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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 9. Konrad III. (1138-1152).
seinen zehnjährigen Sohn Heinrich den Löwen unbedingt zu be-
haupten vermochte, während allerdings Bayern, wo sein Bruder
Welf (VI.) den Kampf leitete, hart umstritten blieb1). Auch als
nach Leopolds von Österreich Tode sein Bruder Heinrich sich durch
die Vermählung mit Heinrichs des Stolzen Witwe Gertrud (1142)
Bayern sicherte, war die Versöhnung nicht von Dauer. Denn da
Gertrud schon im nächsten Jahre starb, erneuerte Heinrich der
Löwe seine bayrischen Ansprüche, die Welf überhaupt nicht hatte
fallen lassen. So nahmen die Kämpfe bald ihren Fortgang.

Und bei dieser Lähmung der Königsgewalt tobten allenthalben
die Fehden im Reiche, ein furchtbarer Zustand der Rechtsunsicher-
heit trat ein. Bald zeigten sich die Wirkungen nach außen: in
Ost und Nord ging das von Lothar behauptete Ansehn verloren,
während im Westen das französische Königtum seit der Vermählung
Ludwigs VII. mit der aquitanischen Erbin Eleonore (1137) seinen
Kronbesitz bis zu den Pyrenäen ausdehnte. In Italien gelang es
Konrad zwar, nach Heinrichs des Stolzen Tod von den Vasallen
der mathildischen Güter, die in der unmittelbaren Unterordnung
unter den König ihren Vorteil erblickten, die Anerkennung seines
Erbrechts zu erlangen, so daß aus der Besitzfolge dreier deutscher
Herrscher allmählich ein Rechtsanspruch des Reiches als solchen
auf diese Gebiete erwachsen mußte. Aber Ansprüche waren im
Mittelalter noch mehr als in anderen Zeiten fruchtbringend doch
nur bei persönlicher Wahrnahme. Durch Konrads Abwesenheit
zerfiel das Gut mehr und mehr und diente benachbarten Lokal-
gewalten zur Bereicherung. Und das nicht allein! Diese herrscher-
losen anderthalb Jahrzehnte seit Lothars Tode, die zusammenfielen
mit dem mächtigen Emporblühen der ober- und mittelitalischen
Städte, wurden für die Reichsrechte überhaupt verhängnisvoll; eins
nach dem andern ward angeeignet oder geriet in Vergessenheit.
Man entwöhnte sich jedes Zwanges und dehnte sich in der Frei-
heit, der nur die Mitbewerbung des Nachbarn Schranken setzte.
Vom Süden her aber lastete die Machtstellung Rogers, der durch
den Tod seines Gegners Rainulf vollends Oberwasser bekam, auf
Reichsitalien und Rom.

Es war doch eine arge Selbsttäuschung Innozenz' II., daß er
im Vollgefühl der wiedererrungenen kirchlichen Einheit noch einmal

1) Konrads Sieg über Welf vor Weinsberg und die daran anschließende
Einnahme der Burg (1140) haften im Gedächtnis durch die Erzählung von
den "getreuen Weibern." Entgegen früheren Anzweiflungen (vgl. namentlich
Bernheim, Hist. Taschenbuch 6. Folge Bd. 3 und öfter) möchte man nach
den Ausführungen von Weller, Würt. Vierteljahrsh. N. F. Bd. 12 (1903) zum
mindesten an einen historischen Kern glauben.

§ 9. Konrad III. (1138‒1152).
seinen zehnjährigen Sohn Heinrich den Löwen unbedingt zu be-
haupten vermochte, während allerdings Bayern, wo sein Bruder
Welf (VI.) den Kampf leitete, hart umstritten blieb1). Auch als
nach Leopolds von Österreich Tode sein Bruder Heinrich sich durch
die Vermählung mit Heinrichs des Stolzen Witwe Gertrud (1142)
Bayern sicherte, war die Versöhnung nicht von Dauer. Denn da
Gertrud schon im nächsten Jahre starb, erneuerte Heinrich der
Löwe seine bayrischen Ansprüche, die Welf überhaupt nicht hatte
fallen lassen. So nahmen die Kämpfe bald ihren Fortgang.

Und bei dieser Lähmung der Königsgewalt tobten allenthalben
die Fehden im Reiche, ein furchtbarer Zustand der Rechtsunsicher-
heit trat ein. Bald zeigten sich die Wirkungen nach außen: in
Ost und Nord ging das von Lothar behauptete Ansehn verloren,
während im Westen das französische Königtum seit der Vermählung
Ludwigs VII. mit der aquitanischen Erbin Eleonore (1137) seinen
Kronbesitz bis zu den Pyrenäen ausdehnte. In Italien gelang es
Konrad zwar, nach Heinrichs des Stolzen Tod von den Vasallen
der mathildischen Güter, die in der unmittelbaren Unterordnung
unter den König ihren Vorteil erblickten, die Anerkennung seines
Erbrechts zu erlangen, so daß aus der Besitzfolge dreier deutscher
Herrscher allmählich ein Rechtsanspruch des Reiches als solchen
auf diese Gebiete erwachsen mußte. Aber Ansprüche waren im
Mittelalter noch mehr als in anderen Zeiten fruchtbringend doch
nur bei persönlicher Wahrnahme. Durch Konrads Abwesenheit
zerfiel das Gut mehr und mehr und diente benachbarten Lokal-
gewalten zur Bereicherung. Und das nicht allein! Diese herrscher-
losen anderthalb Jahrzehnte seit Lothars Tode, die zusammenfielen
mit dem mächtigen Emporblühen der ober- und mittelitalischen
Städte, wurden für die Reichsrechte überhaupt verhängnisvoll; eins
nach dem andern ward angeeignet oder geriet in Vergessenheit.
Man entwöhnte sich jedes Zwanges und dehnte sich in der Frei-
heit, der nur die Mitbewerbung des Nachbarn Schranken setzte.
Vom Süden her aber lastete die Machtstellung Rogers, der durch
den Tod seines Gegners Rainulf vollends Oberwasser bekam, auf
Reichsitalien und Rom.

Es war doch eine arge Selbsttäuschung Innozenz' II., daß er
im Vollgefühl der wiedererrungenen kirchlichen Einheit noch einmal

1) Konrads Sieg über Welf vor Weinsberg und die daran anschließende
Einnahme der Burg (1140) haften im Gedächtnis durch die Erzählung von
den „getreuen Weibern.“ Entgegen früheren Anzweiflungen (vgl. namentlich
Bernheim, Hist. Taschenbuch 6. Folge Bd. 3 und öfter) möchte man nach
den Ausführungen von Weller, Würt. Vierteljahrsh. N. F. Bd. 12 (1903) zum
mindesten an einen historischen Kern glauben.
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[105/0113] § 9. Konrad III. (1138‒1152). seinen zehnjährigen Sohn Heinrich den Löwen unbedingt zu be- haupten vermochte, während allerdings Bayern, wo sein Bruder Welf (VI.) den Kampf leitete, hart umstritten blieb 1). Auch als nach Leopolds von Österreich Tode sein Bruder Heinrich sich durch die Vermählung mit Heinrichs des Stolzen Witwe Gertrud (1142) Bayern sicherte, war die Versöhnung nicht von Dauer. Denn da Gertrud schon im nächsten Jahre starb, erneuerte Heinrich der Löwe seine bayrischen Ansprüche, die Welf überhaupt nicht hatte fallen lassen. So nahmen die Kämpfe bald ihren Fortgang. Und bei dieser Lähmung der Königsgewalt tobten allenthalben die Fehden im Reiche, ein furchtbarer Zustand der Rechtsunsicher- heit trat ein. Bald zeigten sich die Wirkungen nach außen: in Ost und Nord ging das von Lothar behauptete Ansehn verloren, während im Westen das französische Königtum seit der Vermählung Ludwigs VII. mit der aquitanischen Erbin Eleonore (1137) seinen Kronbesitz bis zu den Pyrenäen ausdehnte. In Italien gelang es Konrad zwar, nach Heinrichs des Stolzen Tod von den Vasallen der mathildischen Güter, die in der unmittelbaren Unterordnung unter den König ihren Vorteil erblickten, die Anerkennung seines Erbrechts zu erlangen, so daß aus der Besitzfolge dreier deutscher Herrscher allmählich ein Rechtsanspruch des Reiches als solchen auf diese Gebiete erwachsen mußte. Aber Ansprüche waren im Mittelalter noch mehr als in anderen Zeiten fruchtbringend doch nur bei persönlicher Wahrnahme. Durch Konrads Abwesenheit zerfiel das Gut mehr und mehr und diente benachbarten Lokal- gewalten zur Bereicherung. Und das nicht allein! Diese herrscher- losen anderthalb Jahrzehnte seit Lothars Tode, die zusammenfielen mit dem mächtigen Emporblühen der ober- und mittelitalischen Städte, wurden für die Reichsrechte überhaupt verhängnisvoll; eins nach dem andern ward angeeignet oder geriet in Vergessenheit. Man entwöhnte sich jedes Zwanges und dehnte sich in der Frei- heit, der nur die Mitbewerbung des Nachbarn Schranken setzte. Vom Süden her aber lastete die Machtstellung Rogers, der durch den Tod seines Gegners Rainulf vollends Oberwasser bekam, auf Reichsitalien und Rom. Es war doch eine arge Selbsttäuschung Innozenz' II., daß er im Vollgefühl der wiedererrungenen kirchlichen Einheit noch einmal 1) Konrads Sieg über Welf vor Weinsberg und die daran anschließende Einnahme der Burg (1140) haften im Gedächtnis durch die Erzählung von den „getreuen Weibern.“ Entgegen früheren Anzweiflungen (vgl. namentlich Bernheim, Hist. Taschenbuch 6. Folge Bd. 3 und öfter) möchte man nach den Ausführungen von Weller, Würt. Vierteljahrsh. N. F. Bd. 12 (1903) zum mindesten an einen historischen Kern glauben.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/113>, abgerufen am 22.11.2024.