Saugens scheinen die Wurzeln und einsaugende Schweis- löcher ihre Nahrung an sich zu ziehen: und auch durch dieses Mittel allein scheinet der Mensch durch die Milch- gefässe vermittelst des Chilus ernährt zu werden. Be- kannt ist es, daß sich vermöge des jezzt erwehnten Mittels, und nach der Uebereinstimmung der gesammten Natur die Säfte an feste Körper anhängen: und daß von den Haarröhrchen der Pflanzen, die färbenden Säfte ohne ein Herz angezogen werden (o), und die Stengel, die erst weis waren, violetfarben werden. Doch ich habe es auch mit Augen gesehen, daß feste Membranen die thierischen Säfte an sich ziehen (p).
Jch verlange diese Kraft nicht in Zweifel zu ziehen, und ich bin nicht dawider, daß nicht die Nahrung von dieser Kraft in die Zwischenräume der Grundstoffe, und in die entstandene Grübchen hineingeschaft werden solte. Wenn ich mich aber erinnere, wie schnell sich (q) durch die kleinste Gefässe die Blutkügelchen einzeln hindurch be- wegen, und wie wenig sie auch in den grössern Gefäs- sen von ihrer Richtung abweichen, und wie sie von den Wänden (r) ihrer Gefässe angezogen werden, so unter- stehe ich mich noch diese Kraft herbei zu ziehen, um von ihr die Bewegung eines Saftes herzuleiten, welcher von dem Orte des anziehenden Haarröhrchens weit weg liegt. So viel sehe ich wohl ein, daß ein fester Grundstoff das allernächste Klümpchen Saft an sich zieht, und durch selbiges ein anderes näher bringt. Jch sehe auch, daß die entfernte Theilchen, mit immer mehr und mehr abneh- mender Geschwindigkeit herbeigezogen werden, je weiter sie von dem Mittelpunkte des Zuges, d. i. von dem festen Elemente ab liegen. Und überdem ziehen keine ange- füllte Haarröhrchen mehr an sich.
Folg-
(o)[Spaltenumbruch]
Jn den Versuchen des be- rühmten La BAISSE & des be- rühmten BONNETTI.
(p)[Spaltenumbruch]MOUVEMENT du sang. p. 341.
(q)Ibid. p. 235.
(r)Ibid. p. 222. 235.
Die Frucht. XXIX. B.
Saugens ſcheinen die Wurzeln und einſaugende Schweis- loͤcher ihre Nahrung an ſich zu ziehen: und auch durch dieſes Mittel allein ſcheinet der Menſch durch die Milch- gefaͤſſe vermittelſt des Chilus ernaͤhrt zu werden. Be- kannt iſt es, daß ſich vermoͤge des jezzt erwehnten Mittels, und nach der Uebereinſtimmung der geſammten Natur die Saͤfte an feſte Koͤrper anhaͤngen: und daß von den Haarroͤhrchen der Pflanzen, die faͤrbenden Saͤfte ohne ein Herz angezogen werden (o), und die Stengel, die erſt weis waren, violetfarben werden. Doch ich habe es auch mit Augen geſehen, daß feſte Membranen die thieriſchen Saͤfte an ſich ziehen (p).
Jch verlange dieſe Kraft nicht in Zweifel zu ziehen, und ich bin nicht dawider, daß nicht die Nahrung von dieſer Kraft in die Zwiſchenraͤume der Grundſtoffe, und in die entſtandene Gruͤbchen hineingeſchaft werden ſolte. Wenn ich mich aber erinnere, wie ſchnell ſich (q) durch die kleinſte Gefaͤſſe die Blutkuͤgelchen einzeln hindurch be- wegen, und wie wenig ſie auch in den groͤſſern Gefaͤſ- ſen von ihrer Richtung abweichen, und wie ſie von den Waͤnden (r) ihrer Gefaͤſſe angezogen werden, ſo unter- ſtehe ich mich noch dieſe Kraft herbei zu ziehen, um von ihr die Bewegung eines Saftes herzuleiten, welcher von dem Orte des anziehenden Haarroͤhrchens weit weg liegt. So viel ſehe ich wohl ein, daß ein feſter Grundſtoff das allernaͤchſte Kluͤmpchen Saft an ſich zieht, und durch ſelbiges ein anderes naͤher bringt. Jch ſehe auch, daß die entfernte Theilchen, mit immer mehr und mehr abneh- mender Geſchwindigkeit herbeigezogen werden, je weiter ſie von dem Mittelpunkte des Zuges, d. i. von dem feſten Elemente ab liegen. Und uͤberdem ziehen keine ange- fuͤllte Haarroͤhrchen mehr an ſich.
Folg-
(o)[Spaltenumbruch]
Jn den Verſuchen des be- ruͤhmten La BAISSE & des be- ruͤhmten BONNETTI.
(p)[Spaltenumbruch]MOUVEMENT du ſang. p. 341.
(q)Ibid. p. 235.
(r)Ibid. p. 222. 235.
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[468[470]/0522]
Die Frucht. XXIX. B.
Saugens ſcheinen die Wurzeln und einſaugende Schweis-
loͤcher ihre Nahrung an ſich zu ziehen: und auch durch
dieſes Mittel allein ſcheinet der Menſch durch die Milch-
gefaͤſſe vermittelſt des Chilus ernaͤhrt zu werden. Be-
kannt iſt es, daß ſich vermoͤge des jezzt erwehnten Mittels,
und nach der Uebereinſtimmung der geſammten Natur
die Saͤfte an feſte Koͤrper anhaͤngen: und daß von den
Haarroͤhrchen der Pflanzen, die faͤrbenden Saͤfte ohne
ein Herz angezogen werden (o), und die Stengel, die
erſt weis waren, violetfarben werden. Doch ich habe
es auch mit Augen geſehen, daß feſte Membranen die
thieriſchen Saͤfte an ſich ziehen (p).
Jch verlange dieſe Kraft nicht in Zweifel zu ziehen,
und ich bin nicht dawider, daß nicht die Nahrung von
dieſer Kraft in die Zwiſchenraͤume der Grundſtoffe, und
in die entſtandene Gruͤbchen hineingeſchaft werden ſolte.
Wenn ich mich aber erinnere, wie ſchnell ſich (q) durch
die kleinſte Gefaͤſſe die Blutkuͤgelchen einzeln hindurch be-
wegen, und wie wenig ſie auch in den groͤſſern Gefaͤſ-
ſen von ihrer Richtung abweichen, und wie ſie von den
Waͤnden (r) ihrer Gefaͤſſe angezogen werden, ſo unter-
ſtehe ich mich noch dieſe Kraft herbei zu ziehen, um von
ihr die Bewegung eines Saftes herzuleiten, welcher von
dem Orte des anziehenden Haarroͤhrchens weit weg liegt.
So viel ſehe ich wohl ein, daß ein feſter Grundſtoff das
allernaͤchſte Kluͤmpchen Saft an ſich zieht, und durch
ſelbiges ein anderes naͤher bringt. Jch ſehe auch, daß die
entfernte Theilchen, mit immer mehr und mehr abneh-
mender Geſchwindigkeit herbeigezogen werden, je weiter
ſie von dem Mittelpunkte des Zuges, d. i. von dem feſten
Elemente ab liegen. Und uͤberdem ziehen keine ange-
fuͤllte Haarroͤhrchen mehr an ſich.
Folg-
(o)
Jn den Verſuchen des be-
ruͤhmten La BAISSE & des be-
ruͤhmten BONNETTI.
(p)
MOUVEMENT du ſang.
p. 341.
(q) Ibid. p. 235.
(r) Ibid. p. 222. 235.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 468[470]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/522>, abgerufen am 23.11.2024.
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