Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.Laßt euch ja im Felde sehen, Schnitter, wenn die Lerch' erwacht. Mit ihr müßt ihr schlafen gehen; Und der Mittags-Hitze Macht Unempfindlich überstehen. Jhr Kinder, die Bequemlichkeit, Die Ruh, die jenen Frosch erfreut, Verdienet unsern Wunsch und Neid. Jhm fehlet kein verlangter Trunk, Er suchet keinen, der ihm schenket, Er trinket, durch sich selbst getränket, Und hat zu trinken gnung. So! karger Filz, nichts steht dir schöner, Als daß du deine Tagelöhner Mit schlechten Linsen weidst. Verwunde dir nur nicht die Hände, Wenn du einmal zu diesem Ende Ein Kümmel-Korn zerschneidst. Das sind die Worte, welche Theocritus seinen Schnitter singen Das Lied des Lityerses wurde unter den Griechen ein Sprüchwort, Von dem Liede derer Weiber, die das Korn aus den Aehren stampf- Von 16 Erasm. adag. chil. 3. cent. 4. adag. 75. 17 Athen. lib. XIV. c. 3. 18 Casaub. animadv. in Athen. lib. XIV. cap. 3. 19 Pollux lib. IV. n. 55.
Laßt euch ja im Felde ſehen, Schnitter, wenn die Lerch’ erwacht. Mit ihr muͤßt ihr ſchlafen gehen; Und der Mittags-Hitze Macht Unempfindlich uͤberſtehen. Jhr Kinder, die Bequemlichkeit, Die Ruh, die jenen Froſch erfreut, Verdienet unſern Wunſch und Neid. Jhm fehlet kein verlangter Trunk, Er ſuchet keinen, der ihm ſchenket, Er trinket, durch ſich ſelbſt getraͤnket, Und hat zu trinken gnung. So! karger Filz, nichts ſteht dir ſchoͤner, Als daß du deine Tageloͤhner Mit ſchlechten Linſen weidſt. Verwunde dir nur nicht die Haͤnde, Wenn du einmal zu dieſem Ende Ein Kuͤmmel-Korn zerſchneidſt. Das ſind die Worte, welche Theocritus ſeinen Schnitter ſingen Das Lied des Lityerſes wurde unter den Griechen ein Spruͤchwort, Von dem Liede derer Weiber, die das Korn aus den Aehren ſtampf- Von 16 Eraſm. adag. chil. 3. cent. 4. adag. 75. 17 Athen. lib. XIV. c. 3. 18 Caſaub. animadv. in Athen. lib. XIV. cap. 3. 19 Pollux lib. IV. n. 55.
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Laßt euch ja im Felde ſehen,
Schnitter, wenn die Lerch’ erwacht.
Mit ihr muͤßt ihr ſchlafen gehen;
Und der Mittags-Hitze Macht
Unempfindlich uͤberſtehen.
Jhr Kinder, die Bequemlichkeit,
Die Ruh, die jenen Froſch erfreut,
Verdienet unſern Wunſch und Neid.
Jhm fehlet kein verlangter Trunk,
Er ſuchet keinen, der ihm ſchenket,
Er trinket, durch ſich ſelbſt getraͤnket,
Und hat zu trinken gnung.
So! karger Filz, nichts ſteht dir ſchoͤner,
Als daß du deine Tageloͤhner
Mit ſchlechten Linſen weidſt.
Verwunde dir nur nicht die Haͤnde,
Wenn du einmal zu dieſem Ende
Ein Kuͤmmel-Korn zerſchneidſt.
Das ſind die Worte, welche Theocritus ſeinen Schnitter ſingen
laͤßt. Soll man aber ja dieſe Verſe nicht ſo wol fuͤr einen rechten
Lityerſes, als vielmehr fuͤr ein poetiſches Stuͤck anſehen, ſo zeigen ſie
uns doch allemal den Geſchmack, die Schreibart und den ordentlichen
Jnhalt der Schnitter-Lieder.
Das Lied des Lityerſes wurde unter den Griechen ein Spruͤchwort,
wodurch man, wie Eraſmus 16 ſaget, ein Lied andeuten wollte, das
man mit Widerwillen, oder gezwungen ſung.
Von dem Liede derer Weiber, die das Korn aus den Aehren ſtampf-
ten. Die Weiber, ſagt Athenaͤus, 17 welche das Korn aus ſeinen Huͤl-
ſen ſchuͤtteln, hatten ein anderes, wie Ariſtophanes in den Prieſterinnen
der Ceres, und Nicochares im Hercules, dem Reihenfuͤhrer, ſagen.
Caſaubonus 18 hat dieſes Lied und das Ptiſticon, oder den Ptiſmos,
deſſen Pollux erwaͤhnet, fuͤr eins gehalten. Unterdeſſen redet Athe-
naͤus von einem bloſſen Liede, das er von denen unterſcheidet, welche
auf Jnſtrumenten geſpielt wurden; und Pollux 19 ſpricht von einem
Stuͤcke, das man auf der Floͤte blies. Man ſpielet noch ein anders,
ſagt er, welches Ptiſticon heißt, auf der Floͤte, wie Phrynichus in
ſeinen Comaſten in dieſen Worten meldet: Jch will fuͤr uns beide ein
Ptiſticon blaſen: und wie Nicophon in den Chirogaſtris ſaget: Komm,
ſpiele doch mit uns auf der Floͤte einen Ptiſmos.
Von
16 Eraſm. adag. chil. 3. cent. 4. adag.
75.
17 Athen. lib. XIV. c. 3.
18 Caſaub. animadv. in Athen. lib. XIV.
cap. 3.
19 Pollux lib. IV. n. 55.
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