Doch es ist diese angegebene Gewohnheit so zuver- läßig nicht, als man denkt. Denn die Raupe fängt ihr Lebensalter mit einer muntern Bewegung an, sie kriecht, und sucht sich ihr Futter: verwandelt sie sich in eine Puppe, so liegt sie, unbegliedert stille, und erscheinet in ihrem Mittelalter, als ein abgestorbner Leichnam.
So sind, beim Reaumur, die Gallinsekten (p) in ihrer Jugend beweglich, sie verwandeln sich in ein unbe- wegliches Gezelt, und unter dem Schuzze desselben wach- sen die Jungen. Endlich hat der klopfende Punkt eine viel vermögende Bewegung: und es läßt sich nicht mit Ueberzeugung sagen, daß es nicht ehe klopfen sollte, als man es Klopfen sieht. Denn da in den ersten acht und vierzig Stunden das Bläschen, die Fruchthaut, und die Frucht selbst, an Grösse wachsen (q), so ist kein Zweifel, daß nicht das Herz bereits geschlagen haben sollte, weil davon das Wachsthum dieser Theile, und der ganzen Frucht abhängt. Es macht aber die Durch- sichtigkeit (r) und die kleine Grösse der Frucht (r) diese Bewegung undeutlich.
Folglich könnte es geschehen, daß sich die Bewegung des Saamenwürmchens nicht vermindert, nachdem es sich zu einem Schiffgen, und Hühnchenfrucht verwan- delt hat.
Ein Wurm gehe, ohne eine Puppe zu werden (s), in den Zustand eines vollkommnen Thieres über, sagen
einige
(p)[Spaltenumbruch]Anc. mem. T. X. GEOF- ROI Insect. I. p. 499.
(q)Form. du poulet. P. I. p. 42. 43. 44.
(r)Ibid. p. 178.
(r)Ibid. p. 178.
(s)VALISNERI c. 10. n. 6. MAITREIEAN p. 305. Vor kur- zem bestäeigte der berühmte Ritter C. v. LINNAEUS, es sei ein Fisch, welcher im Surinam zum Frosche werde, nicht aber, daß der Frosch [Spaltenumbruch]
zum Fische werde. Mus. Regiro T. II. pid. p. 40. Jch finde aber in des Mauritii CAPPELER, die- ses ehrwürdigen Greises noch nicht heraus gegebner Besehreibung des Pilatusberges, daß in den Seen bei S. Urban Frösche sind, mit grossem Schwanze, kleinem Mun- de, die man nicht für Kaulpadden, oder unvollkommne Thiere halten kann. Daher ist diese ganze Ver-
wand-
K 2
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
Doch es iſt dieſe angegebene Gewohnheit ſo zuver- laͤßig nicht, als man denkt. Denn die Raupe faͤngt ihr Lebensalter mit einer muntern Bewegung an, ſie kriecht, und ſucht ſich ihr Futter: verwandelt ſie ſich in eine Puppe, ſo liegt ſie, unbegliedert ſtille, und erſcheinet in ihrem Mittelalter, als ein abgeſtorbner Leichnam.
So ſind, beim Reaumur, die Gallinſekten (p) in ihrer Jugend beweglich, ſie verwandeln ſich in ein unbe- wegliches Gezelt, und unter dem Schuzze deſſelben wach- ſen die Jungen. Endlich hat der klopfende Punkt eine viel vermoͤgende Bewegung: und es laͤßt ſich nicht mit Ueberzeugung ſagen, daß es nicht ehe klopfen ſollte, als man es Klopfen ſieht. Denn da in den erſten acht und vierzig Stunden das Blaͤschen, die Fruchthaut, und die Frucht ſelbſt, an Groͤſſe wachſen (q), ſo iſt kein Zweifel, daß nicht das Herz bereits geſchlagen haben ſollte, weil davon das Wachsthum dieſer Theile, und der ganzen Frucht abhaͤngt. Es macht aber die Durch- ſichtigkeit (r) und die kleine Groͤſſe der Frucht (r) dieſe Bewegung undeutlich.
Folglich koͤnnte es geſchehen, daß ſich die Bewegung des Saamenwuͤrmchens nicht vermindert, nachdem es ſich zu einem Schiffgen, und Huͤhnchenfrucht verwan- delt hat.
Ein Wurm gehe, ohne eine Puppe zu werden (s), in den Zuſtand eines vollkommnen Thieres uͤber, ſagen
einige
(p)[Spaltenumbruch]Anc. mem. T. X. GEOF- ROI Inſect. I. p. 499.
(q)Form. du poulet. P. I. p. 42. 43. 44.
(r)Ibid. p. 178.
(r)Ibid. p. 178.
(s)VALISNERI c. 10. n. 6. MAITREIEAN p. 305. Vor kur- zem beſtaͤeigte der beruͤhmte Ritter C. v. LINNAEUS, es ſei ein Fiſch, welcher im Surinam zum Froſche werde, nicht aber, daß der Froſch [Spaltenumbruch]
zum Fiſche werde. Muſ. Regiro T. II. pid. p. 40. Jch finde aber in des Mauritii CAPPELER, die- ſes ehrwuͤrdigen Greiſes noch nicht heraus gegebner Beſehreibung des Pilatusberges, daß in den Seen bei S. Urban Froͤſche ſind, mit groſſem Schwanze, kleinem Mun- de, die man nicht fuͤr Kaulpadden, oder unvollkommne Thiere halten kann. Daher iſt dieſe ganze Ver-
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Doch es iſt dieſe angegebene Gewohnheit ſo zuver-
laͤßig nicht, als man denkt. Denn die Raupe faͤngt ihr
Lebensalter mit einer muntern Bewegung an, ſie kriecht,
und ſucht ſich ihr Futter: verwandelt ſie ſich in eine
Puppe, ſo liegt ſie, unbegliedert ſtille, und erſcheinet
in ihrem Mittelalter, als ein abgeſtorbner Leichnam.
So ſind, beim Reaumur, die Gallinſekten (p) in
ihrer Jugend beweglich, ſie verwandeln ſich in ein unbe-
wegliches Gezelt, und unter dem Schuzze deſſelben wach-
ſen die Jungen. Endlich hat der klopfende Punkt eine
viel vermoͤgende Bewegung: und es laͤßt ſich nicht mit
Ueberzeugung ſagen, daß es nicht ehe klopfen ſollte, als
man es Klopfen ſieht. Denn da in den erſten acht und
vierzig Stunden das Blaͤschen, die Fruchthaut, und
die Frucht ſelbſt, an Groͤſſe wachſen (q), ſo iſt kein
Zweifel, daß nicht das Herz bereits geſchlagen haben
ſollte, weil davon das Wachsthum dieſer Theile, und
der ganzen Frucht abhaͤngt. Es macht aber die Durch-
ſichtigkeit (r) und die kleine Groͤſſe der Frucht (r) dieſe
Bewegung undeutlich.
Folglich koͤnnte es geſchehen, daß ſich die Bewegung
des Saamenwuͤrmchens nicht vermindert, nachdem es
ſich zu einem Schiffgen, und Huͤhnchenfrucht verwan-
delt hat.
Ein Wurm gehe, ohne eine Puppe zu werden (s),
in den Zuſtand eines vollkommnen Thieres uͤber, ſagen
einige
(p)
Anc. mem. T. X. GEOF-
ROI Inſect. I. p. 499.
(q) Form. du poulet. P. I. p.
42. 43. 44.
(r) Ibid. p. 178.
(r) Ibid. p. 178.
(s) VALISNERI c. 10. n. 6.
MAITREIEAN p. 305. Vor kur-
zem beſtaͤeigte der beruͤhmte Ritter
C. v. LINNAEUS, es ſei ein Fiſch,
welcher im Surinam zum Froſche
werde, nicht aber, daß der Froſch
zum Fiſche werde. Muſ. Regiro
T. II. pid. p. 40. Jch finde aber
in des Mauritii CAPPELER, die-
ſes ehrwuͤrdigen Greiſes noch nicht
heraus gegebner Beſehreibung des
Pilatusberges, daß in den Seen
bei S. Urban Froͤſche ſind, mit
groſſem Schwanze, kleinem Mun-
de, die man nicht fuͤr Kaulpadden,
oder unvollkommne Thiere halten
kann. Daher iſt dieſe ganze Ver-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/199>, abgerufen am 05.12.2024.
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