Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebendes Buch. Die Ursachen
bestimmten Durchseiher ein solches Blut hingeleitet, in
welchem sich sehr viele änliche Theilchen von dem Safte
befinden, der durch diesen Durchseiher durchgeseihet wer-
den soll. Berümte Männer haben bereits längst diese
Notwendigkeit eines trägen Laufes zur Absonderung ein-
gesehen, und sie leugneten so gar, daß sich etwas ohne
eine träge Bewegung des Blutes absondern lasse. Und
dieses war auch die Ursache, warum der berümte Nei-
feld
geschrieben, ein spizzer Winkel stehe der Absonde-
rung im Wege, ein rechter befördre selbige (k).

Eben so vermert eine träge Bewegung den Seiten-
drukk (l), sie leitet demnach die zum Absondern bestimmte
Theilchen gegen die Wände, in welchen sich die abson-
dernde Werkzeuge öffnen. Dahingegen drenget die
Schnelligkeit das Blut längst der Achse der Mündungen
fort, so daß das Blut die Länge seines Kanals zum
Striche bekömmt, und sich wenig an die Wände kehrt.
Es kann dieses die Ursache seyn, warum sich kein Fett
in Personen, die sich sehr bemühen, in den Fächerchen
anlegt.

Wächset diese Wirksamkeit der Trägheit, so macht
selbige, daß vor andern nur die zähen Säfte abgeschieden
werden, indem sich selbige, nach geminderter oder gar
gehemmter Bewegung, viel leichter aneinander hängen,
und nunmehr in ihren Gefässen ein schon zäheres, und
zur Bewegung untauglicheres Flüssige ausmachen (m).
Sie werden nämlich blos von der Anziehungskraft be-
herrscht, so bald die Gegengewalt des Fortrükkens auf-
gehoben worden. Solchergestalt fand der berümte Nes-
bit
(n) in den kleinsten Gefässen steinige Knochenteilchen,
andre entdekkten leimige, und zum Ausfüllen der Kno-

chen-
(k) [Spaltenumbruch] n. 239. 245. sauvages Phy-
siol.
S. 171. u. f.
(l) Jones de mot. muscul. ver-
gleichet damit das 6. Buch. 2. Ab-
schnitt. §. 7.
(m) [Spaltenumbruch] S. 32. De secretione bilis
spoletvs. Venet.
1685.
(n) nesbit Human osteogeny
S. 20.

Siebendes Buch. Die Urſachen
beſtimmten Durchſeiher ein ſolches Blut hingeleitet, in
welchem ſich ſehr viele aͤnliche Theilchen von dem Safte
befinden, der durch dieſen Durchſeiher durchgeſeihet wer-
den ſoll. Beruͤmte Maͤnner haben bereits laͤngſt dieſe
Notwendigkeit eines traͤgen Laufes zur Abſonderung ein-
geſehen, und ſie leugneten ſo gar, daß ſich etwas ohne
eine traͤge Bewegung des Blutes abſondern laſſe. Und
dieſes war auch die Urſache, warum der beruͤmte Nei-
feld
geſchrieben, ein ſpizzer Winkel ſtehe der Abſonde-
rung im Wege, ein rechter befoͤrdre ſelbige (k).

Eben ſo vermert eine traͤge Bewegung den Seiten-
drukk (l), ſie leitet demnach die zum Abſondern beſtimmte
Theilchen gegen die Waͤnde, in welchen ſich die abſon-
dernde Werkzeuge oͤffnen. Dahingegen drenget die
Schnelligkeit das Blut laͤngſt der Achſe der Muͤndungen
fort, ſo daß das Blut die Laͤnge ſeines Kanals zum
Striche bekoͤmmt, und ſich wenig an die Waͤnde kehrt.
Es kann dieſes die Urſache ſeyn, warum ſich kein Fett
in Perſonen, die ſich ſehr bemuͤhen, in den Faͤcherchen
anlegt.

Waͤchſet dieſe Wirkſamkeit der Traͤgheit, ſo macht
ſelbige, daß vor andern nur die zaͤhen Saͤfte abgeſchieden
werden, indem ſich ſelbige, nach geminderter oder gar
gehemmter Bewegung, viel leichter aneinander haͤngen,
und nunmehr in ihren Gefaͤſſen ein ſchon zaͤheres, und
zur Bewegung untauglicheres Fluͤſſige ausmachen (m).
Sie werden naͤmlich blos von der Anziehungskraft be-
herrſcht, ſo bald die Gegengewalt des Fortruͤkkens auf-
gehoben worden. Solchergeſtalt fand der beruͤmte Nes-
bit
(n) in den kleinſten Gefaͤſſen ſteinige Knochenteilchen,
andre entdekkten leimige, und zum Ausfuͤllen der Kno-

chen-
(k) [Spaltenumbruch] n. 239. 245. ſauvageſ Phy-
ſiol.
S. 171. u. f.
(l) Joneſ de mot. muſcul. ver-
gleichet damit das 6. Buch. 2. Ab-
ſchnitt. §. 7.
(m) [Spaltenumbruch] S. 32. De ſecretione bilis
ſpoletvſ. Venet.
1685.
(n) neſbit Human oſteogeny
S. 20.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0704" n="684"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch. Die Ur&#x017F;achen</hi></fw><lb/>
be&#x017F;timmten Durch&#x017F;eiher ein &#x017F;olches Blut hingeleitet, in<lb/>
welchem &#x017F;ich &#x017F;ehr viele a&#x0364;nliche Theilchen von dem Safte<lb/>
befinden, der durch die&#x017F;en Durch&#x017F;eiher durchge&#x017F;eihet wer-<lb/>
den &#x017F;oll. Beru&#x0364;mte Ma&#x0364;nner haben bereits la&#x0364;ng&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
Notwendigkeit eines tra&#x0364;gen Laufes zur Ab&#x017F;onderung ein-<lb/>
ge&#x017F;ehen, und &#x017F;ie leugneten &#x017F;o gar, daß &#x017F;ich etwas ohne<lb/>
eine tra&#x0364;ge Bewegung des Blutes ab&#x017F;ondern la&#x017F;&#x017F;e. Und<lb/>
die&#x017F;es war auch die Ur&#x017F;ache, warum der beru&#x0364;mte <hi rendition="#fr">Nei-<lb/>
feld</hi> ge&#x017F;chrieben, ein &#x017F;pizzer Winkel &#x017F;tehe der Ab&#x017F;onde-<lb/>
rung im Wege, ein rechter befo&#x0364;rdre &#x017F;elbige <note place="foot" n="(k)"><cb/><hi rendition="#aq">n. 239. 245. <hi rendition="#k">&#x017F;auvage&#x017F;</hi> Phy-<lb/>
&#x017F;iol.</hi> S. 171. u. f.</note>.</p><lb/>
            <p>Eben &#x017F;o vermert eine tra&#x0364;ge Bewegung den Seiten-<lb/>
drukk <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Jone&#x017F;</hi> de mot. mu&#x017F;cul.</hi> ver-<lb/>
gleichet damit das 6. Buch. 2. Ab-<lb/>
&#x017F;chnitt. §. 7.</note>, &#x017F;ie leitet demnach die zum Ab&#x017F;ondern be&#x017F;timmte<lb/>
Theilchen gegen die Wa&#x0364;nde, in welchen &#x017F;ich die ab&#x017F;on-<lb/>
dernde Werkzeuge o&#x0364;ffnen. Dahingegen drenget die<lb/>
Schnelligkeit das Blut la&#x0364;ng&#x017F;t der Ach&#x017F;e der Mu&#x0364;ndungen<lb/>
fort, &#x017F;o daß das Blut die La&#x0364;nge &#x017F;eines Kanals zum<lb/>
Striche beko&#x0364;mmt, und &#x017F;ich wenig an die Wa&#x0364;nde kehrt.<lb/>
Es kann die&#x017F;es die Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn, warum &#x017F;ich kein Fett<lb/>
in Per&#x017F;onen, die &#x017F;ich &#x017F;ehr bemu&#x0364;hen, in den Fa&#x0364;cherchen<lb/>
anlegt.</p><lb/>
            <p>Wa&#x0364;ch&#x017F;et die&#x017F;e Wirk&#x017F;amkeit der Tra&#x0364;gheit, &#x017F;o macht<lb/>
&#x017F;elbige, daß vor andern nur die za&#x0364;hen Sa&#x0364;fte abge&#x017F;chieden<lb/>
werden, indem &#x017F;ich &#x017F;elbige, nach geminderter oder gar<lb/>
gehemmter Bewegung, viel leichter aneinander ha&#x0364;ngen,<lb/>
und nunmehr in ihren Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ein &#x017F;chon za&#x0364;heres, und<lb/>
zur Bewegung untauglicheres Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige ausmachen <note place="foot" n="(m)"><cb/>
S. 32. <hi rendition="#aq">De &#x017F;ecretione bilis<lb/><hi rendition="#k">&#x017F;poletv&#x017F;.</hi> Venet.</hi> 1685.</note>.<lb/>
Sie werden na&#x0364;mlich blos von der Anziehungskraft be-<lb/>
herr&#x017F;cht, &#x017F;o bald die Gegengewalt des Fortru&#x0364;kkens auf-<lb/>
gehoben worden. Solcherge&#x017F;talt fand der beru&#x0364;mte <hi rendition="#fr">Nes-<lb/>
bit</hi> <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">ne&#x017F;bit</hi> Human o&#x017F;teogeny</hi><lb/>
S. 20.</note> in den klein&#x017F;ten Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;teinige Knochenteilchen,<lb/>
andre entdekkten leimige, und zum Ausfu&#x0364;llen der Kno-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[684/0704] Siebendes Buch. Die Urſachen beſtimmten Durchſeiher ein ſolches Blut hingeleitet, in welchem ſich ſehr viele aͤnliche Theilchen von dem Safte befinden, der durch dieſen Durchſeiher durchgeſeihet wer- den ſoll. Beruͤmte Maͤnner haben bereits laͤngſt dieſe Notwendigkeit eines traͤgen Laufes zur Abſonderung ein- geſehen, und ſie leugneten ſo gar, daß ſich etwas ohne eine traͤge Bewegung des Blutes abſondern laſſe. Und dieſes war auch die Urſache, warum der beruͤmte Nei- feld geſchrieben, ein ſpizzer Winkel ſtehe der Abſonde- rung im Wege, ein rechter befoͤrdre ſelbige (k). Eben ſo vermert eine traͤge Bewegung den Seiten- drukk (l), ſie leitet demnach die zum Abſondern beſtimmte Theilchen gegen die Waͤnde, in welchen ſich die abſon- dernde Werkzeuge oͤffnen. Dahingegen drenget die Schnelligkeit das Blut laͤngſt der Achſe der Muͤndungen fort, ſo daß das Blut die Laͤnge ſeines Kanals zum Striche bekoͤmmt, und ſich wenig an die Waͤnde kehrt. Es kann dieſes die Urſache ſeyn, warum ſich kein Fett in Perſonen, die ſich ſehr bemuͤhen, in den Faͤcherchen anlegt. Waͤchſet dieſe Wirkſamkeit der Traͤgheit, ſo macht ſelbige, daß vor andern nur die zaͤhen Saͤfte abgeſchieden werden, indem ſich ſelbige, nach geminderter oder gar gehemmter Bewegung, viel leichter aneinander haͤngen, und nunmehr in ihren Gefaͤſſen ein ſchon zaͤheres, und zur Bewegung untauglicheres Fluͤſſige ausmachen (m). Sie werden naͤmlich blos von der Anziehungskraft be- herrſcht, ſo bald die Gegengewalt des Fortruͤkkens auf- gehoben worden. Solchergeſtalt fand der beruͤmte Nes- bit (n) in den kleinſten Gefaͤſſen ſteinige Knochenteilchen, andre entdekkten leimige, und zum Ausfuͤllen der Kno- chen- (k) n. 239. 245. ſauvageſ Phy- ſiol. S. 171. u. f. (l) Joneſ de mot. muſcul. ver- gleichet damit das 6. Buch. 2. Ab- ſchnitt. §. 7. (m) S. 32. De ſecretione bilis ſpoletvſ. Venet. 1685. (n) neſbit Human oſteogeny S. 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/704
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/704>, abgerufen am 22.11.2024.