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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

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Der Magen. XIX. Buch.
pern auflöset, und nicht, nach der Gewonheit der sauren
Dinge, Fettigkeiten, Blut oder Flieswasser zum Gerin-
nen bringt, oder zu erdigen Dingen unwirksam sei, der-
gleichen die laugenhafte Salze sind. Wasser allein
schwächt alle Salze durch den Weg der Verdünnung (b),
daß es auch so gar die schrekkliche Kräfte des sublimirten
Queksilbers besänftigt. Wasser allein löset zähe Dinge
auf, und enthält das Blut flüßig. Wasser allein giebt
dem Blute und ganzen Körper seinen Grundstoff, wor-
aus wir vorzüglich oder auch einzig und allein gebaut wer-
den: indem die medicinische Tränke, die von den nordli-
chen Völkern, oder von den Reichen zur Mode gemacht
worden, an sauren und brennbaren Stoffen einen Ueber-
fluß haben, welche doch geschieden und abgeworfen wer-
den müssen, wenn man nicht will, daß so gleich die Mi-
schung des Blutes verderben, und die reizbare Natur
der Fasern stumpf werden soll. Daher haben die Abste-
mii einen bessern Appetit (c), Geschmakk, Geruch, Ge-
sicht und Gedächtnis (d). Jch schreibe es dem reinen
Wasser, dessen ich mich von meinem achtzehnten Jahre
her einzig und allein bediene, zu, daß ich nach so vielen
mikroskopjschen Arbeiten, die ich in heller Sonne verrich-
tet, alle Sinne, und sonderlich das Gesicht, noch so voll-
kommen gebrauchen kann, als ich sie als ein Kind hatte.

Man muß aber das Wasser selbst, wofern es gut ist,
trinken, so roh und kalt es uns die Natur giebt. Denn
dieses schmekkt nicht nur der Zunge lieblicher, sondern es
stillt auch den Durst besser, und schwächt die Fasern des
Magens nicht (e). Man ziehet solches also billig in den

heissen
(b) [Spaltenumbruch] Vei salzigem Blute mit
Nuzzen getrunken BRUNNER
gland. duod. fin.
(c) Gedoppelt stark CHEYNE
infirm. valet. p.
74. Wasser macht
gefräßig HIPP.
(d) Der dreißig Jahre sich des
[Spaltenumbruch] Weins enthalten, verlor viel von
seinem vortreflichen Gedächtnisse,
als er wieder Wein trank. SCHUL-
ZE de gran Kerm. p.
23.
(e) ROBINSON Ess. anim. oe-
con. II. p.
356.

Der Magen. XIX. Buch.
pern aufloͤſet, und nicht, nach der Gewonheit der ſauren
Dinge, Fettigkeiten, Blut oder Flieswaſſer zum Gerin-
nen bringt, oder zu erdigen Dingen unwirkſam ſei, der-
gleichen die laugenhafte Salze ſind. Waſſer allein
ſchwaͤcht alle Salze durch den Weg der Verduͤnnung (b),
daß es auch ſo gar die ſchrekkliche Kraͤfte des ſublimirten
Quekſilbers beſaͤnftigt. Waſſer allein loͤſet zaͤhe Dinge
auf, und enthaͤlt das Blut fluͤßig. Waſſer allein giebt
dem Blute und ganzen Koͤrper ſeinen Grundſtoff, wor-
aus wir vorzuͤglich oder auch einzig und allein gebaut wer-
den: indem die mediciniſche Traͤnke, die von den nordli-
chen Voͤlkern, oder von den Reichen zur Mode gemacht
worden, an ſauren und brennbaren Stoffen einen Ueber-
fluß haben, welche doch geſchieden und abgeworfen wer-
den muͤſſen, wenn man nicht will, daß ſo gleich die Mi-
ſchung des Blutes verderben, und die reizbare Natur
der Faſern ſtumpf werden ſoll. Daher haben die Abſte-
mii einen beſſern Appetit (c), Geſchmakk, Geruch, Ge-
ſicht und Gedaͤchtnis (d). Jch ſchreibe es dem reinen
Waſſer, deſſen ich mich von meinem achtzehnten Jahre
her einzig und allein bediene, zu, daß ich nach ſo vielen
mikroſkopjſchen Arbeiten, die ich in heller Sonne verrich-
tet, alle Sinne, und ſonderlich das Geſicht, noch ſo voll-
kommen gebrauchen kann, als ich ſie als ein Kind hatte.

Man muß aber das Waſſer ſelbſt, wofern es gut iſt,
trinken, ſo roh und kalt es uns die Natur giebt. Denn
dieſes ſchmekkt nicht nur der Zunge lieblicher, ſondern es
ſtillt auch den Durſt beſſer, und ſchwaͤcht die Faſern des
Magens nicht (e). Man ziehet ſolches alſo billig in den

heiſſen
(b) [Spaltenumbruch] Vei ſalzigem Blute mit
Nuzzen getrunken BRUNNER
gland. duod. fin.
(c) Gedoppelt ſtark CHEYNE
infirm. valet. p.
74. Waſſer macht
gefraͤßig HIPP.
(d) Der dreißig Jahre ſich des
[Spaltenumbruch] Weins enthalten, verlor viel von
ſeinem vortreflichen Gedaͤchtniſſe,
als er wieder Wein trank. SCHUL-
ZE de gran Kerm. p.
23.
(e) ROBINSON Eſſ. anim. oe-
con. II. p.
356.
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[346[362]/0382] Der Magen. XIX. Buch. pern aufloͤſet, und nicht, nach der Gewonheit der ſauren Dinge, Fettigkeiten, Blut oder Flieswaſſer zum Gerin- nen bringt, oder zu erdigen Dingen unwirkſam ſei, der- gleichen die laugenhafte Salze ſind. Waſſer allein ſchwaͤcht alle Salze durch den Weg der Verduͤnnung (b), daß es auch ſo gar die ſchrekkliche Kraͤfte des ſublimirten Quekſilbers beſaͤnftigt. Waſſer allein loͤſet zaͤhe Dinge auf, und enthaͤlt das Blut fluͤßig. Waſſer allein giebt dem Blute und ganzen Koͤrper ſeinen Grundſtoff, wor- aus wir vorzuͤglich oder auch einzig und allein gebaut wer- den: indem die mediciniſche Traͤnke, die von den nordli- chen Voͤlkern, oder von den Reichen zur Mode gemacht worden, an ſauren und brennbaren Stoffen einen Ueber- fluß haben, welche doch geſchieden und abgeworfen wer- den muͤſſen, wenn man nicht will, daß ſo gleich die Mi- ſchung des Blutes verderben, und die reizbare Natur der Faſern ſtumpf werden ſoll. Daher haben die Abſte- mii einen beſſern Appetit (c), Geſchmakk, Geruch, Ge- ſicht und Gedaͤchtnis (d). Jch ſchreibe es dem reinen Waſſer, deſſen ich mich von meinem achtzehnten Jahre her einzig und allein bediene, zu, daß ich nach ſo vielen mikroſkopjſchen Arbeiten, die ich in heller Sonne verrich- tet, alle Sinne, und ſonderlich das Geſicht, noch ſo voll- kommen gebrauchen kann, als ich ſie als ein Kind hatte. Man muß aber das Waſſer ſelbſt, wofern es gut iſt, trinken, ſo roh und kalt es uns die Natur giebt. Denn dieſes ſchmekkt nicht nur der Zunge lieblicher, ſondern es ſtillt auch den Durſt beſſer, und ſchwaͤcht die Faſern des Magens nicht (e). Man ziehet ſolches alſo billig in den heiſſen (b) Vei ſalzigem Blute mit Nuzzen getrunken BRUNNER gland. duod. fin. (c) Gedoppelt ſtark CHEYNE infirm. valet. p. 74. Waſſer macht gefraͤßig HIPP. (d) Der dreißig Jahre ſich des Weins enthalten, verlor viel von ſeinem vortreflichen Gedaͤchtniſſe, als er wieder Wein trank. SCHUL- ZE de gran Kerm. p. 23. (e) ROBINSON Eſſ. anim. oe- con. II. p. 356.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 346[362]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/382>, abgerufen am 27.11.2024.