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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Kaisers und die Erinnerung an ihr bisheriges Verhältnis wohl einen
moralischen Druck üben. Indes der Herzog, seit 1161 den italie-
nischen Reichsunternehmungen fern und ganz im Bannkreise seiner
ebenso gesunden, wie rücksichtslosen territorialen Machtpolitik, zeigte
sich solchen Affekten unzugänglich und verlangte in seiner nüchternen,
derbzugreifenden Art als Preis für seine Hilfe die Reichsstadt Goslar,
während dem vornehmen, feinfühlig-stolzen Kaiser gerade eine der-
artige Zahlung mit der Würde des Reiches unvereinbar schien.
Ihre Verhandlung entbehrte vielleicht der leidenschaftlich-dramatischen
Töne und gewiß der billigen Vorausdeutungen, mit denen die ge-
schäftige Volksphantasie sie bald darauf ausstattete. Aber noch
heute, wer vermöchte sich ganz dem Reize einer Ausmalung jener
Szene zu entziehen, in der die hervorragendsten Männer des da-
maligen Reiches, verschieden in Stellung und Richtung, Vertreter
gewissermaßen der beiden großen Tendenzen, welche die deutsche
Geschichte von den Anfängen bis auf Bismarck bewegt haben, und
die noch heute fortwirken, sich gegenübertraten und ohne Einigung
verstimmt voneinander schieden. Man hat die Bedeutung des
Moments für die weitere Entwicklung der deutschen Ereignisse über-
schätzt. Es war noch nicht der Bruch, nicht einmal die geheime
Absicht dazu, aber doch der erste Keim jenes Mißverhältnisses,
das dann weiter wuchs und die Fortsetzung jenes Gleichgewicht-
systems in Deutschland im Interesse des Reiches untunlich machte.

Und auch für den Ausgang der lombardischen Kämpfe und
damit des großen kirchenpolitischen Ringens ist dies Hineinwirken
des deutschen Partikularismus möglicherweise von entscheidender
Bedeutung geworden. Denn die Streitkräfte, die nun heimlich auf
dem wenig begangenen Lukmanierpasse herbeikamen, waren nicht
erheblich genug, um dem Kaiser das Übergewicht in der Lombardei
zu verschaffen, und als er sie persönlich in kühnem Zuge zur Ver-
einigung mit seinen Truppen nach Pavia führen wollte, brach sich
bei Legnano (nw. v. Mailand) die Kraft der deutschen Ritterschaft
an den Schilden und Lanzen des um den Fahnenwagen gescharten
Mailänder Fußvolks. Nur unter bedeutenden Verlusten konnte
Friedrich sein Ziel erreichen. Die erste Niederlage im offenen
Felde verriet dem Kaiser aufs neue die Widerstandskraft seiner
oberitalischen Gegner, und noch einmal bot er die Hand zum
Frieden. Die Bedingungen eines zweiten Cremoneser Spruches,
mit dem Friedrich sich einverstanden erklärte, gingen in ihren Zu-
geständnissen an die Lombarden1) sehr erheblich hinaus über die-

1) So in der Beseitigung der kaiserlichen Gerichtshoheit, der Beschrän-
kung des Fodrums auf den Krönungszug, der Anerkennung Alessandrias als
Bundesstadt.

II. Die Zeit der Staufer.
Kaisers und die Erinnerung an ihr bisheriges Verhältnis wohl einen
moralischen Druck üben. Indes der Herzog, seit 1161 den italie-
nischen Reichsunternehmungen fern und ganz im Bannkreise seiner
ebenso gesunden, wie rücksichtslosen territorialen Machtpolitik, zeigte
sich solchen Affekten unzugänglich und verlangte in seiner nüchternen,
derbzugreifenden Art als Preis für seine Hilfe die Reichsstadt Goslar,
während dem vornehmen, feinfühlig-stolzen Kaiser gerade eine der-
artige Zahlung mit der Würde des Reiches unvereinbar schien.
Ihre Verhandlung entbehrte vielleicht der leidenschaftlich-dramatischen
Töne und gewiß der billigen Vorausdeutungen, mit denen die ge-
schäftige Volksphantasie sie bald darauf ausstattete. Aber noch
heute, wer vermöchte sich ganz dem Reize einer Ausmalung jener
Szene zu entziehen, in der die hervorragendsten Männer des da-
maligen Reiches, verschieden in Stellung und Richtung, Vertreter
gewissermaßen der beiden großen Tendenzen, welche die deutsche
Geschichte von den Anfängen bis auf Bismarck bewegt haben, und
die noch heute fortwirken, sich gegenübertraten und ohne Einigung
verstimmt voneinander schieden. Man hat die Bedeutung des
Moments für die weitere Entwicklung der deutschen Ereignisse über-
schätzt. Es war noch nicht der Bruch, nicht einmal die geheime
Absicht dazu, aber doch der erste Keim jenes Mißverhältnisses,
das dann weiter wuchs und die Fortsetzung jenes Gleichgewicht-
systems in Deutschland im Interesse des Reiches untunlich machte.

Und auch für den Ausgang der lombardischen Kämpfe und
damit des großen kirchenpolitischen Ringens ist dies Hineinwirken
des deutschen Partikularismus möglicherweise von entscheidender
Bedeutung geworden. Denn die Streitkräfte, die nun heimlich auf
dem wenig begangenen Lukmanierpasse herbeikamen, waren nicht
erheblich genug, um dem Kaiser das Übergewicht in der Lombardei
zu verschaffen, und als er sie persönlich in kühnem Zuge zur Ver-
einigung mit seinen Truppen nach Pavia führen wollte, brach sich
bei Legnano (nw. v. Mailand) die Kraft der deutschen Ritterschaft
an den Schilden und Lanzen des um den Fahnenwagen gescharten
Mailänder Fußvolks. Nur unter bedeutenden Verlusten konnte
Friedrich sein Ziel erreichen. Die erste Niederlage im offenen
Felde verriet dem Kaiser aufs neue die Widerstandskraft seiner
oberitalischen Gegner, und noch einmal bot er die Hand zum
Frieden. Die Bedingungen eines zweiten Cremoneser Spruches,
mit dem Friedrich sich einverstanden erklärte, gingen in ihren Zu-
geständnissen an die Lombarden1) sehr erheblich hinaus über die-

1) So in der Beseitigung der kaiserlichen Gerichtshoheit, der Beschrän-
kung des Fodrums auf den Krönungszug, der Anerkennung Alessandrias als
Bundesstadt.
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[152/0160] II. Die Zeit der Staufer. Kaisers und die Erinnerung an ihr bisheriges Verhältnis wohl einen moralischen Druck üben. Indes der Herzog, seit 1161 den italie- nischen Reichsunternehmungen fern und ganz im Bannkreise seiner ebenso gesunden, wie rücksichtslosen territorialen Machtpolitik, zeigte sich solchen Affekten unzugänglich und verlangte in seiner nüchternen, derbzugreifenden Art als Preis für seine Hilfe die Reichsstadt Goslar, während dem vornehmen, feinfühlig-stolzen Kaiser gerade eine der- artige Zahlung mit der Würde des Reiches unvereinbar schien. Ihre Verhandlung entbehrte vielleicht der leidenschaftlich-dramatischen Töne und gewiß der billigen Vorausdeutungen, mit denen die ge- schäftige Volksphantasie sie bald darauf ausstattete. Aber noch heute, wer vermöchte sich ganz dem Reize einer Ausmalung jener Szene zu entziehen, in der die hervorragendsten Männer des da- maligen Reiches, verschieden in Stellung und Richtung, Vertreter gewissermaßen der beiden großen Tendenzen, welche die deutsche Geschichte von den Anfängen bis auf Bismarck bewegt haben, und die noch heute fortwirken, sich gegenübertraten und ohne Einigung verstimmt voneinander schieden. Man hat die Bedeutung des Moments für die weitere Entwicklung der deutschen Ereignisse über- schätzt. Es war noch nicht der Bruch, nicht einmal die geheime Absicht dazu, aber doch der erste Keim jenes Mißverhältnisses, das dann weiter wuchs und die Fortsetzung jenes Gleichgewicht- systems in Deutschland im Interesse des Reiches untunlich machte. Und auch für den Ausgang der lombardischen Kämpfe und damit des großen kirchenpolitischen Ringens ist dies Hineinwirken des deutschen Partikularismus möglicherweise von entscheidender Bedeutung geworden. Denn die Streitkräfte, die nun heimlich auf dem wenig begangenen Lukmanierpasse herbeikamen, waren nicht erheblich genug, um dem Kaiser das Übergewicht in der Lombardei zu verschaffen, und als er sie persönlich in kühnem Zuge zur Ver- einigung mit seinen Truppen nach Pavia führen wollte, brach sich bei Legnano (nw. v. Mailand) die Kraft der deutschen Ritterschaft an den Schilden und Lanzen des um den Fahnenwagen gescharten Mailänder Fußvolks. Nur unter bedeutenden Verlusten konnte Friedrich sein Ziel erreichen. Die erste Niederlage im offenen Felde verriet dem Kaiser aufs neue die Widerstandskraft seiner oberitalischen Gegner, und noch einmal bot er die Hand zum Frieden. Die Bedingungen eines zweiten Cremoneser Spruches, mit dem Friedrich sich einverstanden erklärte, gingen in ihren Zu- geständnissen an die Lombarden 1) sehr erheblich hinaus über die- 1) So in der Beseitigung der kaiserlichen Gerichtshoheit, der Beschrän- kung des Fodrums auf den Krönungszug, der Anerkennung Alessandrias als Bundesstadt.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/160>, abgerufen am 25.11.2024.