers mit dem
Papsttum die Verhältnisse verwirrte, schob der achtzehnjährige junge
König alsbald den unzuverlässigen Herzog beiseite und übernahm
von da ab selbst die Verantwortung für die Leitung der deutschen
Angelegenheiten (1228).

Inzwischen war der Termin für die Kreuzfahrt Friedrichs unter
mißmutiger Zustimmung der Kurie mehrfach hinausgeschoben. Schon
hatten Reibereien in Mittelitalien, wo der Kaiser die Hinderung
seiner Verbindungen durch die päpstlichen Rekuperationen doch
schmerzlich empfand, und Eingriffe des Papstes in das Konsens-
recht der Krone bei sizilischen Bistumsbesetzungen Mißtrauen und
Ärger hüben und drüben geweckt. Noch einmal kam es zu der
Vereinbarung von S. Germano (1225). Sie legte Friedrich die
bindendsten Verpflichtungen auf: Abfahrt mit festbemessener Mann-
schaft und Flotte im August 1227 bei Strafe des Bannes und bei

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[212/0220] II. Die Zeit der Staufer. Vielleicht noch freudiger als er würde der Reichsgubernator Engelbert diese letzten Entwickelungen begrüßt haben, aber er sollte sie nicht mehr erleben. Es fehlte in den Jahren (1224 u. 25), in denen er ganz persönlich die deutsche Politik leitete, nicht an einer gewissen Spannung zum kaiserlichen Hofe, der die letzte Entscheidung der wichtigsten Fragen doch immer in seiner Hand behielt nach dem Grundsatz, daß Deutschland an jedem Ort sei, an dem der Kaiser mit einigen seiner Fürsten zusammenkomme. Meinungsverschiedenheit entstand namentlich über die Frage der Verheiratung des jungen Königs, für den Engelbert, seinem kölnischen Standpunkt entsprechend, aber auch aus nationaldeutschen, anti- französischen Erwägungen heraus eine englische Verbindung wünschte, während Friedrich, an seinem capetingischen Bündnis festhaltend, schließlich für Margaretha, die Tochter des Herzogs Leopold von Österreich entschied. Eben als die Hochzeit des jungen Paares gefeiert wurde, erscholl die grause Kunde von der durch einen Verwandten des Erzbischofs mit anderen Helfershelfern aus Privat- rache vollführten Ermordung Engelberts (7. Nov. 1225). Er hatte sich dem Willen des Kaisers bereits unterworfen und hätte, damals erst ein vierzigjähriger, seine Dienste dem Reiche weiter zur Ver- fügung gestellt; da ward dieser glänzenden und für Deutschland bisher nur segenvollen staatsmännischen Laufbahn durch Mörder- hand ein jähes Ende bereitet! Man versteht den entsetzlichen Fluch, den der alternde Walter von der Vogelweide gegen den ruchlosen Täter schleuderte! Der Charakter der fürstlichen Klassenherrschaft blieb auch hinfort unverändert, aber Herzog Ludwig von Bayern, der an Engel- berts Stelle trat, besaß weder die Gesichtsweite, noch die Begabung des Kölners, und als der ausbrechende Kampf des Kaisers mit dem Papsttum die Verhältnisse verwirrte, schob der achtzehnjährige junge König alsbald den unzuverlässigen Herzog beiseite und übernahm von da ab selbst die Verantwortung für die Leitung der deutschen Angelegenheiten (1228). Inzwischen war der Termin für die Kreuzfahrt Friedrichs unter mißmutiger Zustimmung der Kurie mehrfach hinausgeschoben. Schon hatten Reibereien in Mittelitalien, wo der Kaiser die Hinderung seiner Verbindungen durch die päpstlichen Rekuperationen doch schmerzlich empfand, und Eingriffe des Papstes in das Konsens- recht der Krone bei sizilischen Bistumsbesetzungen Mißtrauen und Ärger hüben und drüben geweckt. Noch einmal kam es zu der Vereinbarung von S. Germano (1225). Sie legte Friedrich die bindendsten Verpflichtungen auf: Abfahrt mit festbemessener Mann- schaft und Flotte im August 1227 bei Strafe des Bannes und bei

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/220>, abgerufen am 30.04.2024.