gar, wenn sich die Mutter feste in den Kopf gesezzt hat- te, daß sie verstümmelte Kinder, für Schrekken an die Welt bringen würde, welchen sie sich empfunden zu haben einbildeten (b). Folglich können nicht einmal die Frauenspersonen von ihren künftigen Muttermälern die Prophetinnen abgeben oder sie vorhersagen (c).
Jm Gegentheile haben nicht selten Männer, welche in der Hebammenkunst Erfahrung hatten, Unförmlich- keiten, Muttermäler (d) und Misgeburten, an die Welt kommen gesehen, wo nicht der mindeste Verdacht von einem Schrekken Statt hatte. So kommen blind- geborne Kinder (f) von gesunden Aeltern ohne ein Ver- sehen zur Welt. Wenn aber Weiber an ihrem geliebten Kinde was unförmliches zu erblikken anfangen, so pfle- gen sie allen Zufällen ihrer ganzen Schwangerschaft so lange nachzudenken, bis sie sich, und dieses kostet nicht eben viel Kopfbrechen, eines geöffneten Thieres, einer blutenden Wunde, eines Falles, oder eines ungewöhn- lichen Thieres erinnern, welches ihnen unvermuthet vor- gekommen, und sogleich machen sie dieses Phänomen der Hauswirthschaft zu der Jnfluenz, von der die Ge- brechen der Frucht ihren Ursprung genommen. Und so schreibt man einerlei Muttermäler, nach der ver- schiedenen Exegetik des Aberglaubens in verschiedenen Himmelsstrichen, unter den verschiednen Religionen, und Denkungsarten, auch verschiednen Ursachen zu (g).
Wenn ich die Zeugnisse der Schriftsteller, mit ein- ander vergleiche, so finde ich, daß die, in der Hebam- (a) (e)
men-
(b)SMELLIE PANAROLUS Pentec. II. obs. 50. ROEDERER p. 75.
(c)[Spaltenumbruch]BUFFON II. p. 405.
(d)ROEDERER p. 73 74.
(f)FABRIC. Sciagraph. p. 57. 58
(g)THEBES. Hebammenkunst p. 165.
(a)[Spaltenumbruch]BLONDEL p. 18. u. s. f. SMELLIE cases p. 210. 211. 222. Lettres sur l' imagination p. 190.
(e)SMELLIE p. 222.
Q 2
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
gar, wenn ſich die Mutter feſte in den Kopf geſezzt hat- te, daß ſie verſtuͤmmelte Kinder, fuͤr Schrekken an die Welt bringen wuͤrde, welchen ſie ſich empfunden zu haben einbildeten (b). Folglich koͤnnen nicht einmal die Frauensperſonen von ihren kuͤnftigen Muttermaͤlern die Prophetinnen abgeben oder ſie vorherſagen (c).
Jm Gegentheile haben nicht ſelten Maͤnner, welche in der Hebammenkunſt Erfahrung hatten, Unfoͤrmlich- keiten, Muttermaͤler (d) und Misgeburten, an die Welt kommen geſehen, wo nicht der mindeſte Verdacht von einem Schrekken Statt hatte. So kommen blind- geborne Kinder (f) von geſunden Aeltern ohne ein Ver- ſehen zur Welt. Wenn aber Weiber an ihrem geliebten Kinde was unfoͤrmliches zu erblikken anfangen, ſo pfle- gen ſie allen Zufaͤllen ihrer ganzen Schwangerſchaft ſo lange nachzudenken, bis ſie ſich, und dieſes koſtet nicht eben viel Kopfbrechen, eines geoͤffneten Thieres, einer blutenden Wunde, eines Falles, oder eines ungewoͤhn- lichen Thieres erinnern, welches ihnen unvermuthet vor- gekommen, und ſogleich machen ſie dieſes Phaͤnomen der Hauswirthſchaft zu der Jnfluenz, von der die Ge- brechen der Frucht ihren Urſprung genommen. Und ſo ſchreibt man einerlei Muttermaͤler, nach der ver- ſchiedenen Exegetik des Aberglaubens in verſchiedenen Himmelsſtrichen, unter den verſchiednen Religionen, und Denkungsarten, auch verſchiednen Urſachen zu (g).
Wenn ich die Zeugniſſe der Schriftſteller, mit ein- ander vergleiche, ſo finde ich, daß die, in der Hebam- (a) (e)
men-
(b)SMELLIE PANAROLUS Pentec. II. obſ. 50. ROEDERER p. 75.
(c)[Spaltenumbruch]BUFFON II. p. 405.
(d)ROEDERER p. 73 74.
(f)FABRIC. Sciagraph. p. 57. 58
(g)THEBES. Hebammenkunſt p. 165.
(a)[Spaltenumbruch]BLONDEL p. 18. u. ſ. f. SMELLIE caſes p. 210. 211. 222. Lettres ſur l’ imagination p. 190.
(e)SMELLIE p. 222.
Q 2
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II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
gar, wenn ſich die Mutter feſte in den Kopf geſezzt hat-
te, daß ſie verſtuͤmmelte Kinder, fuͤr Schrekken an die
Welt bringen wuͤrde, welchen ſie ſich empfunden zu
haben einbildeten (b). Folglich koͤnnen nicht einmal die
Frauensperſonen von ihren kuͤnftigen Muttermaͤlern die
Prophetinnen abgeben oder ſie vorherſagen (c).
Jm Gegentheile haben nicht ſelten Maͤnner, welche
in der Hebammenkunſt Erfahrung hatten, Unfoͤrmlich-
keiten, Muttermaͤler (d) und Misgeburten, an die
Welt kommen geſehen, wo nicht der mindeſte Verdacht
von einem Schrekken Statt hatte. So kommen blind-
geborne Kinder (f) von geſunden Aeltern ohne ein Ver-
ſehen zur Welt. Wenn aber Weiber an ihrem geliebten
Kinde was unfoͤrmliches zu erblikken anfangen, ſo pfle-
gen ſie allen Zufaͤllen ihrer ganzen Schwangerſchaft ſo
lange nachzudenken, bis ſie ſich, und dieſes koſtet nicht
eben viel Kopfbrechen, eines geoͤffneten Thieres, einer
blutenden Wunde, eines Falles, oder eines ungewoͤhn-
lichen Thieres erinnern, welches ihnen unvermuthet vor-
gekommen, und ſogleich machen ſie dieſes Phaͤnomen
der Hauswirthſchaft zu der Jnfluenz, von der die Ge-
brechen der Frucht ihren Urſprung genommen. Und
ſo ſchreibt man einerlei Muttermaͤler, nach der ver-
ſchiedenen Exegetik des Aberglaubens in verſchiedenen
Himmelsſtrichen, unter den verſchiednen Religionen,
und Denkungsarten, auch verſchiednen Urſachen zu (g).
Wenn ich die Zeugniſſe der Schriftſteller, mit ein-
ander vergleiche, ſo finde ich, daß die, in der Hebam-
men-
(a)
(e)
(b) SMELLIE PANAROLUS
Pentec. II. obſ. 50. ROEDERER
p. 75.
(c)
BUFFON II. p. 405.
(d) ROEDERER p. 73 74.
(f) FABRIC. Sciagraph. p. 57.
58
(g) THEBES. Hebammenkunſt
p. 165.
(a)
BLONDEL p. 18. u. ſ. f.
SMELLIE caſes p. 210. 211. 222.
Lettres ſur l’ imagination p. 190.
(e) SMELLIE p. 222.
Q 2
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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