von einem Objecte der körperlichen Welt ausser uns her- vorgebracht werden.
§. 8. Die Ordnung der Spuren.
Jdee nennen wir diejenige Veränderung in der See- le, welche entweder aus einer gegenwärtigen Empfindung, oder aus der Erneuerung der Spur einer Empfindung, oder aus einer Verbindung beider, so die Seele macht, entsteht. Vorstellung heist die Handlung der Seele, da sie diese Jdee auffängt. Dergleichen Jdee ist entweder einfach, wobei nichts unähnliches vorkömmt, als die Jdee vom Weissen, von der rothen Farbe, von dem Schalle einer Trompete: oder sie ist zusammen gesezzt, wenn die- se Jdee gleichsam einander unähnliche Theile zu Jngre- dienzen hat, z. E. die Jdee von einem Menschen, an dem sich Gesichte, Brust und Füsse oder Hände unterscheiden lassen.
Nun verdienet es an dem Gedächtnisse höchst bewun- dert zu werden, daß die Spuren, ohne alle Sorgfalt der Seele, in gewisse Klassen abgesondert sind, und allen verwandten Jdeen gleichsam ihre Bezirke im Gehirn ange- wiesen worden. Neue Empfindungen, oder ihre Zeichen gesellen sich so gleich, ohne unsere Bemühung, zu denje- nigen Jdeen, welche von eben der Art sind. Dieses ver- hält sich in der That so, und wenn die Seele sich darauf besinnet, so erkundigt sie sich gemeiniglich bei der Klasse selbst, oder sie lässet sich wenigstens doch durch eine, mit dieser Klasse verwandte Jdee, wie von einem Faden auf diejenige leiten, welche sie aufzusuchen willens ist. Wenn wir also den Namen Eiche suchen, so stellet sich der Seele der Name des Baums vor, welches die Klasse ist, wenn uns nun nicht gleich die Eiche beifällt, sondern Büche, Kastanienbaum, Tanne und andre Bäume, so suchen wir so lange, bis sich die Eiche zeigt, und dann erkennt
die
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I. Abſchnitt. Der Verſtand.
von einem Objecte der koͤrperlichen Welt auſſer uns her- vorgebracht werden.
§. 8. Die Ordnung der Spuren.
Jdee nennen wir diejenige Veraͤnderung in der See- le, welche entweder aus einer gegenwaͤrtigen Empfindung, oder aus der Erneuerung der Spur einer Empfindung, oder aus einer Verbindung beider, ſo die Seele macht, entſteht. Vorſtellung heiſt die Handlung der Seele, da ſie dieſe Jdee auffaͤngt. Dergleichen Jdee iſt entweder einfach, wobei nichts unaͤhnliches vorkoͤmmt, als die Jdee vom Weiſſen, von der rothen Farbe, von dem Schalle einer Trompete: oder ſie iſt zuſammen geſezzt, wenn die- ſe Jdee gleichſam einander unaͤhnliche Theile zu Jngre- dienzen hat, z. E. die Jdee von einem Menſchen, an dem ſich Geſichte, Bruſt und Fuͤſſe oder Haͤnde unterſcheiden laſſen.
Nun verdienet es an dem Gedaͤchtniſſe hoͤchſt bewun- dert zu werden, daß die Spuren, ohne alle Sorgfalt der Seele, in gewiſſe Klaſſen abgeſondert ſind, und allen verwandten Jdeen gleichſam ihre Bezirke im Gehirn ange- wieſen worden. Neue Empfindungen, oder ihre Zeichen geſellen ſich ſo gleich, ohne unſere Bemuͤhung, zu denje- nigen Jdeen, welche von eben der Art ſind. Dieſes ver- haͤlt ſich in der That ſo, und wenn die Seele ſich darauf beſinnet, ſo erkundigt ſie ſich gemeiniglich bei der Klaſſe ſelbſt, oder ſie laͤſſet ſich wenigſtens doch durch eine, mit dieſer Klaſſe verwandte Jdee, wie von einem Faden auf diejenige leiten, welche ſie aufzuſuchen willens iſt. Wenn wir alſo den Namen Eiche ſuchen, ſo ſtellet ſich der Seele der Name des Baums vor, welches die Klaſſe iſt, wenn uns nun nicht gleich die Eiche beifaͤllt, ſondern Buͤche, Kaſtanienbaum, Tanne und andre Baͤume, ſo ſuchen wir ſo lange, bis ſich die Eiche zeigt, und dann erkennt
die
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I. Abſchnitt. Der Verſtand.
von einem Objecte der koͤrperlichen Welt auſſer uns her-
vorgebracht werden.
§. 8.
Die Ordnung der Spuren.
Jdee nennen wir diejenige Veraͤnderung in der See-
le, welche entweder aus einer gegenwaͤrtigen Empfindung,
oder aus der Erneuerung der Spur einer Empfindung,
oder aus einer Verbindung beider, ſo die Seele macht,
entſteht. Vorſtellung heiſt die Handlung der Seele, da
ſie dieſe Jdee auffaͤngt. Dergleichen Jdee iſt entweder
einfach, wobei nichts unaͤhnliches vorkoͤmmt, als die Jdee
vom Weiſſen, von der rothen Farbe, von dem Schalle
einer Trompete: oder ſie iſt zuſammen geſezzt, wenn die-
ſe Jdee gleichſam einander unaͤhnliche Theile zu Jngre-
dienzen hat, z. E. die Jdee von einem Menſchen, an dem
ſich Geſichte, Bruſt und Fuͤſſe oder Haͤnde unterſcheiden
laſſen.
Nun verdienet es an dem Gedaͤchtniſſe hoͤchſt bewun-
dert zu werden, daß die Spuren, ohne alle Sorgfalt der
Seele, in gewiſſe Klaſſen abgeſondert ſind, und allen
verwandten Jdeen gleichſam ihre Bezirke im Gehirn ange-
wieſen worden. Neue Empfindungen, oder ihre Zeichen
geſellen ſich ſo gleich, ohne unſere Bemuͤhung, zu denje-
nigen Jdeen, welche von eben der Art ſind. Dieſes ver-
haͤlt ſich in der That ſo, und wenn die Seele ſich darauf
beſinnet, ſo erkundigt ſie ſich gemeiniglich bei der Klaſſe
ſelbſt, oder ſie laͤſſet ſich wenigſtens doch durch eine, mit
dieſer Klaſſe verwandte Jdee, wie von einem Faden auf
diejenige leiten, welche ſie aufzuſuchen willens iſt. Wenn
wir alſo den Namen Eiche ſuchen, ſo ſtellet ſich der Seele
der Name des Baums vor, welches die Klaſſe iſt, wenn
uns nun nicht gleich die Eiche beifaͤllt, ſondern Buͤche,
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1065. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1083>, abgerufen am 23.11.2024.
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