Folglich bleibt das Herz die wahre Ursache von der Bewegung, vermittelst deren die Nahrung den Theilen zugeführt wird (s). Nimmt dessen Kraft ab, so stokkt das ganze Wachsthum eines Hühnchens, die Nabelge- fässe entwikkeln sich langsamer, sie sind nicht mehr roth, sondern blaß (t), und es ist eine Frucht von vier Tagen nicht besser ausgebildet, als eine Frucht von zween Ta- gen, deren Herz gut schlägt, und frisch ist. Stehet diese Kraft still, so hört das ganze Wachsthum plözzlich auf, es bleibt die Frucht so wie sie war, als das Herz noch klopf- te, und es verwandelt sich nunmehr, an statt des unge- mein schönen Baues der Gefässe an den Membranen, an statt der Muskeln und der Eingeweide (v) in der Frucht, eben diejenige Nahrung, welche bei einem fri- schen Herzen alles dieses hervorgebracht haben würde, nunmehr in einen garstigen und stinkenden Schlamm. Und dennoch wirkt hier noch die Kraft der Wärme, der Luft, und die anziehende Kraft immer fort.
Es besizzet aber das Herz der Frucht alles, was einen Einfluß auf das Wachsen haben kann.
Es ist grösser, es ist reizbarer, und es schlägt ge- schwinder.
Jch habe befunden, daß das Herz eines Hühnchens in den Bruteyern, nach dem Ablaufe des fünften Tages zwölfhundert theil Zoll ausmacht, es ist so gros, als der Kopf, grösser als die Leber, welche neun solcher Theile ausmacht, daß es grösser als die Lunge ist, da es doch im erwachsenen Menschen um so vielmal kleiner, als die Lunge zu seyn pflegt. Es hat an einer zarten Eyfrucht die Grösse des Kopfes (x). Diejenigen, welche sich vor kurzem äusserten, daß das Herz in einer Frucht nicht so gros sey, und dieses Vorrecht auf die Grösse der Herz-
ohren
(s)[Spaltenumbruch]L. IV. p. 446. Form. du poulet. II. p. 34.
(t)Conf. Form. du poulet. II. p. 36.
(v)[Spaltenumbruch]p. 34. 35.
(x) Sei grösser DEIDIER anat- raison p. 180. Conf. L. IV. p. 430.
G g 4
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Folglich bleibt das Herz die wahre Urſache von der Bewegung, vermittelſt deren die Nahrung den Theilen zugefuͤhrt wird (s). Nimmt deſſen Kraft ab, ſo ſtokkt das ganze Wachsthum eines Huͤhnchens, die Nabelge- faͤſſe entwikkeln ſich langſamer, ſie ſind nicht mehr roth, ſondern blaß (t), und es iſt eine Frucht von vier Tagen nicht beſſer ausgebildet, als eine Frucht von zween Ta- gen, deren Herz gut ſchlaͤgt, und friſch iſt. Stehet dieſe Kraft ſtill, ſo hoͤrt das ganze Wachsthum ploͤzzlich auf, es bleibt die Frucht ſo wie ſie war, als das Herz noch klopf- te, und es verwandelt ſich nunmehr, an ſtatt des unge- mein ſchoͤnen Baues der Gefaͤſſe an den Membranen, an ſtatt der Muskeln und der Eingeweide (v) in der Frucht, eben diejenige Nahrung, welche bei einem fri- ſchen Herzen alles dieſes hervorgebracht haben wuͤrde, nunmehr in einen garſtigen und ſtinkenden Schlamm. Und dennoch wirkt hier noch die Kraft der Waͤrme, der Luft, und die anziehende Kraft immer fort.
Es beſizzet aber das Herz der Frucht alles, was einen Einfluß auf das Wachſen haben kann.
Es iſt groͤſſer, es iſt reizbarer, und es ſchlaͤgt ge- ſchwinder.
Jch habe befunden, daß das Herz eines Huͤhnchens in den Bruteyern, nach dem Ablaufe des fuͤnften Tages zwoͤlfhundert theil Zoll ausmacht, es iſt ſo gros, als der Kopf, groͤſſer als die Leber, welche neun ſolcher Theile ausmacht, daß es groͤſſer als die Lunge iſt, da es doch im erwachſenen Menſchen um ſo vielmal kleiner, als die Lunge zu ſeyn pflegt. Es hat an einer zarten Eyfrucht die Groͤſſe des Kopfes (x). Diejenigen, welche ſich vor kurzem aͤuſſerten, daß das Herz in einer Frucht nicht ſo gros ſey, und dieſes Vorrecht auf die Groͤſſe der Herz-
ohren
(s)[Spaltenumbruch]L. IV. p. 446. Form. du poulet. II. p. 34.
(t)Conf. Form. du poulet. II. p. 36.
(v)[Spaltenumbruch]p. 34. 35.
(x) Sei groͤſſer DEIDIER anat- raiſon p. 180. Conf. L. IV. p. 430.
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[469[471]/0523]
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Folglich bleibt das Herz die wahre Urſache von der
Bewegung, vermittelſt deren die Nahrung den Theilen
zugefuͤhrt wird (s). Nimmt deſſen Kraft ab, ſo ſtokkt
das ganze Wachsthum eines Huͤhnchens, die Nabelge-
faͤſſe entwikkeln ſich langſamer, ſie ſind nicht mehr roth,
ſondern blaß (t), und es iſt eine Frucht von vier Tagen
nicht beſſer ausgebildet, als eine Frucht von zween Ta-
gen, deren Herz gut ſchlaͤgt, und friſch iſt. Stehet dieſe
Kraft ſtill, ſo hoͤrt das ganze Wachsthum ploͤzzlich auf,
es bleibt die Frucht ſo wie ſie war, als das Herz noch klopf-
te, und es verwandelt ſich nunmehr, an ſtatt des unge-
mein ſchoͤnen Baues der Gefaͤſſe an den Membranen,
an ſtatt der Muskeln und der Eingeweide (v) in der
Frucht, eben diejenige Nahrung, welche bei einem fri-
ſchen Herzen alles dieſes hervorgebracht haben wuͤrde,
nunmehr in einen garſtigen und ſtinkenden Schlamm.
Und dennoch wirkt hier noch die Kraft der Waͤrme, der
Luft, und die anziehende Kraft immer fort.
Es beſizzet aber das Herz der Frucht alles, was
einen Einfluß auf das Wachſen haben kann.
Es iſt groͤſſer, es iſt reizbarer, und es ſchlaͤgt ge-
ſchwinder.
Jch habe befunden, daß das Herz eines Huͤhnchens
in den Bruteyern, nach dem Ablaufe des fuͤnften Tages
zwoͤlfhundert theil Zoll ausmacht, es iſt ſo gros, als
der Kopf, groͤſſer als die Leber, welche neun ſolcher Theile
ausmacht, daß es groͤſſer als die Lunge iſt, da es doch
im erwachſenen Menſchen um ſo vielmal kleiner, als die
Lunge zu ſeyn pflegt. Es hat an einer zarten Eyfrucht
die Groͤſſe des Kopfes (x). Diejenigen, welche ſich vor
kurzem aͤuſſerten, daß das Herz in einer Frucht nicht ſo
gros ſey, und dieſes Vorrecht auf die Groͤſſe der Herz-
ohren
(s)
L. IV. p. 446. Form. du
poulet. II. p. 34.
(t) Conf. Form. du poulet. II.
p. 36.
(v)
p. 34. 35.
(x) Sei groͤſſer DEIDIER anat-
raiſon p. 180. Conf. L. IV. p. 430.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 469[471]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/523>, abgerufen am 23.11.2024.
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