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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
(1223), und so wenig anständig der Fang war, so bestand bei den
maßgebenden deutschen Persönlichkeiten doch kein Zweifel, daß er
ähnlich wie einst die Haft Richards Löwenherz zum Vorteil des
Reiches auszubeuten, und womöglich die Herausgabe der deutschen
Ostseegebiete zu erzwingen sei. Engelbert ging in dieser Richtung
weiter als der Kaiser, der bei grundsätzlichem Einverständnis doch
durch Rücksicht auf seine universale Politik und den sich ein-
mischenden Papst zu Milderungen des abgeschlossenen Vertrages
bereit war. Besser als die hohe Diplomatie wußte schließlich das
scharfe Schwert der nächstbeteiligten deutschen Großen den Vorteil
des Reiches und ihren eigenen wahrzunehmen. Nach der gewaltsamen
Befreiung Nordalbingiens von der dänischen Herrschaft verstand sich
Waldemar endlich dazu, den Vertrag zu beschwören, der seine Frei-
lassung nicht nur an ein hohes Lösegeld, sondern auch an die
Abtretung der Gebiete von der Eider bis Pommern knüpfte (Ende
1225). Jedoch sobald er aus der Haft entlassen war, erklärte er
den Vertrag für erzwungen und ließ sich durch den Papst von
seinem Eide lösen. Er gab seinen deutschen Gegnern nur er-
wünschte Gelegenheit, die Errungenschaften des durch Gewalttat
erpreßten Vertrages auf der Ebene von Bornhövde (s. v. Kiel) um
so ehrenvoller mit den Waffen zu behaupten (Juli 1227). Die
dänische Niederlage bezeichnet den Rückgang der stark überspannten
Großmachtpolitik Waldemars auf der ganzen Linie, zugleich ein
erneutes Vordringen des deutschen Einflusses. Das Reich war an
diesem großen nationalen Erfolge nicht unmittelbar beteiligt. Immer-
hin hat der Kaiser, von der Rücksicht auf die Kurie damals einiger-
maßen befreit, die letzten Ereignisse aus der Ferne mit förderndem
Interesse begleitet, wie etwa die Erneuerung der Reichsfreiheit
Lübecks (1226) bekundete, und die Gestaltung der Dinge durch-
aus anerkannt. Bedeutsam fielen mit diesem Aufschwunge des
Deutschtums in den Ostseegebieten die Anfänge des Deutschordens
im Preußenlande zusammen, der berufen war, in den nächsten Jahr-
zehnten die Brücke zu den deutschen Brüdern in Kurland und
Livland zu schlagen. Friedrich fügte damals (1226) dem Orden
zu dem vom Herzog Konrad von Masovien versprochenen Kulmer-
land alle künftigen Eroberungen im preußischen Gebiet hinzu und
erhob den Großmeister zum Reichsfürsten. Wenn nicht andre
Gesichtspunkte, so waren zum mindesten seine engen Beziehungen
zu dem Orden und seinem hervorragenden Großmeister Hermann
von Salza1) Anlaß für den Kaiser, diesen Dingen dauernd seine
Aufmerksamkeit zu schenken.

1) Vergl. die Biographie von A. Koch 1885.
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§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).
(1223), und so wenig anständig der Fang war, so bestand bei den
maßgebenden deutschen Persönlichkeiten doch kein Zweifel, daß er
ähnlich wie einst die Haft Richards Löwenherz zum Vorteil des
Reiches auszubeuten, und womöglich die Herausgabe der deutschen
Ostseegebiete zu erzwingen sei. Engelbert ging in dieser Richtung
weiter als der Kaiser, der bei grundsätzlichem Einverständnis doch
durch Rücksicht auf seine universale Politik und den sich ein-
mischenden Papst zu Milderungen des abgeschlossenen Vertrages
bereit war. Besser als die hohe Diplomatie wußte schließlich das
scharfe Schwert der nächstbeteiligten deutschen Großen den Vorteil
des Reiches und ihren eigenen wahrzunehmen. Nach der gewaltsamen
Befreiung Nordalbingiens von der dänischen Herrschaft verstand sich
Waldemar endlich dazu, den Vertrag zu beschwören, der seine Frei-
lassung nicht nur an ein hohes Lösegeld, sondern auch an die
Abtretung der Gebiete von der Eider bis Pommern knüpfte (Ende
1225). Jedoch sobald er aus der Haft entlassen war, erklärte er
den Vertrag für erzwungen und ließ sich durch den Papst von
seinem Eide lösen. Er gab seinen deutschen Gegnern nur er-
wünschte Gelegenheit, die Errungenschaften des durch Gewalttat
erpreßten Vertrages auf der Ebene von Bornhövde (s. v. Kiel) um
so ehrenvoller mit den Waffen zu behaupten (Juli 1227). Die
dänische Niederlage bezeichnet den Rückgang der stark überspannten
Großmachtpolitik Waldemars auf der ganzen Linie, zugleich ein
erneutes Vordringen des deutschen Einflusses. Das Reich war an
diesem großen nationalen Erfolge nicht unmittelbar beteiligt. Immer-
hin hat der Kaiser, von der Rücksicht auf die Kurie damals einiger-
maßen befreit, die letzten Ereignisse aus der Ferne mit förderndem
Interesse begleitet, wie etwa die Erneuerung der Reichsfreiheit
Lübecks (1226) bekundete, und die Gestaltung der Dinge durch-
aus anerkannt. Bedeutsam fielen mit diesem Aufschwunge des
Deutschtums in den Ostseegebieten die Anfänge des Deutschordens
im Preußenlande zusammen, der berufen war, in den nächsten Jahr-
zehnten die Brücke zu den deutschen Brüdern in Kurland und
Livland zu schlagen. Friedrich fügte damals (1226) dem Orden
zu dem vom Herzog Konrad von Masovien versprochenen Kulmer-
land alle künftigen Eroberungen im preußischen Gebiet hinzu und
erhob den Großmeister zum Reichsfürsten. Wenn nicht andre
Gesichtspunkte, so waren zum mindesten seine engen Beziehungen
zu dem Orden und seinem hervorragenden Großmeister Hermann
von Salza1) Anlaß für den Kaiser, diesen Dingen dauernd seine
Aufmerksamkeit zu schenken.

1) Vergl. die Biographie von A. Koch 1885.
14*
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[211/0219] § 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230). (1223), und so wenig anständig der Fang war, so bestand bei den maßgebenden deutschen Persönlichkeiten doch kein Zweifel, daß er ähnlich wie einst die Haft Richards Löwenherz zum Vorteil des Reiches auszubeuten, und womöglich die Herausgabe der deutschen Ostseegebiete zu erzwingen sei. Engelbert ging in dieser Richtung weiter als der Kaiser, der bei grundsätzlichem Einverständnis doch durch Rücksicht auf seine universale Politik und den sich ein- mischenden Papst zu Milderungen des abgeschlossenen Vertrages bereit war. Besser als die hohe Diplomatie wußte schließlich das scharfe Schwert der nächstbeteiligten deutschen Großen den Vorteil des Reiches und ihren eigenen wahrzunehmen. Nach der gewaltsamen Befreiung Nordalbingiens von der dänischen Herrschaft verstand sich Waldemar endlich dazu, den Vertrag zu beschwören, der seine Frei- lassung nicht nur an ein hohes Lösegeld, sondern auch an die Abtretung der Gebiete von der Eider bis Pommern knüpfte (Ende 1225). Jedoch sobald er aus der Haft entlassen war, erklärte er den Vertrag für erzwungen und ließ sich durch den Papst von seinem Eide lösen. Er gab seinen deutschen Gegnern nur er- wünschte Gelegenheit, die Errungenschaften des durch Gewalttat erpreßten Vertrages auf der Ebene von Bornhövde (s. v. Kiel) um so ehrenvoller mit den Waffen zu behaupten (Juli 1227). Die dänische Niederlage bezeichnet den Rückgang der stark überspannten Großmachtpolitik Waldemars auf der ganzen Linie, zugleich ein erneutes Vordringen des deutschen Einflusses. Das Reich war an diesem großen nationalen Erfolge nicht unmittelbar beteiligt. Immer- hin hat der Kaiser, von der Rücksicht auf die Kurie damals einiger- maßen befreit, die letzten Ereignisse aus der Ferne mit förderndem Interesse begleitet, wie etwa die Erneuerung der Reichsfreiheit Lübecks (1226) bekundete, und die Gestaltung der Dinge durch- aus anerkannt. Bedeutsam fielen mit diesem Aufschwunge des Deutschtums in den Ostseegebieten die Anfänge des Deutschordens im Preußenlande zusammen, der berufen war, in den nächsten Jahr- zehnten die Brücke zu den deutschen Brüdern in Kurland und Livland zu schlagen. Friedrich fügte damals (1226) dem Orden zu dem vom Herzog Konrad von Masovien versprochenen Kulmer- land alle künftigen Eroberungen im preußischen Gebiet hinzu und erhob den Großmeister zum Reichsfürsten. Wenn nicht andre Gesichtspunkte, so waren zum mindesten seine engen Beziehungen zu dem Orden und seinem hervorragenden Großmeister Hermann von Salza 1) Anlaß für den Kaiser, diesen Dingen dauernd seine Aufmerksamkeit zu schenken. 1) Vergl. die Biographie von A. Koch 1885. 14*

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/219>, abgerufen am 30.04.2024.