gemeinen Zwillinge durch eine einzige Empfängniß und zu einerlei Zeit das Leben erhalten, anstatt daß eine Ueber- fruchtung eine Belebung zwoer Früchte ist, welche sich aus zweyerley Empfängnisse entwickeln (a).
Es verwerfen einige Schriftsteller diese Ueberfruch- tung (b), und zwar sonderlich daher, weil der Mutter- mund geschlossen ist, und keinen neuen Saamen anneh- men würde, wie auch aus dem Grunde, weil die Mut- tertrompeten bei schwangern Frauenspersonen gar zu ge- rade und kurz sind, und den Eyerstokk nicht zu erreichen vermögen. Noch mehrere nehmen eine Ueberfruchtung an (c), und wir sehen uns daher veranlasset, die Grün- de beider Meinungen abzuhören.
Unter diesen Gründen verwerfe ich aber einige völlig, z. E. die ungleich grossen Früchte, welche auf einmal ge- boren werden, und von welchen sie die eine für reif, und von neun Monaten ausgeben, indessen daß die andere nach dem Verhältnisse ihrer Kleinheit ein Werk von we- nig Monaten seyn soll, folglich müsten sie zu verschiede- nen Zeiten empfangen worden seyn. Man lieset derglei- chen Historien in grosser Menge.
Jch habe eine reife Frucht, indessen daß die andere ungemein klein (d) und zusammengedrükkt (e), dabei aber kaum etwas dikker als Löschpappier war, zu sehen das Glükk gehabt. So gieng mit einer wohlgebildeten Frucht zugleich das Geribbe einer andern mit fort (f).
Eine
(a)[Spaltenumbruch]La MOTTE gener. c. 3. SMELLIE p. 123. PARSONS de mot. muscul. p. 78.
(b)PARSONS.
(c)HIPOCRATIUS. Autor peri epikyas n. 2. sey doch was Sel- tenes ARISTOTELES hist. anim. L. VII. c. 4. gener. anim. L. IV. [Spaltenumbruch]
c. 5. Beyspiele hat PLINIUS L. VII. c. 9.
(d)Zod. Med. Gall. l. m. Jan.
(e) Am Kuchen waren von rei- fen Kindern Eines 1/4 Zell dikk, hatte hartes Fleisch Nouv. decouv. sur. la Medec. 1679. 12.
(f)Act. Lit. Mar. Balth. ann. 1704. p. 311.
H. Phisiol. 8. B. C c c
V. Abſ. Die Geburt.
gemeinen Zwillinge durch eine einzige Empfaͤngniß und zu einerlei Zeit das Leben erhalten, anſtatt daß eine Ueber- fruchtung eine Belebung zwoer Fruͤchte iſt, welche ſich aus zweyerley Empfaͤngniſſe entwickeln (a).
Es verwerfen einige Schriftſteller dieſe Ueberfruch- tung (b), und zwar ſonderlich daher, weil der Mutter- mund geſchloſſen iſt, und keinen neuen Saamen anneh- men wuͤrde, wie auch aus dem Grunde, weil die Mut- tertrompeten bei ſchwangern Frauensperſonen gar zu ge- rade und kurz ſind, und den Eyerſtokk nicht zu erreichen vermoͤgen. Noch mehrere nehmen eine Ueberfruchtung an (c), und wir ſehen uns daher veranlaſſet, die Gruͤn- de beider Meinungen abzuhoͤren.
Unter dieſen Gruͤnden verwerfe ich aber einige voͤllig, z. E. die ungleich groſſen Fruͤchte, welche auf einmal ge- boren werden, und von welchen ſie die eine fuͤr reif, und von neun Monaten ausgeben, indeſſen daß die andere nach dem Verhaͤltniſſe ihrer Kleinheit ein Werk von we- nig Monaten ſeyn ſoll, folglich muͤſten ſie zu verſchiede- nen Zeiten empfangen worden ſeyn. Man lieſet derglei- chen Hiſtorien in groſſer Menge.
Jch habe eine reife Frucht, indeſſen daß die andere ungemein klein (d) und zuſammengedruͤkkt (e), dabei aber kaum etwas dikker als Loͤſchpappier war, zu ſehen das Gluͤkk gehabt. So gieng mit einer wohlgebildeten Frucht zugleich das Geribbe einer andern mit fort (f).
Eine
(a)[Spaltenumbruch]La MOTTE gener. c. 3. SMELLIE p. 123. PARSONS de mot. muſcul. p. 78.
(b)PARSONS.
(c)HIPOCRATIUS. Autor peri epikyas n. 2. ſey doch was Sel- tenes ARISTOTELES hiſt. anim. L. VII. c. 4. gener. anim. L. IV. [Spaltenumbruch]
c. 5. Beyſpiele hat PLINIUS L. VII. c. 9.
(d)Zod. Med. Gall. l. m. Jan.
(e) Am Kuchen waren von rei- fen Kindern Eines ¼ Zell dikk, hatte hartes Fleiſch Nouv. decouv. ſur. la Medec. 1679. 12.
(f)Act. Lit. Mar. Balth. ann. 1704. p. 311.
H. Phiſiol. 8. B. C c c
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[767[769]/0821]
V. Abſ. Die Geburt.
gemeinen Zwillinge durch eine einzige Empfaͤngniß und
zu einerlei Zeit das Leben erhalten, anſtatt daß eine Ueber-
fruchtung eine Belebung zwoer Fruͤchte iſt, welche ſich
aus zweyerley Empfaͤngniſſe entwickeln (a).
Es verwerfen einige Schriftſteller dieſe Ueberfruch-
tung (b), und zwar ſonderlich daher, weil der Mutter-
mund geſchloſſen iſt, und keinen neuen Saamen anneh-
men wuͤrde, wie auch aus dem Grunde, weil die Mut-
tertrompeten bei ſchwangern Frauensperſonen gar zu ge-
rade und kurz ſind, und den Eyerſtokk nicht zu erreichen
vermoͤgen. Noch mehrere nehmen eine Ueberfruchtung
an (c), und wir ſehen uns daher veranlaſſet, die Gruͤn-
de beider Meinungen abzuhoͤren.
Unter dieſen Gruͤnden verwerfe ich aber einige voͤllig,
z. E. die ungleich groſſen Fruͤchte, welche auf einmal ge-
boren werden, und von welchen ſie die eine fuͤr reif, und
von neun Monaten ausgeben, indeſſen daß die andere
nach dem Verhaͤltniſſe ihrer Kleinheit ein Werk von we-
nig Monaten ſeyn ſoll, folglich muͤſten ſie zu verſchiede-
nen Zeiten empfangen worden ſeyn. Man lieſet derglei-
chen Hiſtorien in groſſer Menge.
Jch habe eine reife Frucht, indeſſen daß die andere
ungemein klein (d) und zuſammengedruͤkkt (e), dabei aber
kaum etwas dikker als Loͤſchpappier war, zu ſehen das
Gluͤkk gehabt. So gieng mit einer wohlgebildeten Frucht
zugleich das Geribbe einer andern mit fort (f).
Eine
(a)
La MOTTE gener. c. 3.
SMELLIE p. 123. PARSONS de
mot. muſcul. p. 78.
(b) PARSONS.
(c) HIPOCRATIUS. Autor peri
epikyas n. 2. ſey doch was Sel-
tenes ARISTOTELES hiſt. anim.
L. VII. c. 4. gener. anim. L. IV.
c. 5. Beyſpiele hat PLINIUS L. VII.
c. 9.
(d) Zod. Med. Gall. l. m. Jan.
(e) Am Kuchen waren von rei-
fen Kindern Eines ¼ Zell dikk, hatte
hartes Fleiſch Nouv. decouv. ſur.
la Medec. 1679. 12.
(f) Act. Lit. Mar. Balth. ann.
1704. p. 311.
H. Phiſiol. 8. B. C c c
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 767[769]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/821>, abgerufen am 22.11.2024.
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