der gemeinschaftliche und reissende Blutstrom, Damf, Wasser, Kügelchen, Fett, das Eiweis, alles in gehöriger Mischung unter einander, er läst nicht die fetten, oder gallertartige, oder schleimige Theile zu einer nähern Be- rürung gelangen, sondern er hindert durch das dazwi- schen gelagerte Wasser, und durch den zartflüßigen Dunst, daß sich die benachbarte Theile einander nicht zu nahe kom- men und anziehen. So wälzt ein unaufgehaltner Flus, mit den Fluten zugleich Sand und ausgerissene Buchen von Gebirgen herab; sobald er aber die freundliche Ebnen erreicht, läst sein Sturm nach, und es sinken ihm im nächsten Sande, die schwerfälligste Eroberungen aus den Händen, so bald nur erst die schnellen Fluten wieder zu sich selbst gekommen sind.
Die Wärme trägt zur Flüßigkeit ebenfalls das ihrige mit bey. Es ist Blut in einer so genannten Digestions- wärme einen ganzen Monat flüßig geblieben, und eben so hartnäkkig bewies sich seine Flüßigkeit, an einer mit Blute unterlaufnen Stelle der Haut, da die Lebenswär- me das aus seinen Gefässen ergoßne Blut bähete (f). Es teilet nämlich die Wärme dem Blute eine innerliche, das Herz hingegen eine Bewegung zum Fortrükken mit, beide lassen es nicht zum Stillstehen gelangen. Es ist im Anfange eines schlimmen Wechselfiebers das Blut träge, gegen das Ende des Fiebers aber schon flüßiger.
Ob die Massen der Stoffe zur Flüßigkeit etwas mit- beitrage, das bleibt noch eine Frage. Jch weis zwar wohl, daß sich die Anziehungen wie die Oberflächen verhalten, und daß diese an grössern Stoffen grösser sind, da ohne Zweifel ein aus sechs andern zusammengeballtes Kügelchen eine kleinere Oberfläche besizzet (h). Doch es ist darum nicht flüßiger, was aus grössern Grund- (e) (g)
der gemeinſchaftliche und reiſſende Blutſtrom, Damf, Waſſer, Kuͤgelchen, Fett, das Eiweis, alles in gehoͤriger Miſchung unter einander, er laͤſt nicht die fetten, oder gallertartige, oder ſchleimige Theile zu einer naͤhern Be- ruͤrung gelangen, ſondern er hindert durch das dazwi- ſchen gelagerte Waſſer, und durch den zartfluͤßigen Dunſt, daß ſich die benachbarte Theile einander nicht zu nahe kom- men und anziehen. So waͤlzt ein unaufgehaltner Flus, mit den Fluten zugleich Sand und ausgeriſſene Buchen von Gebirgen herab; ſobald er aber die freundliche Ebnen erreicht, laͤſt ſein Sturm nach, und es ſinken ihm im naͤchſten Sande, die ſchwerfaͤlligſte Eroberungen aus den Haͤnden, ſo bald nur erſt die ſchnellen Fluten wieder zu ſich ſelbſt gekommen ſind.
Die Waͤrme traͤgt zur Fluͤßigkeit ebenfalls das ihrige mit bey. Es iſt Blut in einer ſo genannten Digeſtions- waͤrme einen ganzen Monat fluͤßig geblieben, und eben ſo hartnaͤkkig bewies ſich ſeine Fluͤßigkeit, an einer mit Blute unterlaufnen Stelle der Haut, da die Lebenswaͤr- me das aus ſeinen Gefaͤſſen ergoßne Blut baͤhete (f). Es teilet naͤmlich die Waͤrme dem Blute eine innerliche, das Herz hingegen eine Bewegung zum Fortruͤkken mit, beide laſſen es nicht zum Stillſtehen gelangen. Es iſt im Anfange eines ſchlimmen Wechſelfiebers das Blut traͤge, gegen das Ende des Fiebers aber ſchon fluͤßiger.
Ob die Maſſen der Stoffe zur Fluͤßigkeit etwas mit- beitrage, das bleibt noch eine Frage. Jch weis zwar wohl, daß ſich die Anziehungen wie die Oberflaͤchen verhalten, und daß dieſe an groͤſſern Stoffen groͤſſer ſind, da ohne Zweifel ein aus ſechs andern zuſammengeballtes Kuͤgelchen eine kleinere Oberflaͤche beſizzet (h). Doch es iſt darum nicht fluͤßiger, was aus groͤſſern Grund- (e) (g)
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Sechſtes Buch. Die Wirkung des
der gemeinſchaftliche und reiſſende Blutſtrom, Damf,
Waſſer, Kuͤgelchen, Fett, das Eiweis, alles in gehoͤriger
Miſchung unter einander, er laͤſt nicht die fetten, oder
gallertartige, oder ſchleimige Theile zu einer naͤhern Be-
ruͤrung gelangen, ſondern er hindert durch das dazwi-
ſchen gelagerte Waſſer, und durch den zartfluͤßigen Dunſt,
daß ſich die benachbarte Theile einander nicht zu nahe kom-
men und anziehen. So waͤlzt ein unaufgehaltner Flus,
mit den Fluten zugleich Sand und ausgeriſſene Buchen
von Gebirgen herab; ſobald er aber die freundliche Ebnen
erreicht, laͤſt ſein Sturm nach, und es ſinken ihm im
naͤchſten Sande, die ſchwerfaͤlligſte Eroberungen aus den
Haͤnden, ſo bald nur erſt die ſchnellen Fluten wieder zu
ſich ſelbſt gekommen ſind.
Die Waͤrme traͤgt zur Fluͤßigkeit ebenfalls das ihrige
mit bey. Es iſt Blut in einer ſo genannten Digeſtions-
waͤrme einen ganzen Monat fluͤßig geblieben, und eben
ſo hartnaͤkkig bewies ſich ſeine Fluͤßigkeit, an einer mit
Blute unterlaufnen Stelle der Haut, da die Lebenswaͤr-
me das aus ſeinen Gefaͤſſen ergoßne Blut baͤhete (f).
Es teilet naͤmlich die Waͤrme dem Blute eine innerliche,
das Herz hingegen eine Bewegung zum Fortruͤkken mit,
beide laſſen es nicht zum Stillſtehen gelangen. Es iſt
im Anfange eines ſchlimmen Wechſelfiebers das Blut
traͤge, gegen das Ende des Fiebers aber ſchon fluͤßiger.
Ob die Maſſen der Stoffe zur Fluͤßigkeit etwas mit-
beitrage, das bleibt noch eine Frage. Jch weis zwar
wohl, daß ſich die Anziehungen wie die Oberflaͤchen
verhalten, und daß dieſe an groͤſſern Stoffen groͤſſer ſind,
da ohne Zweifel ein aus ſechs andern zuſammengeballtes
Kuͤgelchen eine kleinere Oberflaͤche beſizzet (h). Doch
es iſt darum nicht fluͤßiger, was aus groͤſſern Grund-
ſtoffen
(e)
(g)
(f) cyprian Epiſt. ad Millincto-
num S. 55.
(h)
Vergleichet damit 5. Buch.
4. Abſchn. §. 9. 6. Buch. 1. Abſchn.
§. 8.
(e)
birch T. III. S. 236.
(g) tabor S. 274.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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