Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Ab. Ersch. d. leb. Geh. Die Empfind.
ben, daß sich die Empfindung in demienigen Theile des
Nerven vollende, und vollkommen mache, welcher in
der Haut, oder in einem andern empfindenden Theile,
der Bewegung äusserlicher Körper ausgesetzt wird. Sie
bilden sich eine allgegenwärtige Seele ein, doch bloß,
was ihren eigenen Körper anbetrift, welche nicht im Ge-
hirne, sondern am Finger die Härte des Eisens empfin-
det; von welchem der Finger getroffen worden.

Man kann gegen diese Meinung viele Versuche
vorbringen, welche aber nicht iederzeit einerlei Kraft ha-
ben. Es ist der erste Versuch dieser, daß man keine
Empfindung mehr fortdauern sieht, wann ein Nerve
verletzt, gebunden und zerschnitten, oder das Gehirn
zusammengedrückt worden ist.

Es verursacht derohalben ein ieder Nerve, welchen
man drückt, es geschehe dieses an welchem Orte es wolle,
und wenn er gleich nur sehr mäßig gedrückt wird, den-
noch einen besondern Schmerz; wenn er aber heftiger
gedruckt worden, so benimmt er demienigen Theile des
thierischen Körpers, wohin seine Aeste laufen, die Em-
pfindung. Man hat einzig und allein von zu häufigem
Fette eine Fühllosigkeit an den Nerven bemerkt [Spaltenumbruch] f. Um
die Zahnschmerzen zu benehmen, drückt man g den
Nerven, welcher von dem dritten Aste des fünften Paa-
res herrührt, oberhalb dem Gegenbocke des Ohres, und
nahe an dem Gehörgange. Es erfolgte von einem Gal-
lertartigen Geschwulste, mitten an dem Nerven des El-
lenbogens, in denienigen Theilen eine Fühllosigkeit, wel-
che von diesem Nerven Aeste bekamen [Spaltenumbruch] h, ia man em-

pfand,
f Act. Med. Budissin p. 204. 205.
g Es muß in dem untern Kinn-
backen der Schmerzen stecken. Ei-
ne eigene Abhandlung von diesem
Versuche hat Schellhammer de odon-
talgia tactu sedanda c.
3. V. v.
Swieten
T. 1. p. 369. Morgagn. ep.
13. n.
6. 7.
h Cheselden zu tab. 28. seiner
Anat. Ein Rasender konnte keine
gelbe oder rothe Farbe vertragen,
noch einigen Schall Fiseher mir.
sens. augm.
Bei der Hundewuth ist
das Licht unleidlich Desault de la
rage p. 259. Iourn. de medec. III.

n. 3.

VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind.
ben, daß ſich die Empfindung in demienigen Theile des
Nerven vollende, und vollkommen mache, welcher in
der Haut, oder in einem andern empfindenden Theile,
der Bewegung aͤuſſerlicher Koͤrper ausgeſetzt wird. Sie
bilden ſich eine allgegenwaͤrtige Seele ein, doch bloß,
was ihren eigenen Koͤrper anbetrift, welche nicht im Ge-
hirne, ſondern am Finger die Haͤrte des Eiſens empfin-
det; von welchem der Finger getroffen worden.

Man kann gegen dieſe Meinung viele Verſuche
vorbringen, welche aber nicht iederzeit einerlei Kraft ha-
ben. Es iſt der erſte Verſuch dieſer, daß man keine
Empfindung mehr fortdauern ſieht, wann ein Nerve
verletzt, gebunden und zerſchnitten, oder das Gehirn
zuſammengedruͤckt worden iſt.

Es verurſacht derohalben ein ieder Nerve, welchen
man druͤckt, es geſchehe dieſes an welchem Orte es wolle,
und wenn er gleich nur ſehr maͤßig gedruͤckt wird, den-
noch einen beſondern Schmerz; wenn er aber heftiger
gedruckt worden, ſo benimmt er demienigen Theile des
thieriſchen Koͤrpers, wohin ſeine Aeſte laufen, die Em-
pfindung. Man hat einzig und allein von zu haͤufigem
Fette eine Fuͤhlloſigkeit an den Nerven bemerkt [Spaltenumbruch] f. Um
die Zahnſchmerzen zu benehmen, druͤckt man g den
Nerven, welcher von dem dritten Aſte des fuͤnften Paa-
res herruͤhrt, oberhalb dem Gegenbocke des Ohres, und
nahe an dem Gehoͤrgange. Es erfolgte von einem Gal-
lertartigen Geſchwulſte, mitten an dem Nerven des El-
lenbogens, in denienigen Theilen eine Fuͤhlloſigkeit, wel-
che von dieſem Nerven Aeſte bekamen [Spaltenumbruch] h, ia man em-

pfand,
f Act. Med. Budiſſin p. 204. 205.
g Es muß in dem untern Kinn-
backen der Schmerzen ſtecken. Ei-
ne eigene Abhandlung von dieſem
Verſuche hat Schellhammer de odon-
talgia tactu ſedanda c.
3. V. v.
Swieten
T. 1. p. 369. Morgagn. ep.
13. n.
6. 7.
h Cheſelden zu tab. 28. ſeiner
Anat. Ein Raſender konnte keine
gelbe oder rothe Farbe vertragen,
noch einigen Schall Fiſeher mir.
ſenſ. augm.
Bei der Hundewuth iſt
das Licht unleidlich Deſault de la
rage p. 259. Iourn. de medec. III.

n. 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0499" n="463"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Ab. Er&#x017F;ch. d. leb. Geh. Die Empfind.</hi></fw><lb/>
ben, daß &#x017F;ich die Empfindung in demienigen Theile des<lb/>
Nerven vollende, und vollkommen mache, welcher in<lb/>
der Haut, oder in einem andern empfindenden Theile,<lb/>
der Bewegung a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlicher Ko&#x0364;rper ausge&#x017F;etzt wird. Sie<lb/>
bilden &#x017F;ich eine allgegenwa&#x0364;rtige Seele ein, doch bloß,<lb/>
was ihren eigenen Ko&#x0364;rper anbetrift, welche nicht im Ge-<lb/>
hirne, &#x017F;ondern am Finger die Ha&#x0364;rte des Ei&#x017F;ens empfin-<lb/>
det; von welchem der Finger getroffen worden.</p><lb/>
            <p>Man kann gegen die&#x017F;e Meinung viele Ver&#x017F;uche<lb/>
vorbringen, welche aber nicht iederzeit einerlei Kraft ha-<lb/>
ben. Es i&#x017F;t der er&#x017F;te Ver&#x017F;uch die&#x017F;er, daß man keine<lb/>
Empfindung mehr fortdauern &#x017F;ieht, wann ein Nerve<lb/>
verletzt, gebunden und zer&#x017F;chnitten, oder das Gehirn<lb/>
zu&#x017F;ammengedru&#x0364;ckt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Es verur&#x017F;acht derohalben ein ieder Nerve, welchen<lb/>
man dru&#x0364;ckt, es ge&#x017F;chehe die&#x017F;es an welchem Orte es wolle,<lb/>
und wenn er gleich nur &#x017F;ehr ma&#x0364;ßig gedru&#x0364;ckt wird, den-<lb/>
noch einen be&#x017F;ondern Schmerz; wenn er aber heftiger<lb/>
gedruckt worden, &#x017F;o benimmt er demienigen Theile des<lb/>
thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers, wohin &#x017F;eine Ae&#x017F;te laufen, die Em-<lb/>
pfindung. Man hat einzig und allein von zu ha&#x0364;ufigem<lb/>
Fette eine Fu&#x0364;hllo&#x017F;igkeit an den Nerven bemerkt <cb/>
<note place="foot" n="f"><hi rendition="#aq">Act. Med. Budi&#x017F;&#x017F;in p.</hi> 204. 205.</note>. Um<lb/>
die Zahn&#x017F;chmerzen zu benehmen, dru&#x0364;ckt man <note place="foot" n="g">Es muß in dem untern Kinn-<lb/>
backen der Schmerzen &#x017F;tecken. Ei-<lb/>
ne eigene Abhandlung von die&#x017F;em<lb/>
Ver&#x017F;uche hat <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Schellhammer</hi> de odon-<lb/>
talgia tactu &#x017F;edanda c.</hi> 3. V. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">v.<lb/>
Swieten</hi> T. 1. p. 369. <hi rendition="#i">Morgagn.</hi> ep.<lb/>
13. n.</hi> 6. 7.</note> den<lb/>
Nerven, welcher von dem dritten A&#x017F;te des fu&#x0364;nften Paa-<lb/>
res herru&#x0364;hrt, oberhalb dem Gegenbocke des Ohres, und<lb/>
nahe an dem Geho&#x0364;rgange. Es erfolgte von einem Gal-<lb/>
lertartigen Ge&#x017F;chwul&#x017F;te, mitten an dem Nerven des El-<lb/>
lenbogens, in denienigen Theilen eine Fu&#x0364;hllo&#x017F;igkeit, wel-<lb/>
che von die&#x017F;em Nerven Ae&#x017F;te bekamen <cb/>
<note xml:id="f59" next="#f60" place="foot" n="h"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Che&#x017F;elden</hi></hi> zu <hi rendition="#aq">tab.</hi> 28. &#x017F;einer<lb/>
Anat. Ein Ra&#x017F;ender konnte keine<lb/>
gelbe oder rothe Farbe vertragen,<lb/>
noch einigen Schall <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Fi&#x017F;eher</hi> mir.<lb/>
&#x017F;en&#x017F;. augm.</hi> Bei der Hundewuth i&#x017F;t<lb/>
das Licht unleidlich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">De&#x017F;ault</hi> de la<lb/>
rage p. 259. Iourn. de medec. III.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">n.</hi> 3.</fw></note>, ia man em-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">pfand,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0499] VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind. ben, daß ſich die Empfindung in demienigen Theile des Nerven vollende, und vollkommen mache, welcher in der Haut, oder in einem andern empfindenden Theile, der Bewegung aͤuſſerlicher Koͤrper ausgeſetzt wird. Sie bilden ſich eine allgegenwaͤrtige Seele ein, doch bloß, was ihren eigenen Koͤrper anbetrift, welche nicht im Ge- hirne, ſondern am Finger die Haͤrte des Eiſens empfin- det; von welchem der Finger getroffen worden. Man kann gegen dieſe Meinung viele Verſuche vorbringen, welche aber nicht iederzeit einerlei Kraft ha- ben. Es iſt der erſte Verſuch dieſer, daß man keine Empfindung mehr fortdauern ſieht, wann ein Nerve verletzt, gebunden und zerſchnitten, oder das Gehirn zuſammengedruͤckt worden iſt. Es verurſacht derohalben ein ieder Nerve, welchen man druͤckt, es geſchehe dieſes an welchem Orte es wolle, und wenn er gleich nur ſehr maͤßig gedruͤckt wird, den- noch einen beſondern Schmerz; wenn er aber heftiger gedruckt worden, ſo benimmt er demienigen Theile des thieriſchen Koͤrpers, wohin ſeine Aeſte laufen, die Em- pfindung. Man hat einzig und allein von zu haͤufigem Fette eine Fuͤhlloſigkeit an den Nerven bemerkt f. Um die Zahnſchmerzen zu benehmen, druͤckt man g den Nerven, welcher von dem dritten Aſte des fuͤnften Paa- res herruͤhrt, oberhalb dem Gegenbocke des Ohres, und nahe an dem Gehoͤrgange. Es erfolgte von einem Gal- lertartigen Geſchwulſte, mitten an dem Nerven des El- lenbogens, in denienigen Theilen eine Fuͤhlloſigkeit, wel- che von dieſem Nerven Aeſte bekamen h, ia man em- pfand, f Act. Med. Budiſſin p. 204. 205. g Es muß in dem untern Kinn- backen der Schmerzen ſtecken. Ei- ne eigene Abhandlung von dieſem Verſuche hat Schellhammer de odon- talgia tactu ſedanda c. 3. V. v. Swieten T. 1. p. 369. Morgagn. ep. 13. n. 6. 7. h Cheſelden zu tab. 28. ſeiner Anat. Ein Raſender konnte keine gelbe oder rothe Farbe vertragen, noch einigen Schall Fiſeher mir. ſenſ. augm. Bei der Hundewuth iſt das Licht unleidlich Deſault de la rage p. 259. Iourn. de medec. III. n. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/499
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/499>, abgerufen am 22.11.2024.