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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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IV. Abschnitt. Das Sehen.
finden soll, damit der Mensch durch diese Zeichen, wie
durch die Hand Gottes zur Erhaltung seiner selbst gelei-
tet werde (e). Es läge also in den Sachen selbst kein
nothwendiges Principium, warum wir uns von den kör-
perlichen Dingen, diese und keine andere Vorstellung
machen. Zu dieser Meinung bequemte sich auch der P.
Malebranche und Boerhaave.

Folglich hat man, so wie die Blinden durchs Tappen
(f), die Eigenschaften der Körper zu erkennen, sich all-
mählig des Gesichts bedienen gelernt, und zwar jener
Mann beim Akrell, geschwinde, so wie der beim Che-
selden
langsamer, indem dieser kaum nach einem oder
dem andern Monathe erst die Betrügereien der Mahler-
kunst entdekken gelernt. Folglich wird in der That vermittelst
des Gefühls eine Harmome zwischen den Eigenschaften
der Körper, und zwischen dem auf der Nezzhaut abge-
mahlten Bilde, erweislich gemacht.

§. 29.
Wie die Grösse der Bilder beurtheilet werde.

Ueberhaupt wird die Grösse von einem einzigen Auge
geschäzt, und damit wir uns einfältiger erklären mögen,
vermittelft desjenigen Winkels, welchen zwei Enden des
gegen überliegenden Körpers, mit dem sehendem Punkte
der Nezzhaut machen (g). Man könnte sie auch nach der
Grösse des Bildes schäzzen, welches sich auf der Nezzhaut
abmahlt (h), indem dasselbe einerlei Verhältnisse, als
gedachter Winkel hat. Folglich findet sich bei diesen Ur-
theile nicht das mindeste wahre (i), wofern nicht zwei Ob-
jecte, die man mit einander vergleicht, gleich leuchtend

sind,
(e) [Spaltenumbruch] pag. 341.
(f) NOLLET lecons T. V. p.
133.
(g) p. 504. D' ORLEANS p. 12
15. PORTERFIELD II. pag. 376.
S' GRAVEZANDE n.
3118.
(h) [Spaltenumbruch] STURM colleg. exper. pag.
156.
(i) Der die Entfernung nicht
weis, irrt gemeinialich in der Grös-
se. BUFFON T. III. p. 319.
T t t 3

IV. Abſchnitt. Das Sehen.
finden ſoll, damit der Menſch durch dieſe Zeichen, wie
durch die Hand Gottes zur Erhaltung ſeiner ſelbſt gelei-
tet werde (e). Es laͤge alſo in den Sachen ſelbſt kein
nothwendiges Principium, warum wir uns von den koͤr-
perlichen Dingen, dieſe und keine andere Vorſtellung
machen. Zu dieſer Meinung bequemte ſich auch der P.
Malebranche und Boerhaave.

Folglich hat man, ſo wie die Blinden durchs Tappen
(f), die Eigenſchaften der Koͤrper zu erkennen, ſich all-
maͤhlig des Geſichts bedienen gelernt, und zwar jener
Mann beim Akrell, geſchwinde, ſo wie der beim Che-
ſelden
langſamer, indem dieſer kaum nach einem oder
dem andern Monathe erſt die Betruͤgereien der Mahler-
kunſt entdekken gelernt. Folglich wird in der That vermittelſt
des Gefuͤhls eine Harmome zwiſchen den Eigenſchaften
der Koͤrper, und zwiſchen dem auf der Nezzhaut abge-
mahlten Bilde, erweislich gemacht.

§. 29.
Wie die Groͤſſe der Bilder beurtheilet werde.

Ueberhaupt wird die Groͤſſe von einem einzigen Auge
geſchaͤzt, und damit wir uns einfaͤltiger erklaͤren moͤgen,
vermittelft desjenigen Winkels, welchen zwei Enden des
gegen uͤberliegenden Koͤrpers, mit dem ſehendem Punkte
der Nezzhaut machen (g). Man koͤnnte ſie auch nach der
Groͤſſe des Bildes ſchaͤzzen, welches ſich auf der Nezzhaut
abmahlt (h), indem daſſelbe einerlei Verhaͤltniſſe, als
gedachter Winkel hat. Folglich findet ſich bei dieſen Ur-
theile nicht das mindeſte wahre (i), wofern nicht zwei Ob-
jecte, die man mit einander vergleicht, gleich leuchtend

ſind,
(e) [Spaltenumbruch] pag. 341.
(f) NOLLET leçons T. V. p.
133.
(g) p. 504. D’ ORLEANS p. 12
15. PORTERFIELD II. pag. 376.
S’ GRAVEZANDE n.
3118.
(h) [Spaltenumbruch] STURM colleg. exper. pag.
156.
(i) Der die Entfernung nicht
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[1029/1047] IV. Abſchnitt. Das Sehen. finden ſoll, damit der Menſch durch dieſe Zeichen, wie durch die Hand Gottes zur Erhaltung ſeiner ſelbſt gelei- tet werde (e). Es laͤge alſo in den Sachen ſelbſt kein nothwendiges Principium, warum wir uns von den koͤr- perlichen Dingen, dieſe und keine andere Vorſtellung machen. Zu dieſer Meinung bequemte ſich auch der P. Malebranche und Boerhaave. Folglich hat man, ſo wie die Blinden durchs Tappen (f), die Eigenſchaften der Koͤrper zu erkennen, ſich all- maͤhlig des Geſichts bedienen gelernt, und zwar jener Mann beim Akrell, geſchwinde, ſo wie der beim Che- ſelden langſamer, indem dieſer kaum nach einem oder dem andern Monathe erſt die Betruͤgereien der Mahler- kunſt entdekken gelernt. Folglich wird in der That vermittelſt des Gefuͤhls eine Harmome zwiſchen den Eigenſchaften der Koͤrper, und zwiſchen dem auf der Nezzhaut abge- mahlten Bilde, erweislich gemacht. §. 29. Wie die Groͤſſe der Bilder beurtheilet werde. Ueberhaupt wird die Groͤſſe von einem einzigen Auge geſchaͤzt, und damit wir uns einfaͤltiger erklaͤren moͤgen, vermittelft desjenigen Winkels, welchen zwei Enden des gegen uͤberliegenden Koͤrpers, mit dem ſehendem Punkte der Nezzhaut machen (g). Man koͤnnte ſie auch nach der Groͤſſe des Bildes ſchaͤzzen, welches ſich auf der Nezzhaut abmahlt (h), indem daſſelbe einerlei Verhaͤltniſſe, als gedachter Winkel hat. Folglich findet ſich bei dieſen Ur- theile nicht das mindeſte wahre (i), wofern nicht zwei Ob- jecte, die man mit einander vergleicht, gleich leuchtend ſind, (e) pag. 341. (f) NOLLET leçons T. V. p. 133. (g) p. 504. D’ ORLEANS p. 12 15. PORTERFIELD II. pag. 376. S’ GRAVEZANDE n. 3118. (h) STURM colleg. exper. pag. 156. (i) Der die Entfernung nicht weis, irrt gemeinialich in der Groͤſ- ſe. BUFFON T. III. p. 319. T t t 3

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1029. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1047>, abgerufen am 23.11.2024.