Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Atemholen. VIII. Buch.

Das zweite Stükk unserer Theorie war, daß auch
ohne eine Erweiterung der rechten Herzhölen, diese rech-
ten Behältnisse von der Natur selbst grösser, als die
linken geschaffen worden. Es ist dieses eine offenbare
Sache. Es empfängt nämlich das rechte Herzohr in der
Frucht, überhaupt alles Blut aus dem ganzen Körper,
da das linke Ohr alles dessen beraubt würde, welches
der Schlagadergang zuführt. Folglich ist dieses Ohr
billig grösser, als das linke. Ferner so empfängt die
Lungenschlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga-
dergang von sich giebt, und welches die Blutadern der
Lunge vorbeiströmt. Folglich ist auch diese selbst grösser, als
ihre Blutadern. Endlich empfängt die rechte Herzkam-
mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch
fliest, und welches die linke Kammer enthält; sondern es
ist der Verlust des, durch das eirunde Loch entlaufenden
Blutes grösser, als das Zuströmen des durch das ei-
runde Loch gehenden Blutes, indem dieser Gang viel
grösser, als dieses Loch ist (b). Daher kömmt es auch,
daß in der Frucht die rechte Kammer grösser, als die
linke ist.

Man sieht, daß selbst in der Frucht bereits alle die
Unterschiede der rechten Hölen vor der linken da sind,
welche sich im erwachsenen Menschen zeigen, und daß
diese vor jenen in der That ehe grösser sind, ehe noch ei-
nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge-
bährmutter verschlossenen Kindes gefunden, und daß die
Natur dasjenige zu dem künftigen Nuzzen des Lebens
vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit
unsers Blutes zuschreibt. Es erhält aber ein Mensch,
so wie er grösser wächst, diese grössere Ausdehnung auf
der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei-

runde
(b) [Spaltenumbruch] Vergl. das Programma de
anatom. IV.
[Spaltenumbruch] foramine ovali
im fascicul. Icon
Das Atemholen. VIII. Buch.

Das zweite Stuͤkk unſerer Theorie war, daß auch
ohne eine Erweiterung der rechten Herzhoͤlen, dieſe rech-
ten Behaͤltniſſe von der Natur ſelbſt groͤſſer, als die
linken geſchaffen worden. Es iſt dieſes eine offenbare
Sache. Es empfaͤngt naͤmlich das rechte Herzohr in der
Frucht, uͤberhaupt alles Blut aus dem ganzen Koͤrper,
da das linke Ohr alles deſſen beraubt wuͤrde, welches
der Schlagadergang zufuͤhrt. Folglich iſt dieſes Ohr
billig groͤſſer, als das linke. Ferner ſo empfaͤngt die
Lungenſchlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga-
dergang von ſich giebt, und welches die Blutadern der
Lunge vorbeiſtroͤmt. Folglich iſt auch dieſe ſelbſt groͤſſer, als
ihre Blutadern. Endlich empfaͤngt die rechte Herzkam-
mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch
flieſt, und welches die linke Kammer enthaͤlt; ſondern es
iſt der Verluſt des, durch das eirunde Loch entlaufenden
Blutes groͤſſer, als das Zuſtroͤmen des durch das ei-
runde Loch gehenden Blutes, indem dieſer Gang viel
groͤſſer, als dieſes Loch iſt (b). Daher koͤmmt es auch,
daß in der Frucht die rechte Kammer groͤſſer, als die
linke iſt.

Man ſieht, daß ſelbſt in der Frucht bereits alle die
Unterſchiede der rechten Hoͤlen vor der linken da ſind,
welche ſich im erwachſenen Menſchen zeigen, und daß
dieſe vor jenen in der That ehe groͤſſer ſind, ehe noch ei-
nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge-
baͤhrmutter verſchloſſenen Kindes gefunden, und daß die
Natur dasjenige zu dem kuͤnftigen Nuzzen des Lebens
vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit
unſers Blutes zuſchreibt. Es erhaͤlt aber ein Menſch,
ſo wie er groͤſſer waͤchſt, dieſe groͤſſere Ausdehnung auf
der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei-

runde
(b) [Spaltenumbruch] Vergl. das Programma de
anatom. IV.
[Spaltenumbruch] foramine ovali
im faſcicul. Icon
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0554" n="546[548]"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das Atemholen. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Buch.</hi> </fw><lb/>
            <p>Das zweite Stu&#x0364;kk un&#x017F;erer Theorie war, daß auch<lb/>
ohne eine Erweiterung der rechten Herzho&#x0364;len, die&#x017F;e rech-<lb/>
ten Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e von der Natur &#x017F;elb&#x017F;t gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als die<lb/>
linken ge&#x017F;chaffen worden. Es i&#x017F;t die&#x017F;es eine offenbare<lb/>
Sache. Es empfa&#x0364;ngt na&#x0364;mlich das rechte Herzohr in der<lb/>
Frucht, u&#x0364;berhaupt alles Blut aus dem ganzen Ko&#x0364;rper,<lb/>
da das linke Ohr alles de&#x017F;&#x017F;en beraubt wu&#x0364;rde, welches<lb/>
der Schlagadergang zufu&#x0364;hrt. Folglich i&#x017F;t die&#x017F;es Ohr<lb/>
billig gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als das linke. Ferner &#x017F;o empfa&#x0364;ngt die<lb/>
Lungen&#x017F;chlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga-<lb/>
dergang von &#x017F;ich giebt, und welches die Blutadern der<lb/>
Lunge vorbei&#x017F;tro&#x0364;mt. Folglich i&#x017F;t auch die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als<lb/>
ihre Blutadern. Endlich empfa&#x0364;ngt die rechte Herzkam-<lb/>
mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch<lb/>
flie&#x017F;t, und welches die linke Kammer entha&#x0364;lt; &#x017F;ondern es<lb/>
i&#x017F;t der Verlu&#x017F;t des, durch das eirunde Loch entlaufenden<lb/>
Blutes gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als das Zu&#x017F;tro&#x0364;men des durch das ei-<lb/>
runde Loch gehenden Blutes, indem die&#x017F;er Gang viel<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als die&#x017F;es Loch i&#x017F;t <note place="foot" n="(b)"><cb/>
Vergl. das Programma <hi rendition="#aq">de<lb/>
anatom. IV.<lb/><cb/>
foramine ovali</hi> im <hi rendition="#aq">fa&#x017F;cicul. Icon</hi></note>. Daher ko&#x0364;mmt es auch,<lb/>
daß in der Frucht die rechte Kammer gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als die<lb/>
linke i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Man &#x017F;ieht, daß &#x017F;elb&#x017F;t in der Frucht bereits alle die<lb/>
Unter&#x017F;chiede der rechten Ho&#x0364;len vor der linken da &#x017F;ind,<lb/>
welche &#x017F;ich im erwach&#x017F;enen Men&#x017F;chen zeigen, und daß<lb/>
die&#x017F;e vor jenen in der That ehe gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ind, ehe noch ei-<lb/>
nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge-<lb/>
ba&#x0364;hrmutter ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Kindes gefunden, und daß die<lb/>
Natur dasjenige zu dem ku&#x0364;nftigen Nuzzen des Lebens<lb/>
vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit<lb/>
un&#x017F;ers Blutes zu&#x017F;chreibt. Es erha&#x0364;lt aber ein Men&#x017F;ch,<lb/>
&#x017F;o wie er gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wa&#x0364;ch&#x017F;t, die&#x017F;e gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Ausdehnung auf<lb/>
der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">runde</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[546[548]/0554] Das Atemholen. VIII. Buch. Das zweite Stuͤkk unſerer Theorie war, daß auch ohne eine Erweiterung der rechten Herzhoͤlen, dieſe rech- ten Behaͤltniſſe von der Natur ſelbſt groͤſſer, als die linken geſchaffen worden. Es iſt dieſes eine offenbare Sache. Es empfaͤngt naͤmlich das rechte Herzohr in der Frucht, uͤberhaupt alles Blut aus dem ganzen Koͤrper, da das linke Ohr alles deſſen beraubt wuͤrde, welches der Schlagadergang zufuͤhrt. Folglich iſt dieſes Ohr billig groͤſſer, als das linke. Ferner ſo empfaͤngt die Lungenſchlagader dasjenige Blut, welches der Schlaga- dergang von ſich giebt, und welches die Blutadern der Lunge vorbeiſtroͤmt. Folglich iſt auch dieſe ſelbſt groͤſſer, als ihre Blutadern. Endlich empfaͤngt die rechte Herzkam- mer nicht eben das Blut, welches durch das eirunde Loch flieſt, und welches die linke Kammer enthaͤlt; ſondern es iſt der Verluſt des, durch das eirunde Loch entlaufenden Blutes groͤſſer, als das Zuſtroͤmen des durch das ei- runde Loch gehenden Blutes, indem dieſer Gang viel groͤſſer, als dieſes Loch iſt (b). Daher koͤmmt es auch, daß in der Frucht die rechte Kammer groͤſſer, als die linke iſt. Man ſieht, daß ſelbſt in der Frucht bereits alle die Unterſchiede der rechten Hoͤlen vor der linken da ſind, welche ſich im erwachſenen Menſchen zeigen, und daß dieſe vor jenen in der That ehe groͤſſer ſind, ehe noch ei- nige Luft einigen Zutritt zu dem Blute, des in der Ge- baͤhrmutter verſchloſſenen Kindes gefunden, und daß die Natur dasjenige zu dem kuͤnftigen Nuzzen des Lebens vorbereitet habe, welches man der vermehrten Dichtheit unſers Blutes zuſchreibt. Es erhaͤlt aber ein Menſch, ſo wie er groͤſſer waͤchſt, dieſe groͤſſere Ausdehnung auf der rechten Seite, auch denn noch, wenn bereits das ei- runde (b) Vergl. das Programma de anatom. IV. foramine ovali im faſcicul. Icon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/554
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 546[548]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/554>, abgerufen am 22.11.2024.