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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Aufhebung aller neu errichteten Verkehrsabgaben und Märkte (seit 1198) und
der Regungen städtischer Selbständigkeit. Dazu nun erneute Wehrhaftmachung
des Staates: Sicherung zwar der leistungsfähigen Lehen vor Zersplitterung,
aber auch Ausnutzung der ersten Gelegenheit zu umfassender Einziehung für
die Krone, Niederlegung aller seit 1189 gebauten Burgen der Barone und Er-
richtung königlicher Festungen, Vertreibung der italienischen Seestädte aus
ihrer bevorrechteten Stellung und Neubau einer sizilischen Flotte. Endlich Be-
stimmungen zur Friedenssicherung, strafrechtliche und polizeiliche Verfügungen.

Die nächsten Jahre (bis 1225) galt es diese Maßregeln zur
vollen Durchführung zu bringen gegen den Widerstand einzelner
Barone und gegen die Ungebundenheit der im Innern und Süden
Siziliens noch staatlos hausenden Mohammedaner, von denen eine
große Zahl auf das Festland nach der in der Capitanata angelegten
sarazenischen Militärkolonie Lucera verpflanzt wurde. Die Her-
stellung der sizilischen Monarchie war eine umso bedeutendere
Leistung, als sie ohne auswärtige Gewaltmittel mit den zum Teil doch
gerade erst zu bekämpfenden Kräften des Landes selbst erfolgte. Das
Ergebnis rechtfertigte das allgemeine Programm von Friedrichs Politik;
es wäre nicht erreichbar gewesen, wenn er sich nicht inzwischen die
Ruhe Deutschlands durch ein Gewährenlassen der Fürsten erkauft hätte.

Die Regierung des dort als Vertreter des Kaisers zurückge-
lassenen, unmündigen Heinrich (VII.) war fürstliche Klassenherrschaft,
nur nach einer Seite hin gemildert durch den Einfluß der im könig-
lichen Rate stark vertretenen Reichsdienstmannen. Wenn diesem
Regimente trotzdem ein größerer nationaler Zug nicht ganz fehlte,
so lag das ausschließlich an der Persönlichkeit des Mannes, den
Friedrich mit glücklichem Griffe zum Reichsgubernator und Vor-
mund seines Sohnes bestellt hatte. Erzbischof Engelbert von Köln1),
eine bedeutende, noch jugendlich-kräftige Erscheinung, in seinem
Territorium die Sonderinteressen der Herren rücksichtslos zugunsten
der allgemeinen Wohlfahrt brechend, zeichnete sich vor allen seinen
Standesgenossen aus durch die Gabe, über die landesherrliche Enge
den Blick zum Ganzen Deutschlands zu erheben. Ebendamals
bot ein Zufall im Norden die Möglichkeit eines großen nationalen
Gewinns. Seit dem unseligen Thronstreit lastete hier auf dem
Reiche die unnatürlich vorgeschobene Machtstellung Dänemarks, das
im Besitze der deutschen Kolonisationsgebiete von der Eider bis
nach Rügen, auch in Samland und Esthland sich festsetzte, gegen
Livland vordrang und im Begriffe stand, das baltische Meer in
einen dänischen Binnensee zu verwandeln. Da geriet mitten im
Frieden König Waldemar II. durch List und Verrat in die Gewalt
des von ihm ungnädig behandelten Grafen Heinrich von Schwerin

1) Vergl. die zeitgenössische Biographie des Caesarius v. Heisterbach
(Böhmer, Fontes II) u. die neuere v. Ficker 1853.

II. Die Zeit der Staufer.
Aufhebung aller neu errichteten Verkehrsabgaben und Märkte (seit 1198) und
der Regungen städtischer Selbständigkeit. Dazu nun erneute Wehrhaftmachung
des Staates: Sicherung zwar der leistungsfähigen Lehen vor Zersplitterung,
aber auch Ausnutzung der ersten Gelegenheit zu umfassender Einziehung für
die Krone, Niederlegung aller seit 1189 gebauten Burgen der Barone und Er-
richtung königlicher Festungen, Vertreibung der italienischen Seestädte aus
ihrer bevorrechteten Stellung und Neubau einer sizilischen Flotte. Endlich Be-
stimmungen zur Friedenssicherung, strafrechtliche und polizeiliche Verfügungen.

Die nächsten Jahre (bis 1225) galt es diese Maßregeln zur
vollen Durchführung zu bringen gegen den Widerstand einzelner
Barone und gegen die Ungebundenheit der im Innern und Süden
Siziliens noch staatlos hausenden Mohammedaner, von denen eine
große Zahl auf das Festland nach der in der Capitanata angelegten
sarazenischen Militärkolonie Lucera verpflanzt wurde. Die Her-
stellung der sizilischen Monarchie war eine umso bedeutendere
Leistung, als sie ohne auswärtige Gewaltmittel mit den zum Teil doch
gerade erst zu bekämpfenden Kräften des Landes selbst erfolgte. Das
Ergebnis rechtfertigte das allgemeine Programm von Friedrichs Politik;
es wäre nicht erreichbar gewesen, wenn er sich nicht inzwischen die
Ruhe Deutschlands durch ein Gewährenlassen der Fürsten erkauft hätte.

Die Regierung des dort als Vertreter des Kaisers zurückge-
lassenen, unmündigen Heinrich (VII.) war fürstliche Klassenherrschaft,
nur nach einer Seite hin gemildert durch den Einfluß der im könig-
lichen Rate stark vertretenen Reichsdienstmannen. Wenn diesem
Regimente trotzdem ein größerer nationaler Zug nicht ganz fehlte,
so lag das ausschließlich an der Persönlichkeit des Mannes, den
Friedrich mit glücklichem Griffe zum Reichsgubernator und Vor-
mund seines Sohnes bestellt hatte. Erzbischof Engelbert von Köln1),
eine bedeutende, noch jugendlich-kräftige Erscheinung, in seinem
Territorium die Sonderinteressen der Herren rücksichtslos zugunsten
der allgemeinen Wohlfahrt brechend, zeichnete sich vor allen seinen
Standesgenossen aus durch die Gabe, über die landesherrliche Enge
den Blick zum Ganzen Deutschlands zu erheben. Ebendamals
bot ein Zufall im Norden die Möglichkeit eines großen nationalen
Gewinns. Seit dem unseligen Thronstreit lastete hier auf dem
Reiche die unnatürlich vorgeschobene Machtstellung Dänemarks, das
im Besitze der deutschen Kolonisationsgebiete von der Eider bis
nach Rügen, auch in Samland und Esthland sich festsetzte, gegen
Livland vordrang und im Begriffe stand, das baltische Meer in
einen dänischen Binnensee zu verwandeln. Da geriet mitten im
Frieden König Waldemar II. durch List und Verrat in die Gewalt
des von ihm ungnädig behandelten Grafen Heinrich von Schwerin

1) Vergl. die zeitgenössische Biographie des Caesarius v. Heisterbach
(Böhmer, Fontes II) u. die neuere v. Ficker 1853.
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[210/0218] II. Die Zeit der Staufer. Aufhebung aller neu errichteten Verkehrsabgaben und Märkte (seit 1198) und der Regungen städtischer Selbständigkeit. Dazu nun erneute Wehrhaftmachung des Staates: Sicherung zwar der leistungsfähigen Lehen vor Zersplitterung, aber auch Ausnutzung der ersten Gelegenheit zu umfassender Einziehung für die Krone, Niederlegung aller seit 1189 gebauten Burgen der Barone und Er- richtung königlicher Festungen, Vertreibung der italienischen Seestädte aus ihrer bevorrechteten Stellung und Neubau einer sizilischen Flotte. Endlich Be- stimmungen zur Friedenssicherung, strafrechtliche und polizeiliche Verfügungen. Die nächsten Jahre (bis 1225) galt es diese Maßregeln zur vollen Durchführung zu bringen gegen den Widerstand einzelner Barone und gegen die Ungebundenheit der im Innern und Süden Siziliens noch staatlos hausenden Mohammedaner, von denen eine große Zahl auf das Festland nach der in der Capitanata angelegten sarazenischen Militärkolonie Lucera verpflanzt wurde. Die Her- stellung der sizilischen Monarchie war eine umso bedeutendere Leistung, als sie ohne auswärtige Gewaltmittel mit den zum Teil doch gerade erst zu bekämpfenden Kräften des Landes selbst erfolgte. Das Ergebnis rechtfertigte das allgemeine Programm von Friedrichs Politik; es wäre nicht erreichbar gewesen, wenn er sich nicht inzwischen die Ruhe Deutschlands durch ein Gewährenlassen der Fürsten erkauft hätte. Die Regierung des dort als Vertreter des Kaisers zurückge- lassenen, unmündigen Heinrich (VII.) war fürstliche Klassenherrschaft, nur nach einer Seite hin gemildert durch den Einfluß der im könig- lichen Rate stark vertretenen Reichsdienstmannen. Wenn diesem Regimente trotzdem ein größerer nationaler Zug nicht ganz fehlte, so lag das ausschließlich an der Persönlichkeit des Mannes, den Friedrich mit glücklichem Griffe zum Reichsgubernator und Vor- mund seines Sohnes bestellt hatte. Erzbischof Engelbert von Köln 1), eine bedeutende, noch jugendlich-kräftige Erscheinung, in seinem Territorium die Sonderinteressen der Herren rücksichtslos zugunsten der allgemeinen Wohlfahrt brechend, zeichnete sich vor allen seinen Standesgenossen aus durch die Gabe, über die landesherrliche Enge den Blick zum Ganzen Deutschlands zu erheben. Ebendamals bot ein Zufall im Norden die Möglichkeit eines großen nationalen Gewinns. Seit dem unseligen Thronstreit lastete hier auf dem Reiche die unnatürlich vorgeschobene Machtstellung Dänemarks, das im Besitze der deutschen Kolonisationsgebiete von der Eider bis nach Rügen, auch in Samland und Esthland sich festsetzte, gegen Livland vordrang und im Begriffe stand, das baltische Meer in einen dänischen Binnensee zu verwandeln. Da geriet mitten im Frieden König Waldemar II. durch List und Verrat in die Gewalt des von ihm ungnädig behandelten Grafen Heinrich von Schwerin 1) Vergl. die zeitgenössische Biographie des Caesarius v. Heisterbach (Böhmer, Fontes II) u. die neuere v. Ficker 1853.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/218>, abgerufen am 30.04.2024.