sie divergären mit der Zeit, und zerscheiteln sich un- ter grösseren Winkeln. So verhält sich auch die Sache mit den Knochen. Man erblikkt nemlich in den ersten Zeiten der Frucht, einen einzigen rothen Flekken (o) an den Knochen, und hierauf zween solcher Flekken: nach und nach verwandelt sich dasjenige, was eine ein- zige Schlagader zu seyn schien, nun zu einer kreisförmi- gen (p) Reihe vieler und endlich sehr zahlreichen Schlag- adern (q). Dieser Ursache schreibe ich das Wachsthum der Schlagadern in Geschwülsten zu, indem diese Adern, aus ihrem ganz kleinen Zustande in den aufgetriebnen Membranen, ungemein gros zu wachsen pflegen, und sich nunmehr nicht ohne Gefahr zerschneiden lassen. Der- gleichen geschieht auch an einer schwangern Gebärmutter. Und auf eben diese Weise dehnen sich auch die Flügel aus einander, welche an dem Schmetterlinge bisher in Falten, wie das Pappier der Fächer, lagen. (r).
So geschieht nun, indem sich die Schlagadern, und die damit in eins fortlaufende Blutadern, wie auch die Fadengewebe von allen Seiten her, von dem hineinströ- menden Blute, und von dem beigemischten Nahrungs- leime, sowohl der Länge als der Breite nach, ausgedeh- net werden, zwar keine Ernährung (s), aber doch das Wachsen. Der ganze Körper wird bei jedem Puls- schlage breiter, und das Knie hebt die darauf liegende Last in die Höhe (t). Solchergestalt wächst die ganze Frucht nach allen ihren Durchmessern, da die Rükk- stösse der Schlagadern, wegen der grössern Stärke des Herzens kleiner sind, immer mehr. Die Nattern wer-
den
(o)[Spaltenumbruch]Accroissement. des os I. p. 219.
(p)p. 221. u. s. f.
(q) Den sechszehnten Tag sind 15 Gefässe in kreisförmiger Ord- nung, den siebzehnten Tag 20. den achtzehnten 24, den ein und [Spaltenumbruch]
zwanzigsten überhaupt 43. pag. 224.
(r)p. 288.
(s) Für die Ernährung hielte es KEILIUS. der widerlegt wird vom WINTRINGHAM p. 39.
(t)L. IV. p. 458.
Die Frucht XXIX. B.
ſie divergaͤren mit der Zeit, und zerſcheiteln ſich un- ter groͤſſeren Winkeln. So verhaͤlt ſich auch die Sache mit den Knochen. Man erblikkt nemlich in den erſten Zeiten der Frucht, einen einzigen rothen Flekken (o) an den Knochen, und hierauf zween ſolcher Flekken: nach und nach verwandelt ſich dasjenige, was eine ein- zige Schlagader zu ſeyn ſchien, nun zu einer kreisfoͤrmi- gen (p) Reihe vieler und endlich ſehr zahlreichen Schlag- adern (q). Dieſer Urſache ſchreibe ich das Wachsthum der Schlagadern in Geſchwuͤlſten zu, indem dieſe Adern, aus ihrem ganz kleinen Zuſtande in den aufgetriebnen Membranen, ungemein gros zu wachſen pflegen, und ſich nunmehr nicht ohne Gefahr zerſchneiden laſſen. Der- gleichen geſchieht auch an einer ſchwangern Gebaͤrmutter. Und auf eben dieſe Weiſe dehnen ſich auch die Fluͤgel aus einander, welche an dem Schmetterlinge bisher in Falten, wie das Pappier der Faͤcher, lagen. (r).
So geſchieht nun, indem ſich die Schlagadern, und die damit in eins fortlaufende Blutadern, wie auch die Fadengewebe von allen Seiten her, von dem hineinſtroͤ- menden Blute, und von dem beigemiſchten Nahrungs- leime, ſowohl der Laͤnge als der Breite nach, ausgedeh- net werden, zwar keine Ernaͤhrung (s), aber doch das Wachſen. Der ganze Koͤrper wird bei jedem Puls- ſchlage breiter, und das Knie hebt die darauf liegende Laſt in die Hoͤhe (t). Solchergeſtalt waͤchſt die ganze Frucht nach allen ihren Durchmeſſern, da die Ruͤkk- ſtoͤſſe der Schlagadern, wegen der groͤſſern Staͤrke des Herzens kleiner ſind, immer mehr. Die Nattern wer-
den
(o)[Spaltenumbruch]Accroiſſement. des os I. p. 219.
(p)p. 221. u. ſ. f.
(q) Den ſechszehnten Tag ſind 15 Gefaͤſſe in kreisfoͤrmiger Ord- nung, den ſiebzehnten Tag 20. den achtzehnten 24, den ein und [Spaltenumbruch]
zwanzigſten uͤberhaupt 43. pag. 224.
(r)p. 288.
(s) Fuͤr die Ernaͤhrung hielte es KEILIUS. der widerlegt wird vom WINTRINGHAM p. 39.
(t)L. IV. p. 458.
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[482[484]/0536]
Die Frucht XXIX. B.
ſie divergaͤren mit der Zeit, und zerſcheiteln ſich un-
ter groͤſſeren Winkeln. So verhaͤlt ſich auch die
Sache mit den Knochen. Man erblikkt nemlich in den
erſten Zeiten der Frucht, einen einzigen rothen Flekken
(o) an den Knochen, und hierauf zween ſolcher Flekken:
nach und nach verwandelt ſich dasjenige, was eine ein-
zige Schlagader zu ſeyn ſchien, nun zu einer kreisfoͤrmi-
gen (p) Reihe vieler und endlich ſehr zahlreichen Schlag-
adern (q). Dieſer Urſache ſchreibe ich das Wachsthum
der Schlagadern in Geſchwuͤlſten zu, indem dieſe Adern,
aus ihrem ganz kleinen Zuſtande in den aufgetriebnen
Membranen, ungemein gros zu wachſen pflegen, und ſich
nunmehr nicht ohne Gefahr zerſchneiden laſſen. Der-
gleichen geſchieht auch an einer ſchwangern Gebaͤrmutter.
Und auf eben dieſe Weiſe dehnen ſich auch die Fluͤgel
aus einander, welche an dem Schmetterlinge bisher in
Falten, wie das Pappier der Faͤcher, lagen. (r).
So geſchieht nun, indem ſich die Schlagadern, und
die damit in eins fortlaufende Blutadern, wie auch die
Fadengewebe von allen Seiten her, von dem hineinſtroͤ-
menden Blute, und von dem beigemiſchten Nahrungs-
leime, ſowohl der Laͤnge als der Breite nach, ausgedeh-
net werden, zwar keine Ernaͤhrung (s), aber doch das
Wachſen. Der ganze Koͤrper wird bei jedem Puls-
ſchlage breiter, und das Knie hebt die darauf liegende
Laſt in die Hoͤhe (t). Solchergeſtalt waͤchſt die ganze
Frucht nach allen ihren Durchmeſſern, da die Ruͤkk-
ſtoͤſſe der Schlagadern, wegen der groͤſſern Staͤrke des
Herzens kleiner ſind, immer mehr. Die Nattern wer-
den
(o)
Accroiſſement. des os I. p.
219.
(p) p. 221. u. ſ. f.
(q) Den ſechszehnten Tag ſind
15 Gefaͤſſe in kreisfoͤrmiger Ord-
nung, den ſiebzehnten Tag 20.
den achtzehnten 24, den ein und
zwanzigſten uͤberhaupt 43. pag.
224.
(r) p. 288.
(s) Fuͤr die Ernaͤhrung hielte
es KEILIUS. der widerlegt wird
vom WINTRINGHAM p. 39.
(t) L. IV. p. 458.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 482[484]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/536>, abgerufen am 23.11.2024.
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