Schlagäderchen die Frage ist, aus denen die Gefäschen, die den neuen Saft herbeiführen, ihr Entstehn bekom- men. Was die grössern Nezze betrift, welche aus Stämmen von mehrern Kugelkalibern, erwachsen, so sind sich solche noch nicht unänlich genung, noch nach Proportion ihrer verschiednen Säfte, die an jedem Orte erzeugt werden, deutlich genung von einander unterschie- den. Warum sind also ebenfalls beinahe gerade ge- strekkte Gefässe der Milz, und den so zarten Flüßigkei- ten im Auge von der Natur mitgeteilt worden? Warum hat die graue Gehirnsubstanz, die Milz, und der Mut- terkuchen, bei einer höchst unänlichen Absicht, Nuzzen, ungleichen Säften, doch einen änlichen Bau? Da doch auf der einen Seite die zärteste Flüßigkeit unter allen Flüßigkeiten, auf der andern Seite hingegen entweder nichts, oder doch nur eine träge Galle abgeschieden wird.
Endlich so zernichtet der Bau der Blutadern fast alle meine noch übrige Hofnung. Denn ich finde weder die Blutadernezze loser (a), noch ihre Winkel recht, son- dern sie zerästeln sich am öftersten eben auf die Weise, als die Schlagadern. Neben den Schlagaderbäumchen laufen an den Gedärmen ganz änliche Blutaderbäum- chen. Es sind die grössern Ringe am Gekröse ebenfalls aus Blutadern, die sich einander begegnen, zusammen- gesezzt, so gut wie sie aus Schlagadern bestehen (b): im Eie aber sind diese Aderkreise überhaupt Blutäderchen, und man kann sich keine schönere Zeichnungen, als diese vorstellen (c). Und doch lässet sich von Blutadern keine Absonderung erwarten. Aber auch da, wo kein Abson- dern, sondern nur ein durchgehens änlicher Dunst statt findet, wie an Membranen geschicht, findet man bald hie, bald da die Nezzwerke höchst verschiedentlich angebracht. Folglich scheinen diese verschiedne Bildungen der Schlag-
adern
(a)[Spaltenumbruch]Hales angef. Ort. S. 137. 2. Buch.
(b)[Spaltenumbruch]Tab. art. mes. Fascic. IV.
(c) Vorhergehender Paragraph.
Siebendes Buch. Die Urſachen
Schlagaͤderchen die Frage iſt, aus denen die Gefaͤschen, die den neuen Saft herbeifuͤhren, ihr Entſtehn bekom- men. Was die groͤſſern Nezze betrift, welche aus Staͤmmen von mehrern Kugelkalibern, erwachſen, ſo ſind ſich ſolche noch nicht unaͤnlich genung, noch nach Proportion ihrer verſchiednen Saͤfte, die an jedem Orte erzeugt werden, deutlich genung von einander unterſchie- den. Warum ſind alſo ebenfalls beinahe gerade ge- ſtrekkte Gefaͤſſe der Milz, und den ſo zarten Fluͤßigkei- ten im Auge von der Natur mitgeteilt worden? Warum hat die graue Gehirnſubſtanz, die Milz, und der Mut- terkuchen, bei einer hoͤchſt unaͤnlichen Abſicht, Nuzzen, ungleichen Saͤften, doch einen aͤnlichen Bau? Da doch auf der einen Seite die zaͤrteſte Fluͤßigkeit unter allen Fluͤßigkeiten, auf der andern Seite hingegen entweder nichts, oder doch nur eine traͤge Galle abgeſchieden wird.
Endlich ſo zernichtet der Bau der Blutadern faſt alle meine noch uͤbrige Hofnung. Denn ich finde weder die Blutadernezze loſer (a), noch ihre Winkel recht, ſon- dern ſie zeraͤſteln ſich am oͤfterſten eben auf die Weiſe, als die Schlagadern. Neben den Schlagaderbaͤumchen laufen an den Gedaͤrmen ganz aͤnliche Blutaderbaͤum- chen. Es ſind die groͤſſern Ringe am Gekroͤſe ebenfalls aus Blutadern, die ſich einander begegnen, zuſammen- geſezzt, ſo gut wie ſie aus Schlagadern beſtehen (b): im Eie aber ſind dieſe Aderkreiſe uͤberhaupt Blutaͤderchen, und man kann ſich keine ſchoͤnere Zeichnungen, als dieſe vorſtellen (c). Und doch laͤſſet ſich von Blutadern keine Abſonderung erwarten. Aber auch da, wo kein Abſon- dern, ſondern nur ein durchgehens aͤnlicher Dunſt ſtatt findet, wie an Membranen geſchicht, findet man bald hie, bald da die Nezzwerke hoͤchſt verſchiedentlich angebracht. Folglich ſcheinen dieſe verſchiedne Bildungen der Schlag-
adern
(a)[Spaltenumbruch]Hales angef. Ort. S. 137. 2. Buch.
(b)[Spaltenumbruch]Tab. art. meſ. Faſcic. IV.
(c) Vorhergehender Paragraph.
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Siebendes Buch. Die Urſachen
Schlagaͤderchen die Frage iſt, aus denen die Gefaͤschen,
die den neuen Saft herbeifuͤhren, ihr Entſtehn bekom-
men. Was die groͤſſern Nezze betrift, welche aus
Staͤmmen von mehrern Kugelkalibern, erwachſen, ſo
ſind ſich ſolche noch nicht unaͤnlich genung, noch nach
Proportion ihrer verſchiednen Saͤfte, die an jedem Orte
erzeugt werden, deutlich genung von einander unterſchie-
den. Warum ſind alſo ebenfalls beinahe gerade ge-
ſtrekkte Gefaͤſſe der Milz, und den ſo zarten Fluͤßigkei-
ten im Auge von der Natur mitgeteilt worden? Warum
hat die graue Gehirnſubſtanz, die Milz, und der Mut-
terkuchen, bei einer hoͤchſt unaͤnlichen Abſicht, Nuzzen,
ungleichen Saͤften, doch einen aͤnlichen Bau? Da doch
auf der einen Seite die zaͤrteſte Fluͤßigkeit unter allen
Fluͤßigkeiten, auf der andern Seite hingegen entweder
nichts, oder doch nur eine traͤge Galle abgeſchieden wird.
Endlich ſo zernichtet der Bau der Blutadern faſt
alle meine noch uͤbrige Hofnung. Denn ich finde weder
die Blutadernezze loſer (a), noch ihre Winkel recht, ſon-
dern ſie zeraͤſteln ſich am oͤfterſten eben auf die Weiſe,
als die Schlagadern. Neben den Schlagaderbaͤumchen
laufen an den Gedaͤrmen ganz aͤnliche Blutaderbaͤum-
chen. Es ſind die groͤſſern Ringe am Gekroͤſe ebenfalls
aus Blutadern, die ſich einander begegnen, zuſammen-
geſezzt, ſo gut wie ſie aus Schlagadern beſtehen (b): im
Eie aber ſind dieſe Aderkreiſe uͤberhaupt Blutaͤderchen,
und man kann ſich keine ſchoͤnere Zeichnungen, als dieſe
vorſtellen (c). Und doch laͤſſet ſich von Blutadern keine
Abſonderung erwarten. Aber auch da, wo kein Abſon-
dern, ſondern nur ein durchgehens aͤnlicher Dunſt ſtatt
findet, wie an Membranen geſchicht, findet man bald hie,
bald da die Nezzwerke hoͤchſt verſchiedentlich angebracht.
Folglich ſcheinen dieſe verſchiedne Bildungen der Schlag-
adern
(a)
Hales angef. Ort. S. 137.
2. Buch.
(b)
Tab. art. meſ. Faſcic. IV.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/714>, abgerufen am 22.11.2024.
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