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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
in die Bahn südlicher Eroberungspolitik zurücklenkte. Er scheiterte
wie Leo IX. und Honorius II. Geschlagen und gefangen, mußte
er im Vertrage von Migniano (1139) alle vom Gegenpapst be-
willigten Forderungen Rogers erfüllen, wobei er dessen Königtum,
um nur nicht eine Schöpfung Anaklets gutheißen zu müssen, schon
auf seinen päpstlichen Vorgänger zurückführte. Die völlige Miß-
achtung der süditalischen Reichsansprüche hätte den Papst wohl
schon damals in Gegensatz zum deutschen König bringen können,
aber noch war das Einverständnis mit Roger nur ein erzwungenes.
Indem dieser Herrscher nun seinen Staat zu dem feingestalteten
und festgeschlossenen Gefüge umschuf, das jedem Drucke seiner
Hand gehorchte, das eine Sonderstellung der Geistlichkeit neben
dem straff abhängigen Beamtentum nicht duldete, indem er auch
jetzt noch die nördlichen Grenzen nicht ängstlich achtete, blieb er
für das Papsttum ohne das Gegengewicht des Kaisertums eine
stete Bedrohung.

Und überdies machten alsbald die römischen Zustände ein
Eingreifen Konrads höchst wünschenswert. Noch in den letzten
Tagen Innozenz' II. (+ 1143) ergriff die Bewegung auf bürgerliche
Selbstbestimmung, die sich aus den lombardischen Städten auch
nach Mittelitalien verpflanzte, Rom und vermengte sich hier mit
den herrschenden Adelsgegensätzen und den nie ganz geschwundenen
aber jetzt mit frischer Kraft auftauchenden Erinnerungen an die
alte Größe. Ein Senat als Organ des Volkswillens, mit einem
Pierleoni an der Spitze, verlangte vom Papst den Verzicht auf die
weltliche Herrschaft über Rom, genau wie die lombardischen Städter
von ihren Bischöfen. In den Wirren, die daraus entstanden, ward
gar einer der folgenden Päpste durch einen Steinwurf getötet.
Eugen III. (seit 1145), der unter dem Papstgewand die Zister-
zienserkutte trug, ein ergebener Schüler Bernhards, dessen Einfluß
dadurch noch höher stieg, sah sich nach vergeblichem Ausgleichs-
versuche gezwungen, die Stadt nordwärts zu verlassen (März 1146).
Er erhoffte damals einen Romzug Konrads; aber gewaltige Ereig-
nisse traten dazwischen.

Nichts wäre verkehrter, als angesichts der lokalen Widerwärtig-
keiten von einer allgemeinen Schwäche des Papsttums zu reden.
Nie war sein Einfluss nördlich der Alpen beherrschender, tiefer in
alle Verhältnisse eingreifend! Eben damals sind auch seine Macht-
ansprüche theoretisch zusammengefaßt; was einst bei Pseudoisidor
als Forderung aufgetreten war, erhielt jetzt im Dekret Gratians,
dem Grundstock des großen kanonischen Rechtsbuches, seine gültige
Formulierung. Und solche Ansprüche wurden getragen von der
mächtigen kirchlichen Strömung, die trotz vereinzelter Gegenwirkungen

II. Die Zeit der Staufer.
in die Bahn südlicher Eroberungspolitik zurücklenkte. Er scheiterte
wie Leo IX. und Honorius II. Geschlagen und gefangen, mußte
er im Vertrage von Migniano (1139) alle vom Gegenpapst be-
willigten Forderungen Rogers erfüllen, wobei er dessen Königtum,
um nur nicht eine Schöpfung Anaklets gutheißen zu müssen, schon
auf seinen päpstlichen Vorgänger zurückführte. Die völlige Miß-
achtung der süditalischen Reichsansprüche hätte den Papst wohl
schon damals in Gegensatz zum deutschen König bringen können,
aber noch war das Einverständnis mit Roger nur ein erzwungenes.
Indem dieser Herrscher nun seinen Staat zu dem feingestalteten
und festgeschlossenen Gefüge umschuf, das jedem Drucke seiner
Hand gehorchte, das eine Sonderstellung der Geistlichkeit neben
dem straff abhängigen Beamtentum nicht duldete, indem er auch
jetzt noch die nördlichen Grenzen nicht ängstlich achtete, blieb er
für das Papsttum ohne das Gegengewicht des Kaisertums eine
stete Bedrohung.

Und überdies machten alsbald die römischen Zustände ein
Eingreifen Konrads höchst wünschenswert. Noch in den letzten
Tagen Innozenz' II. († 1143) ergriff die Bewegung auf bürgerliche
Selbstbestimmung, die sich aus den lombardischen Städten auch
nach Mittelitalien verpflanzte, Rom und vermengte sich hier mit
den herrschenden Adelsgegensätzen und den nie ganz geschwundenen
aber jetzt mit frischer Kraft auftauchenden Erinnerungen an die
alte Größe. Ein Senat als Organ des Volkswillens, mit einem
Pierleoni an der Spitze, verlangte vom Papst den Verzicht auf die
weltliche Herrschaft über Rom, genau wie die lombardischen Städter
von ihren Bischöfen. In den Wirren, die daraus entstanden, ward
gar einer der folgenden Päpste durch einen Steinwurf getötet.
Eugen III. (seit 1145), der unter dem Papstgewand die Zister-
zienserkutte trug, ein ergebener Schüler Bernhards, dessen Einfluß
dadurch noch höher stieg, sah sich nach vergeblichem Ausgleichs-
versuche gezwungen, die Stadt nordwärts zu verlassen (März 1146).
Er erhoffte damals einen Romzug Konrads; aber gewaltige Ereig-
nisse traten dazwischen.

Nichts wäre verkehrter, als angesichts der lokalen Widerwärtig-
keiten von einer allgemeinen Schwäche des Papsttums zu reden.
Nie war sein Einfluss nördlich der Alpen beherrschender, tiefer in
alle Verhältnisse eingreifend! Eben damals sind auch seine Macht-
ansprüche theoretisch zusammengefaßt; was einst bei Pseudoisidor
als Forderung aufgetreten war, erhielt jetzt im Dekret Gratians,
dem Grundstock des großen kanonischen Rechtsbuches, seine gültige
Formulierung. Und solche Ansprüche wurden getragen von der
mächtigen kirchlichen Strömung, die trotz vereinzelter Gegenwirkungen

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[106/0114] II. Die Zeit der Staufer. in die Bahn südlicher Eroberungspolitik zurücklenkte. Er scheiterte wie Leo IX. und Honorius II. Geschlagen und gefangen, mußte er im Vertrage von Migniano (1139) alle vom Gegenpapst be- willigten Forderungen Rogers erfüllen, wobei er dessen Königtum, um nur nicht eine Schöpfung Anaklets gutheißen zu müssen, schon auf seinen päpstlichen Vorgänger zurückführte. Die völlige Miß- achtung der süditalischen Reichsansprüche hätte den Papst wohl schon damals in Gegensatz zum deutschen König bringen können, aber noch war das Einverständnis mit Roger nur ein erzwungenes. Indem dieser Herrscher nun seinen Staat zu dem feingestalteten und festgeschlossenen Gefüge umschuf, das jedem Drucke seiner Hand gehorchte, das eine Sonderstellung der Geistlichkeit neben dem straff abhängigen Beamtentum nicht duldete, indem er auch jetzt noch die nördlichen Grenzen nicht ängstlich achtete, blieb er für das Papsttum ohne das Gegengewicht des Kaisertums eine stete Bedrohung. Und überdies machten alsbald die römischen Zustände ein Eingreifen Konrads höchst wünschenswert. Noch in den letzten Tagen Innozenz' II. († 1143) ergriff die Bewegung auf bürgerliche Selbstbestimmung, die sich aus den lombardischen Städten auch nach Mittelitalien verpflanzte, Rom und vermengte sich hier mit den herrschenden Adelsgegensätzen und den nie ganz geschwundenen aber jetzt mit frischer Kraft auftauchenden Erinnerungen an die alte Größe. Ein Senat als Organ des Volkswillens, mit einem Pierleoni an der Spitze, verlangte vom Papst den Verzicht auf die weltliche Herrschaft über Rom, genau wie die lombardischen Städter von ihren Bischöfen. In den Wirren, die daraus entstanden, ward gar einer der folgenden Päpste durch einen Steinwurf getötet. Eugen III. (seit 1145), der unter dem Papstgewand die Zister- zienserkutte trug, ein ergebener Schüler Bernhards, dessen Einfluß dadurch noch höher stieg, sah sich nach vergeblichem Ausgleichs- versuche gezwungen, die Stadt nordwärts zu verlassen (März 1146). Er erhoffte damals einen Romzug Konrads; aber gewaltige Ereig- nisse traten dazwischen. Nichts wäre verkehrter, als angesichts der lokalen Widerwärtig- keiten von einer allgemeinen Schwäche des Papsttums zu reden. Nie war sein Einfluss nördlich der Alpen beherrschender, tiefer in alle Verhältnisse eingreifend! Eben damals sind auch seine Macht- ansprüche theoretisch zusammengefaßt; was einst bei Pseudoisidor als Forderung aufgetreten war, erhielt jetzt im Dekret Gratians, dem Grundstock des großen kanonischen Rechtsbuches, seine gültige Formulierung. Und solche Ansprüche wurden getragen von der mächtigen kirchlichen Strömung, die trotz vereinzelter Gegenwirkungen

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/114>, abgerufen am 22.11.2024.