und am neunten Tage so anzusehen sind, als ob sie ganz allein vorhanden wären, indem diese Gefässe blos von einer noch ganz flüßigen Materie zusammen geballt werden. Man kann sie aber leichtlich durch eben das Mittel, wo- von wir bereits Erwehnung gethan haben, zum Bestande bringen. Eben dieses Ansehn haben auch die Membra- nen, nur daß sie etwas fester sind.
Dieses habe ich gesehen. Erwäge ich aber die Sa- che, so urtheile ich davon, daß die Fasern und die cellu- löse Blätterchen zu der Zeit sehr wenig erdige Grund- stoffe haben müssen, zwischen welchen ein Leim liegt, wel- cher die Fäser und die cellulösen Blätter, da er in grosser Quantität zugegen ist, zu ihrer Vollkommenheit bringt.
Wir haben an den Knochen ein Exempel, indem sich an denselben das Mittelstükke, welches zuerst vor den übrigen hartzuwerden anfängt, und anfänglich ungemein enge ist, so gleich erweitere, an dem Knochenansazze aber (epiphysis), welcher von diesem Mittelpunkte weit ab- steht, fängt ein anderer Knochenmittelpunkt an zu entste- hen. Endlich kann man an den Knochen der Hirnschale drei bis fünf Knochenmittelpunkte aus dem Leime her- vorschimmern sehen, welche endlich, nachdem sich der er- dige Grundstof vermehret, und die Portion des biegsa- men Theiles vermindert, ein grösseres Wachsthum be- kommen, und in einen einzigen Knochen zusammen wachsen.
Auf eben diese Art kann man an der Muskelfaser, an dem Gefässe, an der Membran die erdige Theile, gleich- sam als Jnseln, die von einer Menge Gallert entfernt gehalten werden, umher zerstreut liegen sehen.
Wir müssen nunmehr zeigen, wie sich die zarte Frucht aus diesem Zustande heraus arbeite, bis selbige endlich nach einer langen Zeit, und nach oftmaliger Be- arbeitung durch die bildende Kräfte zu einer reifen Frucht wird, und ihre Vollendung erhält.
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IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
und am neunten Tage ſo anzuſehen ſind, als ob ſie ganz allein vorhanden waͤren, indem dieſe Gefaͤſſe blos von einer noch ganz fluͤßigen Materie zuſammen geballt werden. Man kann ſie aber leichtlich durch eben das Mittel, wo- von wir bereits Erwehnung gethan haben, zum Beſtande bringen. Eben dieſes Anſehn haben auch die Membra- nen, nur daß ſie etwas feſter ſind.
Dieſes habe ich geſehen. Erwaͤge ich aber die Sa- che, ſo urtheile ich davon, daß die Faſern und die cellu- loͤſe Blaͤtterchen zu der Zeit ſehr wenig erdige Grund- ſtoffe haben muͤſſen, zwiſchen welchen ein Leim liegt, wel- cher die Faͤſer und die celluloͤſen Blaͤtter, da er in groſſer Quantitaͤt zugegen iſt, zu ihrer Vollkommenheit bringt.
Wir haben an den Knochen ein Exempel, indem ſich an denſelben das Mittelſtuͤkke, welches zuerſt vor den uͤbrigen hartzuwerden anfaͤngt, und anfaͤnglich ungemein enge iſt, ſo gleich erweitere, an dem Knochenanſazze aber (epiphyſis), welcher von dieſem Mittelpunkte weit ab- ſteht, faͤngt ein anderer Knochenmittelpunkt an zu entſte- hen. Endlich kann man an den Knochen der Hirnſchale drei bis fuͤnf Knochenmittelpunkte aus dem Leime her- vorſchimmern ſehen, welche endlich, nachdem ſich der er- dige Grundſtof vermehret, und die Portion des biegſa- men Theiles vermindert, ein groͤſſeres Wachsthum be- kommen, und in einen einzigen Knochen zuſammen wachſen.
Auf eben dieſe Art kann man an der Muskelfaſer, an dem Gefaͤſſe, an der Membran die erdige Theile, gleich- ſam als Jnſeln, die von einer Menge Gallert entfernt gehalten werden, umher zerſtreut liegen ſehen.
Wir muͤſſen nunmehr zeigen, wie ſich die zarte Frucht aus dieſem Zuſtande heraus arbeite, bis ſelbige endlich nach einer langen Zeit, und nach oftmaliger Be- arbeitung durch die bildende Kraͤfte zu einer reifen Frucht wird, und ihre Vollendung erhaͤlt.
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[465[467]/0519]
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
und am neunten Tage ſo anzuſehen ſind, als ob ſie ganz
allein vorhanden waͤren, indem dieſe Gefaͤſſe blos von
einer noch ganz fluͤßigen Materie zuſammen geballt werden.
Man kann ſie aber leichtlich durch eben das Mittel, wo-
von wir bereits Erwehnung gethan haben, zum Beſtande
bringen. Eben dieſes Anſehn haben auch die Membra-
nen, nur daß ſie etwas feſter ſind.
Dieſes habe ich geſehen. Erwaͤge ich aber die Sa-
che, ſo urtheile ich davon, daß die Faſern und die cellu-
loͤſe Blaͤtterchen zu der Zeit ſehr wenig erdige Grund-
ſtoffe haben muͤſſen, zwiſchen welchen ein Leim liegt, wel-
cher die Faͤſer und die celluloͤſen Blaͤtter, da er in groſſer
Quantitaͤt zugegen iſt, zu ihrer Vollkommenheit bringt.
Wir haben an den Knochen ein Exempel, indem
ſich an denſelben das Mittelſtuͤkke, welches zuerſt vor den
uͤbrigen hartzuwerden anfaͤngt, und anfaͤnglich ungemein
enge iſt, ſo gleich erweitere, an dem Knochenanſazze aber
(epiphyſis), welcher von dieſem Mittelpunkte weit ab-
ſteht, faͤngt ein anderer Knochenmittelpunkt an zu entſte-
hen. Endlich kann man an den Knochen der Hirnſchale
drei bis fuͤnf Knochenmittelpunkte aus dem Leime her-
vorſchimmern ſehen, welche endlich, nachdem ſich der er-
dige Grundſtof vermehret, und die Portion des biegſa-
men Theiles vermindert, ein groͤſſeres Wachsthum be-
kommen, und in einen einzigen Knochen zuſammen
wachſen.
Auf eben dieſe Art kann man an der Muskelfaſer,
an dem Gefaͤſſe, an der Membran die erdige Theile, gleich-
ſam als Jnſeln, die von einer Menge Gallert entfernt
gehalten werden, umher zerſtreut liegen ſehen.
Wir muͤſſen nunmehr zeigen, wie ſich die zarte
Frucht aus dieſem Zuſtande heraus arbeite, bis ſelbige
endlich nach einer langen Zeit, und nach oftmaliger Be-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 465[467]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/519>, abgerufen am 23.11.2024.
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