Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168-1177). begreiflich ist, aber doch auch nicht beschönigt werden darf.1) Vonwelcher Seite die Feindseligkeiten aufs neue eröffnet wurden, ist strittig, aber unwesentlich. Politisch gestaltete sich dadurch die Lage für Friedrich nicht ungünstig, daß das beleidigte Cremona sich zurückhielt und bald zu ihm hinzuneigen begann; aber militärisch geriet er durch seine geringe Truppenzahl in bedenkliche Gefahr. Ein Glück noch, daß ihm der Abfall von Como wichtige Alpen- pässe zur Heranziehung deutscher Hilfskräfte öffnete. In dieser Lage hat sich der Kaiser an Heinrich den Löwen älteren Forschungen von Vignati, Ficker und Giesebrecht hinausgekommen. Er sieht den Bruch schon in der Hereinziehung päpstlicher Unterhändler. Möglich bleibt immer, daß Friedrich, als er das zugestand, sich im übrigen die Unversehrtheit der Vertragsbedingungen vorbehielt, und dann bliebe es bei Fickers Ansicht, der den Bruch erst nach der Verkündigung des Cremo- neser Spruches eintreten läßt. 1) Wie das wohl von italienischer Seite versucht ist, vergl. Tononi, Arch. stor. lombardo 4. 2) Die völlige Negation vertreten mit unzureichenden Gründen: Ozl- berger, Linzer Gymn.-progr. 1859 60, Jastrow-Winter I, 583, Lucas, Berliner Diss. 1904; etwas zu skeptisch auch noch D. Schäfer, Hist. Ztschr. 76. Das Richtige haben Ranke u Giesebrecht. Hält man sich zunächst an die An- nalen v. Paderborn, Gislebert v. Mons und Otto v. S. Blasien und zieht für die Ortsbestimmung auch die sonst unzuverlässige Chronik von Ursperg heran, so erhält man eine im ganzen zusammenstimmende Überlieferung, die auch dadurch noch nicht hinfällig wird, daß sie teilweise durch eine gemeinsame historische Volksdichtung beeinflußt zu sein scheint. Die Angabe von "Partenkirchen" in der Chronik von Lauterberg muß dem gegenüber auf Verwechselung beruhen, und die weiteren Berichte zeigen zunehmende Ver- wirrung und legendarische Trübung. Auch der Fußfall Friedrichs ist nicht als historisch bezeugt anzusehen, wenn derartige Äußerungen der Erregung dem mittelalterlichen Menschen auch näher lagen als uns. 3) Weiland, Forsch z. deutsch. Gesch. 7 ging in der positiven Be-
hauptung dieser Pflicht zu weit und wollte mit Unrecht auf ihre Verweigerung die spätere Verurteilung rechtlich zurückführen. § 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168‒1177). begreiflich ist, aber doch auch nicht beschönigt werden darf.1) Vonwelcher Seite die Feindseligkeiten aufs neue eröffnet wurden, ist strittig, aber unwesentlich. Politisch gestaltete sich dadurch die Lage für Friedrich nicht ungünstig, daß das beleidigte Cremona sich zurückhielt und bald zu ihm hinzuneigen begann; aber militärisch geriet er durch seine geringe Truppenzahl in bedenkliche Gefahr. Ein Glück noch, daß ihm der Abfall von Como wichtige Alpen- pässe zur Heranziehung deutscher Hilfskräfte öffnete. In dieser Lage hat sich der Kaiser an Heinrich den Löwen älteren Forschungen von Vignati, Ficker und Giesebrecht hinausgekommen. Er sieht den Bruch schon in der Hereinziehung päpstlicher Unterhändler. Möglich bleibt immer, daß Friedrich, als er das zugestand, sich im übrigen die Unversehrtheit der Vertragsbedingungen vorbehielt, und dann bliebe es bei Fickers Ansicht, der den Bruch erst nach der Verkündigung des Cremo- neser Spruches eintreten läßt. 1) Wie das wohl von italienischer Seite versucht ist, vergl. Tononi, Arch. stor. lombardo 4. 2) Die völlige Negation vertreten mit unzureichenden Gründen: Ozl- berger, Linzer Gymn.-progr. 1859 60, Jastrow-Winter I, 583, Lucas, Berliner Diss. 1904; etwas zu skeptisch auch noch D. Schäfer, Hist. Ztschr. 76. Das Richtige haben Ranke u Giesebrecht. Hält man sich zunächst an die An- nalen v. Paderborn, Gislebert v. Mons und Otto v. S. Blasien und zieht für die Ortsbestimmung auch die sonst unzuverlässige Chronik von Ursperg heran, so erhält man eine im ganzen zusammenstimmende Überlieferung, die auch dadurch noch nicht hinfällig wird, daß sie teilweise durch eine gemeinsame historische Volksdichtung beeinflußt zu sein scheint. Die Angabe von „Partenkirchen“ in der Chronik von Lauterberg muß dem gegenüber auf Verwechselung beruhen, und die weiteren Berichte zeigen zunehmende Ver- wirrung und legendarische Trübung. Auch der Fußfall Friedrichs ist nicht als historisch bezeugt anzusehen, wenn derartige Äußerungen der Erregung dem mittelalterlichen Menschen auch näher lagen als uns. 3) Weiland, Forsch z. deutsch. Gesch. 7 ging in der positiven Be-
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§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168‒1177).
begreiflich ist, aber doch auch nicht beschönigt werden darf. 1) Von
welcher Seite die Feindseligkeiten aufs neue eröffnet wurden, ist
strittig, aber unwesentlich. Politisch gestaltete sich dadurch die
Lage für Friedrich nicht ungünstig, daß das beleidigte Cremona sich
zurückhielt und bald zu ihm hinzuneigen begann; aber militärisch
geriet er durch seine geringe Truppenzahl in bedenkliche Gefahr.
Ein Glück noch, daß ihm der Abfall von Como wichtige Alpen-
pässe zur Heranziehung deutscher Hilfskräfte öffnete.
In dieser Lage hat sich der Kaiser an Heinrich den Löwen
gewandt. Nördlich vom Comersee, bei Chiavenna hat in den ersten
Monaten des Jahres 1176 höchstwahrscheinlich jene denkwürdige
Zusammenkunft stattgefunden, die eine überkritische Forschung
neuerdings aus den Annalen der Geschichte hat streichen wollen,
weil sich in der dürftigen unmittelbar gleichzeitigen Chronistik kein
Beleg dafür findet. Indessen reichen die etwas späteren Berichte
aus, um mit dem Grade relativer Sicherheit, mit dem wir uns bei
der mittelalterlichen Quellenforschung nur zu oft begnügen müssen,
Tatsache, Örtlichkeit und das Wesentlichste des Verlaufes festzu-
stellen. 2) Wie weit die Reichsheerfahrt von 1176 als eine be-
schworene anzusehen, und Heinrich daher zur Hilfeleistung ver-
pflichtet war, steht dahin 3); jedenfalls verboten die politischen
Machtverhältnisse allen Zwang. Doch konnten die Notlage des
1)
1) Wie das wohl von italienischer Seite versucht ist, vergl. Tononi, Arch.
stor. lombardo 4.
2) Die völlige Negation vertreten mit unzureichenden Gründen: Ozl-
berger, Linzer Gymn.-progr. 1859 60, Jastrow-Winter I, 583, Lucas, Berliner
Diss. 1904; etwas zu skeptisch auch noch D. Schäfer, Hist. Ztschr. 76. Das
Richtige haben Ranke u Giesebrecht. Hält man sich zunächst an die An-
nalen v. Paderborn, Gislebert v. Mons und Otto v. S. Blasien und zieht für
die Ortsbestimmung auch die sonst unzuverlässige Chronik von Ursperg heran,
so erhält man eine im ganzen zusammenstimmende Überlieferung, die auch
dadurch noch nicht hinfällig wird, daß sie teilweise durch eine gemeinsame
historische Volksdichtung beeinflußt zu sein scheint. Die Angabe von
„Partenkirchen“ in der Chronik von Lauterberg muß dem gegenüber auf
Verwechselung beruhen, und die weiteren Berichte zeigen zunehmende Ver-
wirrung und legendarische Trübung. Auch der Fußfall Friedrichs ist nicht
als historisch bezeugt anzusehen, wenn derartige Äußerungen der Erregung
dem mittelalterlichen Menschen auch näher lagen als uns.
3) Weiland, Forsch z. deutsch. Gesch. 7 ging in der positiven Be-
hauptung dieser Pflicht zu weit und wollte mit Unrecht auf ihre Verweigerung
die spätere Verurteilung rechtlich zurückführen.
1) älteren Forschungen von Vignati, Ficker und Giesebrecht hinausgekommen.
Er sieht den Bruch schon in der Hereinziehung päpstlicher Unterhändler.
Möglich bleibt immer, daß Friedrich, als er das zugestand, sich im übrigen
die Unversehrtheit der Vertragsbedingungen vorbehielt, und dann bliebe es
bei Fickers Ansicht, der den Bruch erst nach der Verkündigung des Cremo-
neser Spruches eintreten läßt.
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