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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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des menschlichen Körpers. Faser.
aus noch kleinern andern Fasern zusammengesezzt (n);
sie verwandelt sich aber mit andern ähnlichen in zweene
sichtbare und feste thierische Grundstoffe. Der erste die-
ser Stoffe ist einer Linie fast gleich, und nebst einer ge-
ringen Breite lang; man nennet ihn gemeiniglich Fa-
ser
(o). Das allgemeine Naturgesezz, räth uns, weil
wir nirgens die Elemente der Dinge an sich unvermischt
wahrnemen, den schon sichtbaren Faden aus der Zusam-
mensezzung mit andern kleinern herzuleiten. Ferner zer-
legen die Vergrößrungsgläser die Fasern der Knochen
und Muskeln in viele andre kleinere; sie zeigen in einer
Knochenfaser Päkke von kleinern Fäserchen, nach dem
angestellten Versuche des berühmten von Hamels (p):
eben so zertheilen sich die Muskelfasern nach der mühsa-
men Erfindung des von Leeuwenhoek (q) nnd Muys
dergestalt in immer kleinere Fäden, daß endlich die äus-
serste Vergrösserungskraft der Gläser stehen bleiben muß,
ohne das Ende der Zertheilungen abzuwarten. Was
die knochigen Fasern lehren, das gilt ohne Zweifel eben
sowohl von den Membranen; denn mehrentheils ist eine
Faser erst häutig, bevor sie zum Knochen wird. Fügen
sich mehrere Fäden nach ihrer Länge und parallel zu-
sammen, und vereinigen sie sich mit den Enden anderer,
so bildet sich dadurch eine sichtbare Faser, an der folglich
weder die Länge noch Breite mehr einfach ist. Die zu-
erst sichtbar werdende und den blossen Augen nach einfa-
che Fasern sind nach ihrer Länge und Kennbarkeit an den
Knochen junger Kinder zu beobachten, nämlich an den brei-
ten Knochen des Vorderkopfes, der Stirn und des Hinter-
kopfes; sie machen hier, wenn sie unter einander parallel
laufen, und durch Spalten weit von einander gehalten wer-
den, die dazwischen liegende Erhabenheit aus. Man darf

nur
(n) [Spaltenumbruch] Ludwigs Physiol. N. 130.
(o) Gorter nennt sie stamen,
Faden. in chir. S. 259. N. 789. u. w.
(p) [Spaltenumbruch] Mem. de l'ac. d. sci. 1743. S. 128.
(q) Jch werde mich hierüber
weitläuftiger in der Abhandlung
von den Muskelfasern erklären.

des menſchlichen Koͤrpers. Faſer.
aus noch kleinern andern Faſern zuſammengeſezzt (n);
ſie verwandelt ſich aber mit andern aͤhnlichen in zweene
ſichtbare und feſte thieriſche Grundſtoffe. Der erſte die-
ſer Stoffe iſt einer Linie faſt gleich, und nebſt einer ge-
ringen Breite lang; man nennet ihn gemeiniglich Fa-
ſer
(o). Das allgemeine Naturgeſezz, raͤth uns, weil
wir nirgens die Elemente der Dinge an ſich unvermiſcht
wahrnemen, den ſchon ſichtbaren Faden aus der Zuſam-
menſezzung mit andern kleinern herzuleiten. Ferner zer-
legen die Vergroͤßrungsglaͤſer die Faſern der Knochen
und Muskeln in viele andre kleinere; ſie zeigen in einer
Knochenfaſer Paͤkke von kleinern Faͤſerchen, nach dem
angeſtellten Verſuche des beruͤhmten von Hamels (p):
eben ſo zertheilen ſich die Muſkelfaſern nach der muͤhſa-
men Erfindung des von Leeuwenhoek (q) nnd Muys
dergeſtalt in immer kleinere Faͤden, daß endlich die aͤuſ-
ſerſte Vergroͤſſerungskraft der Glaͤſer ſtehen bleiben muß,
ohne das Ende der Zertheilungen abzuwarten. Was
die knochigen Faſern lehren, das gilt ohne Zweifel eben
ſowohl von den Membranen; denn mehrentheils iſt eine
Faſer erſt haͤutig, bevor ſie zum Knochen wird. Fuͤgen
ſich mehrere Faͤden nach ihrer Laͤnge und parallel zu-
ſammen, und vereinigen ſie ſich mit den Enden anderer,
ſo bildet ſich dadurch eine ſichtbare Faſer, an der folglich
weder die Laͤnge noch Breite mehr einfach iſt. Die zu-
erſt ſichtbar werdende und den bloſſen Augen nach einfa-
che Faſern ſind nach ihrer Laͤnge und Kennbarkeit an den
Knochen junger Kinder zu beobachten, naͤmlich an den brei-
ten Knochen des Vorderkopfes, der Stirn und des Hinter-
kopfes; ſie machen hier, wenn ſie unter einander parallel
laufen, und durch Spalten weit von einander gehalten wer-
den, die dazwiſchen liegende Erhabenheit aus. Man darf

nur
(n) [Spaltenumbruch] Ludwigs Phyſiol. N. 130.
(o) Gorter nennt ſie ſtamen,
Faden. in chir. S. 259. N. 789. u. w.
(p) [Spaltenumbruch] Mem. de l’ac. d. ſci. 1743. S. 128.
(q) Jch werde mich hieruͤber
weitlaͤuftiger in der Abhandlung
von den Muſkelfaſern erklaͤren.
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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/69>, abgerufen am 22.11.2024.