ich, soll diese Kraft in einem Thiere so verschiedene Theile jederzeit an einer, und eben derselben Stelle, und jerderzeit nach einerlei Vorbilde erbauen; wofern es eine unorganische, veränderliche Materie ist, welche die lei- dende Fähigkeit besizzet, alle Figuren an sich zu nehmen?
Warum erbaut diese Kraft, ohne sich jemals zu verirren, aus der gemischten Materie einer Henne, alle- zeit ein Hühnchen, und aus dem Pfauen einen Pfau? Man nimmt nichts als eine erweiternde, und fortschrei- tende Kraft an. Jch würde von dieser nichts weiter er- warten, als daß das Nezze der Gefässe so lange immer weiter werden könnte, als die erweiternde Kraft, der zu überwältigenden Residenz gewachsen oder gleich ist. Warum wird aber anstatt dieses Nezzes, ein Herz, ein Kopf, ein Gehirn, und eine Niere erbaut? warum herrscht in jedem einzelnen Thiere eine gewisse, ihm eigene Ordnung unter den Theilen? Auf diese Fragen bleibt man uns die Antwort schuldig.
§. 16. Damit verwante Meinungen andrer Gelehrten.
Von diesem berühmten Mann weichen nur ein we- nig diejenigen ab, welche bei einem geringern Fleisse, die Theile des menschlichen Körpers auf eine mechanische Weise, nach den allgemeinen Gesezzen (f) oder durch eine Art von Fermentation entstehen lassen (g), oder welche sich die Vorstellung machen, daß sich die Be- kleidungen (h) vermittelst der Kälte, und der Ruhe (i)
bil-
(f)[Spaltenumbruch]GALENUS de semine L. I. CARTESIUS form. fet. und in tr. posthumo: de generatione anim. REGIUS Phil. natur. p. 304. DAR- TIGUELONGUE. apograph. re- rum. physic. medic. SENGUERD Phil. nat. p. 283. Von den Augen CHROUET tr. humor. ocul. p. 38.
(g)[Spaltenumbruch]DRELINCOURT concept. perioch. p. 31.
(h)CARTES form. fet. p. 231. und not. ad CARTES hom. p. 19.
(i)BAYLE p. 553. Le CAT. Mem. sur. le mouv. des muscul. p. 34. und vormals von den Häu- ten der Frucht. HIPPOCR. peri paid. phys. n. 2.
Die Frucht. XXIX. B.
ich, ſoll dieſe Kraft in einem Thiere ſo verſchiedene Theile jederzeit an einer, und eben derſelben Stelle, und jerderzeit nach einerlei Vorbilde erbauen; wofern es eine unorganiſche, veraͤnderliche Materie iſt, welche die lei- dende Faͤhigkeit beſizzet, alle Figuren an ſich zu nehmen?
Warum erbaut dieſe Kraft, ohne ſich jemals zu verirren, aus der gemiſchten Materie einer Henne, alle- zeit ein Huͤhnchen, und aus dem Pfauen einen Pfau? Man nimmt nichts als eine erweiternde, und fortſchrei- tende Kraft an. Jch wuͤrde von dieſer nichts weiter er- warten, als daß das Nezze der Gefaͤſſe ſo lange immer weiter werden koͤnnte, als die erweiternde Kraft, der zu uͤberwaͤltigenden Reſidenz gewachſen oder gleich iſt. Warum wird aber anſtatt dieſes Nezzes, ein Herz, ein Kopf, ein Gehirn, und eine Niere erbaut? warum herrſcht in jedem einzelnen Thiere eine gewiſſe, ihm eigene Ordnung unter den Theilen? Auf dieſe Fragen bleibt man uns die Antwort ſchuldig.
§. 16. Damit verwante Meinungen andrer Gelehrten.
Von dieſem beruͤhmten Mann weichen nur ein we- nig diejenigen ab, welche bei einem geringern Fleiſſe, die Theile des menſchlichen Koͤrpers auf eine mechaniſche Weiſe, nach den allgemeinen Geſezzen (f) oder durch eine Art von Fermentation entſtehen laſſen (g), oder welche ſich die Vorſtellung machen, daß ſich die Be- kleidungen (h) vermittelſt der Kaͤlte, und der Ruhe (i)
bil-
(f)[Spaltenumbruch]GALENUS de ſemine L. I. CARTESIUS form. fet. und in tr. poſthumo: de generatione anim. REGIUS Phil. natur. p. 304. DAR- TIGUELONGUE. apograph. rè- rum. phyſic. medic. SENGUERD Phil. nat. p. 283. Von den Augen CHROUET tr. humor. ocul. p. 38.
(g)[Spaltenumbruch]DRELINCOURT concept. perioch. p. 31.
(h)CARTES form. fet. p. 231. und not. ad CARTES hom. p. 19.
(i)BAYLE p. 553. Le CAT. Mem. ſur. le mouv. des muſcul. p. 34. und vormals von den Haͤu- ten der Frucht. HIPPOCR. peri paid. phyſ. n. 2.
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Die Frucht. XXIX. B.
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Theile jederzeit an einer, und eben derſelben Stelle, und
jerderzeit nach einerlei Vorbilde erbauen; wofern es eine
unorganiſche, veraͤnderliche Materie iſt, welche die lei-
dende Faͤhigkeit beſizzet, alle Figuren an ſich zu nehmen?
Warum erbaut dieſe Kraft, ohne ſich jemals zu
verirren, aus der gemiſchten Materie einer Henne, alle-
zeit ein Huͤhnchen, und aus dem Pfauen einen Pfau?
Man nimmt nichts als eine erweiternde, und fortſchrei-
tende Kraft an. Jch wuͤrde von dieſer nichts weiter er-
warten, als daß das Nezze der Gefaͤſſe ſo lange immer
weiter werden koͤnnte, als die erweiternde Kraft, der zu
uͤberwaͤltigenden Reſidenz gewachſen oder gleich iſt.
Warum wird aber anſtatt dieſes Nezzes, ein Herz, ein
Kopf, ein Gehirn, und eine Niere erbaut? warum
herrſcht in jedem einzelnen Thiere eine gewiſſe, ihm
eigene Ordnung unter den Theilen? Auf dieſe Fragen
bleibt man uns die Antwort ſchuldig.
§. 16.
Damit verwante Meinungen andrer Gelehrten.
Von dieſem beruͤhmten Mann weichen nur ein we-
nig diejenigen ab, welche bei einem geringern Fleiſſe,
die Theile des menſchlichen Koͤrpers auf eine mechaniſche
Weiſe, nach den allgemeinen Geſezzen (f) oder durch
eine Art von Fermentation entſtehen laſſen (g), oder
welche ſich die Vorſtellung machen, daß ſich die Be-
kleidungen (h) vermittelſt der Kaͤlte, und der Ruhe (i)
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GALENUS de ſemine L. I.
CARTESIUS form. fet. und in tr.
poſthumo: de generatione anim.
REGIUS Phil. natur. p. 304. DAR-
TIGUELONGUE. apograph. rè-
rum. phyſic. medic. SENGUERD
Phil. nat. p. 283. Von den Augen
CHROUET tr. humor. ocul.
p. 38.
(g)
DRELINCOURT concept.
perioch. p. 31.
(h) CARTES form. fet. p. 231.
und not. ad CARTES hom. p. 19.
(i) BAYLE p. 553. Le CAT.
Mem. ſur. le mouv. des muſcul.
p. 34. und vormals von den Haͤu-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/254>, abgerufen am 23.11.2024.
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