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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
der Lanzette d, an der dünnen Gehirnhaut einen Ver-
such gemacht, hat sich ohnmöglich in Acht nehmen kön-
nen, daß er nicht durch diese äusserst zarte Membrane
zugleich das Gehirn gestochen hätte.

Daß aber die Empfindung des Nerven vornemlich
in dessen Marke anzutreffen sei, und nicht an den Be-
kleidungen, läßt sich durch das Exempel derienigen Ner-
ven darthun, von denen wir wissen, daß sie ihre Beklei-
dungen ablegen, und welche erst alsdenn ihre Empfind-
lichkeit verlieren, wenn sie ihre Häute fahren lassen. Es
ist die Sache an den Sehnerven sehr bekannt, indem
sich die harte Gehirnhaut desselben entweder in die dunkle
Hornhaut verwandelt, oder sich doch wenigstens bei dem
Anfange dieser Membran endigt; indessen, daß die dün-
ne Gehirnhaut die innere Fläche der dunklen Hornhaut
überzieht, wobei keine von beiden der Wirksamkeit des
Lichts unterworsen ist. Hingegen bildet das Mark,
welches sich durch die siebförmige Platte begiebt, einzig
und allein das Netzhäutchen, welches von dem Lichte in
Bewegung gesetzt wird.

§. 14.
Ob sich die Empfindung in demienigen Theile
äussere, den die äussern Körper berühren.

Es giebt nicht wenige Schriftsteller, und zwar noch
mehr aus der Stahlianischen Schule e, welche glau-
[Spaltenumbruch]

ben,
schmerzen weniger. Barthes duod.
Quaest. p.
40. Jch gebe zu, daß
z. E. auf der Folterbank gespannte
Nerven heftiger schmerzen und zu
Krämpfen geschickt sind, welchen
wir im Verschneiden dadurch vor-
beugen, daß wir den Nerven zu-
rücke schieben, daß er nicht gespan-
net bleibe, Bilguer Wahrneh. p. 502.
Jch sage nur, Nerven sind im ge-
sunden Zustande ungespannt, und
die weichen empfinden stärker. Ei-
[Spaltenumbruch] ne histerische Frau konnte kein Licht
leiden, Fischer, Ponteau, Desault.
d Le Cat angef. Ort. p. 21.
e Claud. Perrault, der wahre Ur-
heber der Stahlischen Lehre de sen-
su tactus p. 530. 591. 592. ed. Bat.
I. Tabor Tract. 3. c. 3. Vogli histor.
spir. p. 79. Stuart de motu muscul.
c. 5. p. 24. Whytt of vital motions
p. 383. physiol. essays p. 168. Go-
dart
de l'Ame p. 35. Bordeu de
sensibl. in genere n.
88.

Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
der Lanzette d, an der duͤnnen Gehirnhaut einen Ver-
ſuch gemacht, hat ſich ohnmoͤglich in Acht nehmen koͤn-
nen, daß er nicht durch dieſe aͤuſſerſt zarte Membrane
zugleich das Gehirn geſtochen haͤtte.

Daß aber die Empfindung des Nerven vornemlich
in deſſen Marke anzutreffen ſei, und nicht an den Be-
kleidungen, laͤßt ſich durch das Exempel derienigen Ner-
ven darthun, von denen wir wiſſen, daß ſie ihre Beklei-
dungen ablegen, und welche erſt alsdenn ihre Empfind-
lichkeit verlieren, wenn ſie ihre Haͤute fahren laſſen. Es
iſt die Sache an den Sehnerven ſehr bekannt, indem
ſich die harte Gehirnhaut deſſelben entweder in die dunkle
Hornhaut verwandelt, oder ſich doch wenigſtens bei dem
Anfange dieſer Membran endigt; indeſſen, daß die duͤn-
ne Gehirnhaut die innere Flaͤche der dunklen Hornhaut
uͤberzieht, wobei keine von beiden der Wirkſamkeit des
Lichts unterworſen iſt. Hingegen bildet das Mark,
welches ſich durch die ſiebfoͤrmige Platte begiebt, einzig
und allein das Netzhaͤutchen, welches von dem Lichte in
Bewegung geſetzt wird.

§. 14.
Ob ſich die Empfindung in demienigen Theile
aͤuſſere, den die aͤuſſern Koͤrper beruͤhren.

Es giebt nicht wenige Schriftſteller, und zwar noch
mehr aus der Stahlianiſchen Schule e, welche glau-
[Spaltenumbruch]

ben,
ſchmerzen weniger. Barthes duod.
Quaeſt. p.
40. Jch gebe zu, daß
z. E. auf der Folterbank geſpannte
Nerven heftiger ſchmerzen und zu
Kraͤmpfen geſchickt ſind, welchen
wir im Verſchneiden dadurch vor-
beugen, daß wir den Nerven zu-
ruͤcke ſchieben, daß er nicht geſpan-
net bleibe, Bilguer Wahrneh. p. 502.
Jch ſage nur, Nerven ſind im ge-
ſunden Zuſtande ungeſpannt, und
die weichen empfinden ſtaͤrker. Ei-
[Spaltenumbruch] ne hiſteriſche Frau konnte kein Licht
leiden, Fiſcher, Ponteau, Deſault.
d Le Cat angef. Ort. p. 21.
e Claud. Perrault, der wahre Ur-
heber der Stahliſchen Lehre de ſen-
ſu tactus p. 530. 591. 592. ed. Bat.
I. Tabor Tract. 3. c. 3. Vogli hiſtor.
ſpir. p. 79. Stuart de motu muſcul.
c. 5. p. 24. Whytt of vital motions
p. 383. phyſiol. eſſays p. 168. Go-
dart
de l’Ame p. 35. Bordeu de
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88.
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[462/0498] Das Gehirn und die Nerven. X. Buch. der Lanzette d, an der duͤnnen Gehirnhaut einen Ver- ſuch gemacht, hat ſich ohnmoͤglich in Acht nehmen koͤn- nen, daß er nicht durch dieſe aͤuſſerſt zarte Membrane zugleich das Gehirn geſtochen haͤtte. Daß aber die Empfindung des Nerven vornemlich in deſſen Marke anzutreffen ſei, und nicht an den Be- kleidungen, laͤßt ſich durch das Exempel derienigen Ner- ven darthun, von denen wir wiſſen, daß ſie ihre Beklei- dungen ablegen, und welche erſt alsdenn ihre Empfind- lichkeit verlieren, wenn ſie ihre Haͤute fahren laſſen. Es iſt die Sache an den Sehnerven ſehr bekannt, indem ſich die harte Gehirnhaut deſſelben entweder in die dunkle Hornhaut verwandelt, oder ſich doch wenigſtens bei dem Anfange dieſer Membran endigt; indeſſen, daß die duͤn- ne Gehirnhaut die innere Flaͤche der dunklen Hornhaut uͤberzieht, wobei keine von beiden der Wirkſamkeit des Lichts unterworſen iſt. Hingegen bildet das Mark, welches ſich durch die ſiebfoͤrmige Platte begiebt, einzig und allein das Netzhaͤutchen, welches von dem Lichte in Bewegung geſetzt wird. §. 14. Ob ſich die Empfindung in demienigen Theile aͤuſſere, den die aͤuſſern Koͤrper beruͤhren. Es giebt nicht wenige Schriftſteller, und zwar noch mehr aus der Stahlianiſchen Schule e, welche glau- ben, c*) d Le Cat angef. Ort. p. 21. e Claud. Perrault, der wahre Ur- heber der Stahliſchen Lehre de ſen- ſu tactus p. 530. 591. 592. ed. Bat. I. Tabor Tract. 3. c. 3. Vogli hiſtor. ſpir. p. 79. Stuart de motu muſcul. c. 5. p. 24. Whytt of vital motions p. 383. phyſiol. eſſays p. 168. Go- dart de l’Ame p. 35. Bordeu de ſenſibl. in genere n. 88. c*) ſchmerzen weniger. Barthes duod. Quaeſt. p. 40. Jch gebe zu, daß z. E. auf der Folterbank geſpannte Nerven heftiger ſchmerzen und zu Kraͤmpfen geſchickt ſind, welchen wir im Verſchneiden dadurch vor- beugen, daß wir den Nerven zu- ruͤcke ſchieben, daß er nicht geſpan- net bleibe, Bilguer Wahrneh. p. 502. Jch ſage nur, Nerven ſind im ge- ſunden Zuſtande ungeſpannt, und die weichen empfinden ſtaͤrker. Ei- ne hiſteriſche Frau konnte kein Licht leiden, Fiſcher, Ponteau, Deſault.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/498>, abgerufen am 22.11.2024.