Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.§ 9. Konrad III. (1138-1152). noch ungebrochen1) die Geister beherrschte. Selbst die Kreise, diemit Bitterkeit bemerkten, wie das Anwachsen der Kirche dem deutschen Kaisertum alles Mark aussauge, betrachteten diese Ent- wicklung doch als ein von der Vorsehung gewolltes Verhängnis. Ein Stiefbruder Konrads, der Bischof Otto von Freising, hat solchen Auffassungen in seiner Chronik den bezeichnendsten Ausdruck ge- geben. Jener Traumkoloß Nebukadnezars, den Daniel deutet als die Folge der vier großen Weltreiche, ruht auf Füßen von Eisen und Ton. Sie sind die letzte, die römisch-deutsche Monarchie. Ein Stein aber, der herabgerissen wird -- nicht von Menschen- hand --, zertrümmert sie und wächst dann zu einem großen Berg, der die ganze Welt erfüllt. Das ist die Papstkirche! Durch der Kaiser Freigebigkeit zur Macht gehoben, hat sie mit Gregor VII. den Wettkampf begonnen, mit dem Wormser Konkordate den Sieg errungen. Seitdem dehnt sie sich über die ganze Erde. Wird sie endlich das ersehnte Gottesreich verwirklichen? Ist die Zeit erfüllt, und bedarf es etwa nur noch einer letzten, begeisterten Kraftan- strengung, um ihr die Völker der Ungläubigen zuzuführen? Otto von Freising sprach nur aus, was aller Herzen bewegte. Nur aus diesem Zustande hochgradiger religiöser Spannung heraus begreift man die fabelhaften Erfolge der nun einsetzenden neuen Kreuz- zugsbewegung. Die Kunde von der Einnahme Edessas durch den Reichsverweser von Mossul Emadeddin Zenki (1144) gab doch nur den Anstoß, im Hintergrunde stand die Erhöhung des Kreuzes über den gesamten Erdkreis, und wie sollte nicht Gott selbst die Seinen zu solchem Ziele leiten? Die Bewegung wuchs lawinenartig. Als Eugen III. nach 1) Die gegenteilige Ansicht von Hauck kann ich nicht für richtig halten,
vgl. Hist. Ztschr. 93, S. 408. § 9. Konrad III. (1138‒1152). noch ungebrochen1) die Geister beherrschte. Selbst die Kreise, diemit Bitterkeit bemerkten, wie das Anwachsen der Kirche dem deutschen Kaisertum alles Mark aussauge, betrachteten diese Ent- wicklung doch als ein von der Vorsehung gewolltes Verhängnis. Ein Stiefbruder Konrads, der Bischof Otto von Freising, hat solchen Auffassungen in seiner Chronik den bezeichnendsten Ausdruck ge- geben. Jener Traumkoloß Nebukadnezars, den Daniel deutet als die Folge der vier großen Weltreiche, ruht auf Füßen von Eisen und Ton. Sie sind die letzte, die römisch-deutsche Monarchie. Ein Stein aber, der herabgerissen wird — nicht von Menschen- hand —, zertrümmert sie und wächst dann zu einem großen Berg, der die ganze Welt erfüllt. Das ist die Papstkirche! Durch der Kaiser Freigebigkeit zur Macht gehoben, hat sie mit Gregor VII. den Wettkampf begonnen, mit dem Wormser Konkordate den Sieg errungen. Seitdem dehnt sie sich über die ganze Erde. Wird sie endlich das ersehnte Gottesreich verwirklichen? Ist die Zeit erfüllt, und bedarf es etwa nur noch einer letzten, begeisterten Kraftan- strengung, um ihr die Völker der Ungläubigen zuzuführen? Otto von Freising sprach nur aus, was aller Herzen bewegte. Nur aus diesem Zustande hochgradiger religiöser Spannung heraus begreift man die fabelhaften Erfolge der nun einsetzenden neuen Kreuz- zugsbewegung. Die Kunde von der Einnahme Edessas durch den Reichsverweser von Mossul Emadeddin Zenki (1144) gab doch nur den Anstoß, im Hintergrunde stand die Erhöhung des Kreuzes über den gesamten Erdkreis, und wie sollte nicht Gott selbst die Seinen zu solchem Ziele leiten? Die Bewegung wuchs lawinenartig. Als Eugen III. nach 1) Die gegenteilige Ansicht von Hauck kann ich nicht für richtig halten,
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§ 9. Konrad III. (1138‒1152).
noch ungebrochen 1) die Geister beherrschte. Selbst die Kreise, die
mit Bitterkeit bemerkten, wie das Anwachsen der Kirche dem
deutschen Kaisertum alles Mark aussauge, betrachteten diese Ent-
wicklung doch als ein von der Vorsehung gewolltes Verhängnis.
Ein Stiefbruder Konrads, der Bischof Otto von Freising, hat solchen
Auffassungen in seiner Chronik den bezeichnendsten Ausdruck ge-
geben. Jener Traumkoloß Nebukadnezars, den Daniel deutet als
die Folge der vier großen Weltreiche, ruht auf Füßen von Eisen
und Ton. Sie sind die letzte, die römisch-deutsche Monarchie.
Ein Stein aber, der herabgerissen wird — nicht von Menschen-
hand —, zertrümmert sie und wächst dann zu einem großen Berg,
der die ganze Welt erfüllt. Das ist die Papstkirche! Durch der
Kaiser Freigebigkeit zur Macht gehoben, hat sie mit Gregor VII.
den Wettkampf begonnen, mit dem Wormser Konkordate den Sieg
errungen. Seitdem dehnt sie sich über die ganze Erde. Wird sie
endlich das ersehnte Gottesreich verwirklichen? Ist die Zeit erfüllt,
und bedarf es etwa nur noch einer letzten, begeisterten Kraftan-
strengung, um ihr die Völker der Ungläubigen zuzuführen? Otto
von Freising sprach nur aus, was aller Herzen bewegte. Nur aus
diesem Zustande hochgradiger religiöser Spannung heraus begreift
man die fabelhaften Erfolge der nun einsetzenden neuen Kreuz-
zugsbewegung. Die Kunde von der Einnahme Edessas durch den
Reichsverweser von Mossul Emadeddin Zenki (1144) gab doch nur
den Anstoß, im Hintergrunde stand die Erhöhung des Kreuzes
über den gesamten Erdkreis, und wie sollte nicht Gott selbst die
Seinen zu solchem Ziele leiten?
Die Bewegung wuchs lawinenartig. Als Eugen III. nach
dem Vorbilde Urbans an die Nation des ersten Kreuzzuges,
die Franzosen, seinen Hilferuf ergehen ließ, ahnte er wohl noch
nicht, welche Wirkungen er erzielen sollte. Da war es bedeutsam,
daß der junge Ludwig VII. selbst in Gewissensnot über grausamen
Kirchenfrevel sich zur Fahrt bereit erklärte und Nacheiferung weckte;
noch viel folgenschwerer indes, daß Bernhard von Clairvaux in
päpstlichem Auftrage die Agitation übernahm und durch seine
zündende Beredsamkeit, durch die Heilwirkungen, die der Menge
seine göttliche Sendung bestätigten, Triumphe feierte, die ihn über
sich selbst hinaushoben und die Zuhörer willenlos fortrissen. Auf
dem Hoftage von Vezelay (Ostern 1146) mußte er sein Gewand
zerschneiden, weil die Zahl der Kreuze dem stürmischen Begehren
nicht genügte. Alle Geister waren nur noch auf das eine Ziel ge-
1) Die gegenteilige Ansicht von Hauck kann ich nicht für richtig halten,
vgl. Hist. Ztschr. 93, S. 408.
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