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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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IV. Abs. Das Leben der Frucht.
pfindlich waren; wir erklären dieses wie bei den Schlag-
adern, aus den erweiterten Verästelungen der Nerven-
röhrchen, wofern einige da sind; diese Aeste sind nunmehr
weit genung, um so viel Nervensaft einzunehmen, als zur
Hervorbringung der Empfindlichkeit nothwendig ist.
Nach dem Unterbinden, oder Schlagadersäkken, hat Nie-
mand einen gesunden, markigen Nerven wieder wachsen
gesehen.

Man siehet, wohin dieses zielen soll. Da die
Schlagadern Muskeln und Nerven haben: und da sich
weder eine Muskelfaser wieder erzeuget, noch eine Ner-
ve, so scheinet es nicht, daß eine Schlagader aus einem
durchborten Fadengewebe habe entstehen können.

Wenn man nur die Sache ein wenig überlegt, so
wird man nicht einsehen, wie die auf solche Art zusam-
mengebakkte Schlagader, die um sie herumlaufende Ner-
ven anzunehmen im Stande sey. Es entstehen nemlich
die Nerven, wenn es irgend ein Theil in der Frucht thut,
zu allererst, sie sind die ersten, und man ersiehet dieses
aus dem Exempel des grossen Kopfes, und des grossen
Rükkenmarkes. Und doch waren, nach dem Erkennt-
nisse dieses berühmten Mannes zu derselben Zeit, keine
Schlagadern, obgleich Frucht, Gehirn und Rükkenmark
(m) ohne eine Aorte oder Halsschlagadern vorhanden
waren.

Dieses lehrte die Theorie. Wenn ich aber genau
erwäge, was an einem Hühnchen in einem bebrüteten
Eye vorgeht, so sehe ich hinlänglich ein, daß weder
Schlagadern, noch Blutadern, vermittelst eines nach und
nach bewirkten Fortschrittes eines Saftes zwischen den
cellulösen Räumen hervorgebracht werden. Es sahe der
berühmte Wolf (n) die Erzeugung des rothen Blutes,
welches allmählich vom Herzen nach dem weiter entlege-
nen Theile einer Schlagader, seinen Gang fortsezzt, und

das-
(m) [Spaltenumbruch] WOLF p. 86.
(n) [Spaltenumbruch] p. 73. 77. &c.
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IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
pfindlich waren; wir erklaͤren dieſes wie bei den Schlag-
adern, aus den erweiterten Veraͤſtelungen der Nerven-
roͤhrchen, wofern einige da ſind; dieſe Aeſte ſind nunmehr
weit genung, um ſo viel Nervenſaft einzunehmen, als zur
Hervorbringung der Empfindlichkeit nothwendig iſt.
Nach dem Unterbinden, oder Schlagaderſaͤkken, hat Nie-
mand einen geſunden, markigen Nerven wieder wachſen
geſehen.

Man ſiehet, wohin dieſes zielen ſoll. Da die
Schlagadern Muskeln und Nerven haben: und da ſich
weder eine Muskelfaſer wieder erzeuget, noch eine Ner-
ve, ſo ſcheinet es nicht, daß eine Schlagader aus einem
durchborten Fadengewebe habe entſtehen koͤnnen.

Wenn man nur die Sache ein wenig uͤberlegt, ſo
wird man nicht einſehen, wie die auf ſolche Art zuſam-
mengebakkte Schlagader, die um ſie herumlaufende Ner-
ven anzunehmen im Stande ſey. Es entſtehen nemlich
die Nerven, wenn es irgend ein Theil in der Frucht thut,
zu allererſt, ſie ſind die erſten, und man erſiehet dieſes
aus dem Exempel des groſſen Kopfes, und des groſſen
Ruͤkkenmarkes. Und doch waren, nach dem Erkennt-
niſſe dieſes beruͤhmten Mannes zu derſelben Zeit, keine
Schlagadern, obgleich Frucht, Gehirn und Ruͤkkenmark
(m) ohne eine Aorte oder Halsſchlagadern vorhanden
waren.

Dieſes lehrte die Theorie. Wenn ich aber genau
erwaͤge, was an einem Huͤhnchen in einem bebruͤteten
Eye vorgeht, ſo ſehe ich hinlaͤnglich ein, daß weder
Schlagadern, noch Blutadern, vermittelſt eines nach und
nach bewirkten Fortſchrittes eines Saftes zwiſchen den
celluloͤſen Raͤumen hervorgebracht werden. Es ſahe der
beruͤhmte Wolf (n) die Erzeugung des rothen Blutes,
welches allmaͤhlich vom Herzen nach dem weiter entlege-
nen Theile einer Schlagader, ſeinen Gang fortſezzt, und

das-
(m) [Spaltenumbruch] WOLF p. 86.
(n) [Spaltenumbruch] p. 73. 77. &c.
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[455[457]/0509] IV. Abſ. Das Leben der Frucht. pfindlich waren; wir erklaͤren dieſes wie bei den Schlag- adern, aus den erweiterten Veraͤſtelungen der Nerven- roͤhrchen, wofern einige da ſind; dieſe Aeſte ſind nunmehr weit genung, um ſo viel Nervenſaft einzunehmen, als zur Hervorbringung der Empfindlichkeit nothwendig iſt. Nach dem Unterbinden, oder Schlagaderſaͤkken, hat Nie- mand einen geſunden, markigen Nerven wieder wachſen geſehen. Man ſiehet, wohin dieſes zielen ſoll. Da die Schlagadern Muskeln und Nerven haben: und da ſich weder eine Muskelfaſer wieder erzeuget, noch eine Ner- ve, ſo ſcheinet es nicht, daß eine Schlagader aus einem durchborten Fadengewebe habe entſtehen koͤnnen. Wenn man nur die Sache ein wenig uͤberlegt, ſo wird man nicht einſehen, wie die auf ſolche Art zuſam- mengebakkte Schlagader, die um ſie herumlaufende Ner- ven anzunehmen im Stande ſey. Es entſtehen nemlich die Nerven, wenn es irgend ein Theil in der Frucht thut, zu allererſt, ſie ſind die erſten, und man erſiehet dieſes aus dem Exempel des groſſen Kopfes, und des groſſen Ruͤkkenmarkes. Und doch waren, nach dem Erkennt- niſſe dieſes beruͤhmten Mannes zu derſelben Zeit, keine Schlagadern, obgleich Frucht, Gehirn und Ruͤkkenmark (m) ohne eine Aorte oder Halsſchlagadern vorhanden waren. Dieſes lehrte die Theorie. Wenn ich aber genau erwaͤge, was an einem Huͤhnchen in einem bebruͤteten Eye vorgeht, ſo ſehe ich hinlaͤnglich ein, daß weder Schlagadern, noch Blutadern, vermittelſt eines nach und nach bewirkten Fortſchrittes eines Saftes zwiſchen den celluloͤſen Raͤumen hervorgebracht werden. Es ſahe der beruͤhmte Wolf (n) die Erzeugung des rothen Blutes, welches allmaͤhlich vom Herzen nach dem weiter entlege- nen Theile einer Schlagader, ſeinen Gang fortſezzt, und das- (m) WOLF p. 86. (n) p. 73. 77. &c. F f 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 455[457]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/509>, abgerufen am 23.11.2024.