Folglich höre ich nun desto lieber den Karl Bon- net an (c), welcher vermuthet, daß sich bey den mi- kroskopischen Betrachtungen, welche nothwendig Zeit kosten, Thierchen aus der Luft in die zubereiteten Säfte mit einschleichen können (d). Hierzu kam noch das An- sehen des Peter v. Musschenbroek, dieses so fleißi- gen und aufrichtigen Mannes. Die auf gewöhnliche Art verstopfte Gläser hindern nicht die Erzeugung der mikroskopischen Thiere (e): hält man aber genau alle Luft ab, so hat sich in der Fleischbrühe, wenn man gleich den Versuch noch so oft wiederholt, nichts leben- diges erzeugen wollen (f).
Mir scheinet es noch nicht erwiesen zu seyn (g), daß die Hizze des siedenden Wassers alles thierische Leben zer- stören sollte. So stirbt der kleine Rüsselkefer nicht in einer Hizze von 80 Graden (h), die doch der Grad des siedenden Wassers ist, und es giebt eine Raupe, wel- che eben diese Hizze vertragen kann. Die Kraft zu keimen zernichtet nicht einmal der neunzigste Thermo- metergrad. Ein berühmter Mann nennt ein Mäd- chen, welche hundert und funfzehn (i) Grade Hizze nach dem reaumurschen Thermometer ausstehen konnte,
und
[Spaltenumbruch]
thet dieser berühmte Mann, daß man den bisherigen Ver- suchen nicht den Beweiß zu- trauen müsse, daß aus der Luft keine Mikroskopenthiere kämen. Man könne leicht im Abhalten der Luft fehlen p. 83. 84 85. Und da derselbe viele Thiere in einem Wasser, worinnen al- lerlei Abgang eingeweicht war, von Fliegen entstehen gesehen, so findet dennoch der Verdacht bei ihm statt, daß auch andere eben diesen Ursprung haben können, ob man gleich die Flie- [Spaltenumbruch]
genmütter nicht zu sehen be- komme.
(c)Corps organises II. p. 213.
(d) So von seinen Thierchen JOBLOTUS.
(e)Introduct. p. 54.
(f)Idem ibid.
(g) Dies leugnete schon PAR- SONS generat. p. 102. 103.
(h)Du HAMEL Infect. de l'An- goumois.
(i)Ibid. p. 260. Selbst des Cl. BUFFONII. Freunde leugnen, daß die Form der organischen Stoffe vom Feuer zerstört werde. PAN- COUKE p. 189.
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
Folglich hoͤre ich nun deſto lieber den Karl Bon- net an (c), welcher vermuthet, daß ſich bey den mi- kroskopiſchen Betrachtungen, welche nothwendig Zeit koſten, Thierchen aus der Luft in die zubereiteten Saͤfte mit einſchleichen koͤnnen (d). Hierzu kam noch das An- ſehen des Peter v. Musſchenbroek, dieſes ſo fleißi- gen und aufrichtigen Mannes. Die auf gewoͤhnliche Art verſtopfte Glaͤſer hindern nicht die Erzeugung der mikroskopiſchen Thiere (e): haͤlt man aber genau alle Luft ab, ſo hat ſich in der Fleiſchbruͤhe, wenn man gleich den Verſuch noch ſo oft wiederholt, nichts leben- diges erzeugen wollen (f).
Mir ſcheinet es noch nicht erwieſen zu ſeyn (g), daß die Hizze des ſiedenden Waſſers alles thieriſche Leben zer- ſtoͤren ſollte. So ſtirbt der kleine Ruͤſſelkefer nicht in einer Hizze von 80 Graden (h), die doch der Grad des ſiedenden Waſſers iſt, und es giebt eine Raupe, wel- che eben dieſe Hizze vertragen kann. Die Kraft zu keimen zernichtet nicht einmal der neunzigſte Thermo- metergrad. Ein beruͤhmter Mann nennt ein Maͤd- chen, welche hundert und funfzehn (i) Grade Hizze nach dem reaumurſchen Thermometer ausſtehen konnte,
und
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thet dieſer beruͤhmte Mann, daß man den bisherigen Ver- ſuchen nicht den Beweiß zu- trauen muͤſſe, daß aus der Luft keine Mikroſkopenthiere kaͤmen. Man koͤnne leicht im Abhalten der Luft fehlen p. 83. 84 85. Und da derſelbe viele Thiere in einem Waſſer, worinnen al- lerlei Abgang eingeweicht war, von Fliegen entſtehen geſehen, ſo findet dennoch der Verdacht bei ihm ſtatt, daß auch andere eben dieſen Urſprung haben koͤnnen, ob man gleich die Flie- [Spaltenumbruch]
genmuͤtter nicht zu ſehen be- komme.
(c)Corps organiſes II. p. 213.
(d) So von ſeinen Thierchen JOBLOTUS.
(e)Introduct. p. 54.
(f)Idem ibid.
(g) Dies leugnete ſchon PAR- SONS generat. p. 102. 103.
(h)Du HAMEL Infect. de l’An- goumois.
(i)Ibid. p. 260. Selbſt des Cl. BUFFONII. Freunde leugnen, daß die Form der organiſchen Stoffe vom Feuer zerſtoͤrt werde. PAN- COUKE p. 189.
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II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
Folglich hoͤre ich nun deſto lieber den Karl Bon-
net an (c), welcher vermuthet, daß ſich bey den mi-
kroskopiſchen Betrachtungen, welche nothwendig Zeit
koſten, Thierchen aus der Luft in die zubereiteten Saͤfte
mit einſchleichen koͤnnen (d). Hierzu kam noch das An-
ſehen des Peter v. Musſchenbroek, dieſes ſo fleißi-
gen und aufrichtigen Mannes. Die auf gewoͤhnliche
Art verſtopfte Glaͤſer hindern nicht die Erzeugung der
mikroskopiſchen Thiere (e): haͤlt man aber genau alle
Luft ab, ſo hat ſich in der Fleiſchbruͤhe, wenn man
gleich den Verſuch noch ſo oft wiederholt, nichts leben-
diges erzeugen wollen (f).
Mir ſcheinet es noch nicht erwieſen zu ſeyn (g), daß
die Hizze des ſiedenden Waſſers alles thieriſche Leben zer-
ſtoͤren ſollte. So ſtirbt der kleine Ruͤſſelkefer nicht in
einer Hizze von 80 Graden (h), die doch der Grad des
ſiedenden Waſſers iſt, und es giebt eine Raupe, wel-
che eben dieſe Hizze vertragen kann. Die Kraft zu
keimen zernichtet nicht einmal der neunzigſte Thermo-
metergrad. Ein beruͤhmter Mann nennt ein Maͤd-
chen, welche hundert und funfzehn (i) Grade Hizze
nach dem reaumurſchen Thermometer ausſtehen konnte,
und
(a)
(c) Corps organiſes II. p. 213.
(d) So von ſeinen Thierchen
JOBLOTUS.
(e) Introduct. p. 54.
(f) Idem ibid.
(g) Dies leugnete ſchon PAR-
SONS generat. p. 102. 103.
(h) Du HAMEL Infect. de l’An-
goumois.
(i) Ibid. p. 260. Selbſt des
Cl. BUFFONII. Freunde leugnen,
daß die Form der organiſchen Stoffe
vom Feuer zerſtoͤrt werde. PAN-
COUKE p. 189.
(a)
thet dieſer beruͤhmte Mann,
daß man den bisherigen Ver-
ſuchen nicht den Beweiß zu-
trauen muͤſſe, daß aus der Luft
keine Mikroſkopenthiere kaͤmen.
Man koͤnne leicht im Abhalten
der Luft fehlen p. 83. 84 85.
Und da derſelbe viele Thiere
in einem Waſſer, worinnen al-
lerlei Abgang eingeweicht war,
von Fliegen entſtehen geſehen,
ſo findet dennoch der Verdacht
bei ihm ſtatt, daß auch andere
eben dieſen Urſprung haben
koͤnnen, ob man gleich die Flie-
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komme.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/241>, abgerufen am 27.11.2024.
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