Das zweite Stükk unserer Theorie war, daß auch ohne eine Erweiterung der rechten Herzhölen, diese rech- ten Behältnisse von der Natur selbst grösser, als die linken geschaffen worden. Es ist dieses eine offenbare Sache. Es empfängt nämlich das rechte Herzohr in der Frucht, überhaupt alles Blut aus dem ganzen Körper, da das linke Ohr alles dessen beraubt würde, welches der Schlagadergang zuführt. Folglich ist dieses Ohr billig grösser, als das linke. Ferner so empfängt die Lungenschlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga- dergang von sich giebt, und welches die Blutadern der Lunge vorbeiströmt. Folglich ist auch diese selbst grösser, als ihre Blutadern. Endlich empfängt die rechte Herzkam- mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch fliest, und welches die linke Kammer enthält; sondern es ist der Verlust des, durch das eirunde Loch entlaufenden Blutes grösser, als das Zuströmen des durch das ei- runde Loch gehenden Blutes, indem dieser Gang viel grösser, als dieses Loch ist (b). Daher kömmt es auch, daß in der Frucht die rechte Kammer grösser, als die linke ist.
Man sieht, daß selbst in der Frucht bereits alle die Unterschiede der rechten Hölen vor der linken da sind, welche sich im erwachsenen Menschen zeigen, und daß diese vor jenen in der That ehe grösser sind, ehe noch ei- nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge- bährmutter verschlossenen Kindes gefunden, und daß die Natur dasjenige zu dem künftigen Nuzzen des Lebens vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit unsers Blutes zuschreibt. Es erhält aber ein Mensch, so wie er grösser wächst, diese grössere Ausdehnung auf der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei-
runde
(b)[Spaltenumbruch]
Vergl. das Programma de anatom. IV. [Spaltenumbruch]
foramine ovali im fascicul. Icon
Das Atemholen. VIII. Buch.
Das zweite Stuͤkk unſerer Theorie war, daß auch ohne eine Erweiterung der rechten Herzhoͤlen, dieſe rech- ten Behaͤltniſſe von der Natur ſelbſt groͤſſer, als die linken geſchaffen worden. Es iſt dieſes eine offenbare Sache. Es empfaͤngt naͤmlich das rechte Herzohr in der Frucht, uͤberhaupt alles Blut aus dem ganzen Koͤrper, da das linke Ohr alles deſſen beraubt wuͤrde, welches der Schlagadergang zufuͤhrt. Folglich iſt dieſes Ohr billig groͤſſer, als das linke. Ferner ſo empfaͤngt die Lungenſchlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga- dergang von ſich giebt, und welches die Blutadern der Lunge vorbeiſtroͤmt. Folglich iſt auch dieſe ſelbſt groͤſſer, als ihre Blutadern. Endlich empfaͤngt die rechte Herzkam- mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch flieſt, und welches die linke Kammer enthaͤlt; ſondern es iſt der Verluſt des, durch das eirunde Loch entlaufenden Blutes groͤſſer, als das Zuſtroͤmen des durch das ei- runde Loch gehenden Blutes, indem dieſer Gang viel groͤſſer, als dieſes Loch iſt (b). Daher koͤmmt es auch, daß in der Frucht die rechte Kammer groͤſſer, als die linke iſt.
Man ſieht, daß ſelbſt in der Frucht bereits alle die Unterſchiede der rechten Hoͤlen vor der linken da ſind, welche ſich im erwachſenen Menſchen zeigen, und daß dieſe vor jenen in der That ehe groͤſſer ſind, ehe noch ei- nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge- baͤhrmutter verſchloſſenen Kindes gefunden, und daß die Natur dasjenige zu dem kuͤnftigen Nuzzen des Lebens vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit unſers Blutes zuſchreibt. Es erhaͤlt aber ein Menſch, ſo wie er groͤſſer waͤchſt, dieſe groͤſſere Ausdehnung auf der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei-
runde
(b)[Spaltenumbruch]
Vergl. das Programma de anatom. IV. [Spaltenumbruch]
foramine ovali im faſcicul. Icon
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0554"n="546[548]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Atemholen. <hirendition="#aq">VIII.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><p>Das zweite Stuͤkk unſerer Theorie war, daß auch<lb/>
ohne eine Erweiterung der rechten Herzhoͤlen, dieſe rech-<lb/>
ten Behaͤltniſſe von der Natur ſelbſt groͤſſer, als die<lb/>
linken geſchaffen worden. Es iſt dieſes eine offenbare<lb/>
Sache. Es empfaͤngt naͤmlich das rechte Herzohr in der<lb/>
Frucht, uͤberhaupt alles Blut aus dem ganzen Koͤrper,<lb/>
da das linke Ohr alles deſſen beraubt wuͤrde, welches<lb/>
der Schlagadergang zufuͤhrt. Folglich iſt dieſes Ohr<lb/>
billig groͤſſer, als das linke. Ferner ſo empfaͤngt die<lb/>
Lungenſchlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga-<lb/>
dergang von ſich giebt, und welches die Blutadern der<lb/>
Lunge vorbeiſtroͤmt. Folglich iſt auch dieſe ſelbſt groͤſſer, als<lb/>
ihre Blutadern. Endlich empfaͤngt die rechte Herzkam-<lb/>
mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch<lb/>
flieſt, und welches die linke Kammer enthaͤlt; ſondern es<lb/>
iſt der Verluſt des, durch das eirunde Loch entlaufenden<lb/>
Blutes groͤſſer, als das Zuſtroͤmen des durch das ei-<lb/>
runde Loch gehenden Blutes, indem dieſer Gang viel<lb/>
groͤſſer, als dieſes Loch iſt <noteplace="foot"n="(b)"><cb/>
Vergl. das Programma <hirendition="#aq">de<lb/>
anatom. IV.<lb/><cb/>
foramine ovali</hi> im <hirendition="#aq">faſcicul. Icon</hi></note>. Daher koͤmmt es auch,<lb/>
daß in der Frucht die rechte Kammer groͤſſer, als die<lb/>
linke iſt.</p><lb/><p>Man ſieht, daß ſelbſt in der Frucht bereits alle die<lb/>
Unterſchiede der rechten Hoͤlen vor der linken da ſind,<lb/>
welche ſich im erwachſenen Menſchen zeigen, und daß<lb/>
dieſe vor jenen in der That ehe groͤſſer ſind, ehe noch ei-<lb/>
nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge-<lb/>
baͤhrmutter verſchloſſenen Kindes gefunden, und daß die<lb/>
Natur dasjenige zu dem kuͤnftigen Nuzzen des Lebens<lb/>
vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit<lb/>
unſers Blutes zuſchreibt. Es erhaͤlt aber ein Menſch,<lb/>ſo wie er groͤſſer waͤchſt, dieſe groͤſſere Ausdehnung auf<lb/>
der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">runde</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[546[548]/0554]
Das Atemholen. VIII. Buch.
Das zweite Stuͤkk unſerer Theorie war, daß auch
ohne eine Erweiterung der rechten Herzhoͤlen, dieſe rech-
ten Behaͤltniſſe von der Natur ſelbſt groͤſſer, als die
linken geſchaffen worden. Es iſt dieſes eine offenbare
Sache. Es empfaͤngt naͤmlich das rechte Herzohr in der
Frucht, uͤberhaupt alles Blut aus dem ganzen Koͤrper,
da das linke Ohr alles deſſen beraubt wuͤrde, welches
der Schlagadergang zufuͤhrt. Folglich iſt dieſes Ohr
billig groͤſſer, als das linke. Ferner ſo empfaͤngt die
Lungenſchlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga-
dergang von ſich giebt, und welches die Blutadern der
Lunge vorbeiſtroͤmt. Folglich iſt auch dieſe ſelbſt groͤſſer, als
ihre Blutadern. Endlich empfaͤngt die rechte Herzkam-
mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch
flieſt, und welches die linke Kammer enthaͤlt; ſondern es
iſt der Verluſt des, durch das eirunde Loch entlaufenden
Blutes groͤſſer, als das Zuſtroͤmen des durch das ei-
runde Loch gehenden Blutes, indem dieſer Gang viel
groͤſſer, als dieſes Loch iſt (b). Daher koͤmmt es auch,
daß in der Frucht die rechte Kammer groͤſſer, als die
linke iſt.
Man ſieht, daß ſelbſt in der Frucht bereits alle die
Unterſchiede der rechten Hoͤlen vor der linken da ſind,
welche ſich im erwachſenen Menſchen zeigen, und daß
dieſe vor jenen in der That ehe groͤſſer ſind, ehe noch ei-
nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge-
baͤhrmutter verſchloſſenen Kindes gefunden, und daß die
Natur dasjenige zu dem kuͤnftigen Nuzzen des Lebens
vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit
unſers Blutes zuſchreibt. Es erhaͤlt aber ein Menſch,
ſo wie er groͤſſer waͤchſt, dieſe groͤſſere Ausdehnung auf
der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei-
runde
(b)
Vergl. das Programma de
anatom. IV.
foramine ovali im faſcicul. Icon
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 546[548]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/554>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.