dammer (m) die Anmerkung, daß verrükkte Personen ange Leben. So war auch der Parre und die meisten, welche sich durch ein hohes Alter vor andern auszeichnen, Bauern, von denen sich, ohne daß man sich dem ver- wegenen Argwohn aussezzen sollte, nichts als ein mittel- mäßiger Verstand vermuthen läst.
Jch will damit so viel sagen, daß ich die übermäßige Sorgen für das ärgste Gift ansehe: und ich glaube, daß gemäßigte Freuden, welche an eine Art von Unempfind- lichkeit gränzen, und die Hofnung vor Augen haben, das Leben am besten unterhalten. Daher kann auch bei einem geschäftigen Leben ein günstiges Glükk, und eine freudige, aufgeheiterte Seele den Masanissa, so wie die Liebe der Bürger den Hiero zu einem hohen Alter gebracht haben.
Nun weiß der Haufen der Unsinnigen nichts von Sorgen, und auch selbst das Volk der Landleute überläst sich diesem Schleichgifte wenig, indem es von dem Ehr- geitze der hohen Talente, oder der Ehrenstellen, frey ist, und sich weder mit der Reue des Vergangenen, noch mit einer sorgenden Aussicht in das Zukünftige quällt, son- dern in diesem Stükke mit den Kindern einerlei Glükk genießt.
Und dennoch haben wir Weltweise, wenn sie nicht vom Ehrgeitze beherrscht worden, sondern eine gemäßigte Begierde bei allen Dingen äusserten, z. E. den H. Slo- ane und Fontenelle, so wie den Freund der Lustigkei- ten Demokrit alt werden gesehen. F. Bacon lobt die natürliche Philosophie (n), und ein frommes Leben, welches die Reize zu dem Gegenwärtigen bezwingen lehrt, und das Gemüth zu denenjenigen Gütern öfnet, welche sich auf tröstende Hofnungen gründen (o).
Ge-
(m)[Spaltenumbruch]UFFENBACH Reisen T. III. p. 588.
(n)[Spaltenumbruch]p. 182.
(o)p. 80.
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
dammer (m) die Anmerkung, daß verruͤkkte Perſonen ange Leben. So war auch der Parre und die meiſten, welche ſich durch ein hohes Alter vor andern auszeichnen, Bauern, von denen ſich, ohne daß man ſich dem ver- wegenen Argwohn ausſezzen ſollte, nichts als ein mittel- maͤßiger Verſtand vermuthen laͤſt.
Jch will damit ſo viel ſagen, daß ich die uͤbermaͤßige Sorgen fuͤr das aͤrgſte Gift anſehe: und ich glaube, daß gemaͤßigte Freuden, welche an eine Art von Unempfind- lichkeit graͤnzen, und die Hofnung vor Augen haben, das Leben am beſten unterhalten. Daher kann auch bei einem geſchaͤftigen Leben ein guͤnſtiges Gluͤkk, und eine freudige, aufgeheiterte Seele den Maſaniſſa, ſo wie die Liebe der Buͤrger den Hiero zu einem hohen Alter gebracht haben.
Nun weiß der Haufen der Unſinnigen nichts von Sorgen, und auch ſelbſt das Volk der Landleute uͤberlaͤſt ſich dieſem Schleichgifte wenig, indem es von dem Ehr- geitze der hohen Talente, oder der Ehrenſtellen, frey iſt, und ſich weder mit der Reue des Vergangenen, noch mit einer ſorgenden Ausſicht in das Zukuͤnftige quaͤllt, ſon- dern in dieſem Stuͤkke mit den Kindern einerlei Gluͤkk genießt.
Und dennoch haben wir Weltweiſe, wenn ſie nicht vom Ehrgeitze beherrſcht worden, ſondern eine gemaͤßigte Begierde bei allen Dingen aͤuſſerten, z. E. den H. Slo- ane und Fontenelle, ſo wie den Freund der Luſtigkei- ten Demokrit alt werden geſehen. F. Bacon lobt die natuͤrliche Philoſophie (n), und ein frommes Leben, welches die Reize zu dem Gegenwaͤrtigen bezwingen lehrt, und das Gemuͤth zu denenjenigen Guͤtern oͤfnet, welche ſich auf troͤſtende Hofnungen gruͤnden (o).
Ge-
(m)[Spaltenumbruch]UFFENBACH Reiſen T. III. p. 588.
(n)[Spaltenumbruch]p. 182.
(o)p. 80.
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[970[972]/1024]
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
dammer (m) die Anmerkung, daß verruͤkkte Perſonen
ange Leben. So war auch der Parre und die meiſten,
welche ſich durch ein hohes Alter vor andern auszeichnen,
Bauern, von denen ſich, ohne daß man ſich dem ver-
wegenen Argwohn ausſezzen ſollte, nichts als ein mittel-
maͤßiger Verſtand vermuthen laͤſt.
Jch will damit ſo viel ſagen, daß ich die uͤbermaͤßige
Sorgen fuͤr das aͤrgſte Gift anſehe: und ich glaube, daß
gemaͤßigte Freuden, welche an eine Art von Unempfind-
lichkeit graͤnzen, und die Hofnung vor Augen haben,
das Leben am beſten unterhalten. Daher kann auch bei
einem geſchaͤftigen Leben ein guͤnſtiges Gluͤkk, und eine
freudige, aufgeheiterte Seele den Maſaniſſa, ſo wie
die Liebe der Buͤrger den Hiero zu einem hohen Alter
gebracht haben.
Nun weiß der Haufen der Unſinnigen nichts von
Sorgen, und auch ſelbſt das Volk der Landleute uͤberlaͤſt
ſich dieſem Schleichgifte wenig, indem es von dem Ehr-
geitze der hohen Talente, oder der Ehrenſtellen, frey iſt,
und ſich weder mit der Reue des Vergangenen, noch mit
einer ſorgenden Ausſicht in das Zukuͤnftige quaͤllt, ſon-
dern in dieſem Stuͤkke mit den Kindern einerlei Gluͤkk
genießt.
Und dennoch haben wir Weltweiſe, wenn ſie nicht
vom Ehrgeitze beherrſcht worden, ſondern eine gemaͤßigte
Begierde bei allen Dingen aͤuſſerten, z. E. den H. Slo-
ane und Fontenelle, ſo wie den Freund der Luſtigkei-
ten Demokrit alt werden geſehen. F. Bacon lobt
die natuͤrliche Philoſophie (n), und ein frommes Leben,
welches die Reize zu dem Gegenwaͤrtigen bezwingen lehrt,
und das Gemuͤth zu denenjenigen Guͤtern oͤfnet, welche
ſich auf troͤſtende Hofnungen gruͤnden (o).
Ge-
(m)
UFFENBACH Reiſen T.
III. p. 588.
(n)
p. 182.
(o) p. 80.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 970[972]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/1024>, abgerufen am 22.11.2024.
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