Sobald ich mich aber, für meine Person, an die Ver- suche selbst machte (t), glaubte ich nicht nur etwas weiter, als man bisher gekommen, darinnen gehen, sondern auch diejenigen Versuche etwas näher einschränken zu können, mit welcher sich berümte Männer etwas zu gute gethan hatten. Jch trennte nämlich das reizbare Wesen, einer Seits von der todten Kraft, andrer Seits von der Kraft der Nerven, und von der Herrschaft der Seele, und ich zeigte, daß von ihr die Bewegung des Her- zens (u) und die reizbare Natur der Gedärme einzig und allein abhinge. Jch schränkte sie blos auf die Muskelfaser ein, und in diesem Stükke hegen die hol- ländischen Phisiologisten nicht mit uns einerlei Gedan- ken; sie werden aber, wie ich verhoffe, meines Sinnes werden, wofern es ihnen beliebt, von der einem Muskel eignen reizbaren Natur, die Zusammenziehungskraft ab- zusondern, welche einer thierischen Faser gemein ist. Jch zeigte ferner, daß zwar diese Kraft beständig, als eine lebendige Kraft zugegen sei, und oft, so viel wir wenig- stens begreifen können, keinen äusserlichen Reiz vonnöthen habe, um in eine wirkliche Bewegung auszubrechen (x), daß sie aber demohngeachtet doch ungemein leicht, so oft sie gleichsam einschlafe, von Reizmitteln wieder erwekkt werden könne. Jch unterscheide in dieser Bewegung (y) den Reiz, der nur klein sein darf, und die von diesem Reize hervorgebrachte Bewegung, welche ungemein gros sein kann. Blos in dieser Anmerkung stekkt schon die Antwort, auf die Einwendungen einiger berümten An- hänger der Stahlischen Theorie, welche sich die Sache
so
(t)[Spaltenumbruch]
Von dem reizbaren Wesen habe ich zuerst gehandelt im Jahr 1739. in Comm. ad BOERHAAV. n. 187. p. 1. 2. nach dieser Zeit aber im Jahr 1743. in eben dem- selben Comm. T. IV. p. 586. und noch umständlicher in primis phy- siologiae lineis anno 1747.
(u)[Spaltenumbruch]L. IV. p. 465.
(x)pag. 446. 447.
(y)L. IV. p. 505. tum. illust. GAUBIUS pag. 72. 73. ausser daß er noch das Empfinden hinzu- fügt, wie solches auch GLIS- SONIUS thut.
C 3
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Sobald ich mich aber, fuͤr meine Perſon, an die Ver- ſuche ſelbſt machte (t), glaubte ich nicht nur etwas weiter, als man bisher gekommen, darinnen gehen, ſondern auch diejenigen Verſuche etwas naͤher einſchraͤnken zu koͤnnen, mit welcher ſich beruͤmte Maͤnner etwas zu gute gethan hatten. Jch trennte naͤmlich das reizbare Weſen, einer Seits von der todten Kraft, andrer Seits von der Kraft der Nerven, und von der Herrſchaft der Seele, und ich zeigte, daß von ihr die Bewegung des Her- zens (u) und die reizbare Natur der Gedaͤrme einzig und allein abhinge. Jch ſchraͤnkte ſie blos auf die Muſkelfaſer ein, und in dieſem Stuͤkke hegen die hol- laͤndiſchen Phiſiologiſten nicht mit uns einerlei Gedan- ken; ſie werden aber, wie ich verhoffe, meines Sinnes werden, wofern es ihnen beliebt, von der einem Muſkel eignen reizbaren Natur, die Zuſammenziehungskraft ab- zuſondern, welche einer thieriſchen Faſer gemein iſt. Jch zeigte ferner, daß zwar dieſe Kraft beſtaͤndig, als eine lebendige Kraft zugegen ſei, und oft, ſo viel wir wenig- ſtens begreifen koͤnnen, keinen aͤuſſerlichen Reiz vonnoͤthen habe, um in eine wirkliche Bewegung auszubrechen (x), daß ſie aber demohngeachtet doch ungemein leicht, ſo oft ſie gleichſam einſchlafe, von Reizmitteln wieder erwekkt werden koͤnne. Jch unterſcheide in dieſer Bewegung (y) den Reiz, der nur klein ſein darf, und die von dieſem Reize hervorgebrachte Bewegung, welche ungemein gros ſein kann. Blos in dieſer Anmerkung ſtekkt ſchon die Antwort, auf die Einwendungen einiger beruͤmten An- haͤnger der Stahliſchen Theorie, welche ſich die Sache
ſo
(t)[Spaltenumbruch]
Von dem reizbaren Weſen habe ich zuerſt gehandelt im Jahr 1739. in Comm. ad BOERHAAV. n. 187. p. 1. 2. nach dieſer Zeit aber im Jahr 1743. in eben dem- ſelben Comm. T. IV. p. 586. und noch umſtaͤndlicher in primis phy- ſiologiæ lineis anno 1747.
(u)[Spaltenumbruch]L. IV. p. 465.
(x)pag. 446. 447.
(y)L. IV. p. 505. tum. illuſt. GAUBIUS pag. 72. 73. auſſer daß er noch das Empfinden hinzu- fuͤgt, wie ſolches auch GLIS- SONIUS thut.
C 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0055"n="37"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Abſchnitt. Erſcheinungen.</hi></fw><lb/><p>Sobald ich mich aber, fuͤr meine Perſon, an die Ver-<lb/>ſuche ſelbſt machte <noteplace="foot"n="(t)"><cb/>
Von dem reizbaren Weſen<lb/>
habe ich zuerſt gehandelt im Jahr<lb/>
1739. <hirendition="#aq">in Comm. ad BOERHAAV.<lb/>
n. 187. p.</hi> 1. 2. nach dieſer Zeit<lb/>
aber im Jahr 1743. in eben dem-<lb/>ſelben <hirendition="#aq">Comm. T. IV. p.</hi> 586. und<lb/>
noch umſtaͤndlicher <hirendition="#aq">in primis phy-<lb/>ſiologiæ lineis anno</hi> 1747.</note>, glaubte ich nicht nur etwas weiter,<lb/>
als man bisher gekommen, darinnen gehen, ſondern auch<lb/>
diejenigen Verſuche etwas naͤher einſchraͤnken zu koͤnnen,<lb/>
mit welcher ſich beruͤmte Maͤnner etwas zu gute gethan<lb/>
hatten. Jch trennte naͤmlich das reizbare Weſen, einer<lb/>
Seits von der todten Kraft, andrer Seits von der<lb/>
Kraft der Nerven, und von der Herrſchaft der Seele,<lb/>
und ich zeigte, daß von ihr die Bewegung des Her-<lb/>
zens <noteplace="foot"n="(u)"><cb/><hirendition="#aq">L. IV. p.</hi> 465.</note> und die reizbare Natur der Gedaͤrme einzig<lb/>
und allein abhinge. Jch ſchraͤnkte ſie blos auf die<lb/>
Muſkelfaſer ein, und in dieſem Stuͤkke hegen die hol-<lb/>
laͤndiſchen Phiſiologiſten nicht mit uns einerlei Gedan-<lb/>
ken; ſie werden aber, wie ich verhoffe, meines Sinnes<lb/>
werden, wofern es ihnen beliebt, von der einem Muſkel<lb/>
eignen reizbaren Natur, die Zuſammenziehungskraft ab-<lb/>
zuſondern, welche einer thieriſchen Faſer gemein iſt. Jch<lb/>
zeigte ferner, daß zwar dieſe Kraft beſtaͤndig, als eine<lb/>
lebendige Kraft zugegen ſei, und oft, ſo viel wir wenig-<lb/>ſtens begreifen koͤnnen, keinen aͤuſſerlichen Reiz vonnoͤthen<lb/>
habe, um in eine wirkliche Bewegung auszubrechen <noteplace="foot"n="(x)"><hirendition="#aq">pag.</hi> 446. 447.</note>,<lb/>
daß ſie aber demohngeachtet doch ungemein leicht, ſo oft<lb/>ſie gleichſam einſchlafe, von Reizmitteln wieder erwekkt<lb/>
werden koͤnne. Jch unterſcheide in dieſer Bewegung <noteplace="foot"n="(y)"><hirendition="#aq">L. IV. p. 505. tum. illuſt.<lb/><hirendition="#g">GAUBIUS</hi> pag.</hi> 72. 73. auſſer<lb/>
daß er noch das Empfinden hinzu-<lb/>
fuͤgt, wie ſolches auch <hirendition="#aq"><hirendition="#g">GLIS-<lb/>
SONIUS</hi></hi> thut.</note><lb/>
den Reiz, der nur klein ſein darf, und die von dieſem<lb/>
Reize hervorgebrachte Bewegung, welche ungemein gros<lb/>ſein kann. Blos in dieſer Anmerkung ſtekkt ſchon die<lb/>
Antwort, auf die Einwendungen einiger beruͤmten An-<lb/>
haͤnger der <hirendition="#fr">Stahliſchen</hi> Theorie, welche ſich die Sache<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſo</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[37/0055]
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Sobald ich mich aber, fuͤr meine Perſon, an die Ver-
ſuche ſelbſt machte (t), glaubte ich nicht nur etwas weiter,
als man bisher gekommen, darinnen gehen, ſondern auch
diejenigen Verſuche etwas naͤher einſchraͤnken zu koͤnnen,
mit welcher ſich beruͤmte Maͤnner etwas zu gute gethan
hatten. Jch trennte naͤmlich das reizbare Weſen, einer
Seits von der todten Kraft, andrer Seits von der
Kraft der Nerven, und von der Herrſchaft der Seele,
und ich zeigte, daß von ihr die Bewegung des Her-
zens (u) und die reizbare Natur der Gedaͤrme einzig
und allein abhinge. Jch ſchraͤnkte ſie blos auf die
Muſkelfaſer ein, und in dieſem Stuͤkke hegen die hol-
laͤndiſchen Phiſiologiſten nicht mit uns einerlei Gedan-
ken; ſie werden aber, wie ich verhoffe, meines Sinnes
werden, wofern es ihnen beliebt, von der einem Muſkel
eignen reizbaren Natur, die Zuſammenziehungskraft ab-
zuſondern, welche einer thieriſchen Faſer gemein iſt. Jch
zeigte ferner, daß zwar dieſe Kraft beſtaͤndig, als eine
lebendige Kraft zugegen ſei, und oft, ſo viel wir wenig-
ſtens begreifen koͤnnen, keinen aͤuſſerlichen Reiz vonnoͤthen
habe, um in eine wirkliche Bewegung auszubrechen (x),
daß ſie aber demohngeachtet doch ungemein leicht, ſo oft
ſie gleichſam einſchlafe, von Reizmitteln wieder erwekkt
werden koͤnne. Jch unterſcheide in dieſer Bewegung (y)
den Reiz, der nur klein ſein darf, und die von dieſem
Reize hervorgebrachte Bewegung, welche ungemein gros
ſein kann. Blos in dieſer Anmerkung ſtekkt ſchon die
Antwort, auf die Einwendungen einiger beruͤmten An-
haͤnger der Stahliſchen Theorie, welche ſich die Sache
ſo
(t)
Von dem reizbaren Weſen
habe ich zuerſt gehandelt im Jahr
1739. in Comm. ad BOERHAAV.
n. 187. p. 1. 2. nach dieſer Zeit
aber im Jahr 1743. in eben dem-
ſelben Comm. T. IV. p. 586. und
noch umſtaͤndlicher in primis phy-
ſiologiæ lineis anno 1747.
(u)
L. IV. p. 465.
(x) pag. 446. 447.
(y) L. IV. p. 505. tum. illuſt.
GAUBIUS pag. 72. 73. auſſer
daß er noch das Empfinden hinzu-
fuͤgt, wie ſolches auch GLIS-
SONIUS thut.
C 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/55>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.