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Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.

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Dergleichen sind erstens die Lieder, welche man während der
Mahlzeit sang; man kann sie Trink-Lieder nennen, ob sie gleich nicht
allemal von den Ergetzlichkeiten der Tafel handelten. Zweitens, dieje-
nigen, welche eine besondere Lebens-Art betrafen, und auf die Umstände
einiger Begebenheiten oder einiger Gebräuche giengen.

Jch will dieser Eintheilung in den beyden Theilen dieser Abhandlung
folgen, worinn ich nicht allein das, was uns die Geschichte von diesen
Liedern berichtet, sammeln werde; sondern auch dasjenige beybringen
will, was uns die Zeit von ihrem Jnhalte und den Worten, woraus sie
bestunden, übrig gelassen.

Jch will hier nicht von den Epoden, von den Prooemen, den No-
men, den Prosodien, den Päanen, den Dithyramben, den Parthenien,
den Gymnopädien, den Endymatien, den Hyporchemen, den orthischen
Liedern, und von mehr andern Arten der Gesänge reden, die von dem,
was wir ein blosses Lied nennen, wenigstens durch einige Abfälle unter-
schieden sind. Sonst hat Herr Burette, der eine so gute Kenntniß von
der Music der Alten besitzet, alle diese verschiedenen Materien in den Ab-
handlungen dieser Academie schon ausgeführet, oder wird es doch
bald thun.

Aus eben der Ursache will ich zu dem, was ich von den griechischen
Liedern sagen werde, nichts von der Melodie, dem Wohlklange, und
dem Sylbenmaasse der Verse hinzufügen. Jch brauche hier nichts
mehr zu sagen, als daß einige in heroischen, oder in lyrischen, andere
in freyen Versen, deren rechtes Maaß man schwerlich bestimmen kann,
abgefasset sind; und daß viele einer rechten ungebundenen Rede gleichen.

Erster Theil.
Von den Tisch-Liedern.

Unter allen Liedern, die bey den alten Griechen im Gebrauche wa-
ren, ist uns von keinen mehr übrig geblieben, als von den Tisch-Liedern.
Alle andern wurden seltener gesungen, weil sie gemeiniglich in besonde-
ren Umständen eingeschränket waren. Einige gehörten zu einer gewis-
sen Lebens-Art, als die Lieder der Hirten und der Schnitter; andere konn-
ten nur in gewissen Begebenheiten gebraucht werden, als die Lieder,
welche man von der Schlacht oder von dem Siege sang. Aber die
Tisch-Lieder waren weder durch die Personen, noch durch den Ort, noch
durch die Zeit eingeschränket. Weil kein Stand, kein Ort, kein Tag
von der Nothwendigkeit zu essen und zu trinken frey ist: so hatte man
Gelegenheit, mehr bey Tische, als anderswo, zu singen. Man darf
sich also nicht wundern, daß die Nachwelt von dieser Art der Lieder am
besten unterrichtet ist.

Plutarch

Dergleichen ſind erſtens die Lieder, welche man waͤhrend der
Mahlzeit ſang; man kann ſie Trink-Lieder nennen, ob ſie gleich nicht
allemal von den Ergetzlichkeiten der Tafel handelten. Zweitens, dieje-
nigen, welche eine beſondere Lebens-Art betrafen, und auf die Umſtaͤnde
einiger Begebenheiten oder einiger Gebraͤuche giengen.

Jch will dieſer Eintheilung in den beyden Theilen dieſer Abhandlung
folgen, worinn ich nicht allein das, was uns die Geſchichte von dieſen
Liedern berichtet, ſammeln werde; ſondern auch dasjenige beybringen
will, was uns die Zeit von ihrem Jnhalte und den Worten, woraus ſie
beſtunden, uͤbrig gelaſſen.

Jch will hier nicht von den Epoden, von den Prooemen, den No-
men, den Proſodien, den Paͤanen, den Dithyramben, den Parthenien,
den Gymnopaͤdien, den Endymatien, den Hyporchemen, den orthiſchen
Liedern, und von mehr andern Arten der Geſaͤnge reden, die von dem,
was wir ein bloſſes Lied nennen, wenigſtens durch einige Abfaͤlle unter-
ſchieden ſind. Sonſt hat Herr Burette, der eine ſo gute Kenntniß von
der Muſic der Alten beſitzet, alle dieſe verſchiedenen Materien in den Ab-
handlungen dieſer Academie ſchon ausgefuͤhret, oder wird es doch
bald thun.

Aus eben der Urſache will ich zu dem, was ich von den griechiſchen
Liedern ſagen werde, nichts von der Melodie, dem Wohlklange, und
dem Sylbenmaaſſe der Verſe hinzufuͤgen. Jch brauche hier nichts
mehr zu ſagen, als daß einige in heroiſchen, oder in lyriſchen, andere
in freyen Verſen, deren rechtes Maaß man ſchwerlich beſtimmen kann,
abgefaſſet ſind; und daß viele einer rechten ungebundenen Rede gleichen.

Erſter Theil.
Von den Tiſch-Liedern.

Unter allen Liedern, die bey den alten Griechen im Gebrauche wa-
ren, iſt uns von keinen mehr uͤbrig geblieben, als von den Tiſch-Liedern.
Alle andern wurden ſeltener geſungen, weil ſie gemeiniglich in beſonde-
ren Umſtaͤnden eingeſchraͤnket waren. Einige gehoͤrten zu einer gewiſ-
ſen Lebens-Art, als die Lieder der Hirten und der Schnitter; andere konn-
ten nur in gewiſſen Begebenheiten gebraucht werden, als die Lieder,
welche man von der Schlacht oder von dem Siege ſang. Aber die
Tiſch-Lieder waren weder durch die Perſonen, noch durch den Ort, noch
durch die Zeit eingeſchraͤnket. Weil kein Stand, kein Ort, kein Tag
von der Nothwendigkeit zu eſſen und zu trinken frey iſt: ſo hatte man
Gelegenheit, mehr bey Tiſche, als anderswo, zu ſingen. Man darf
ſich alſo nicht wundern, daß die Nachwelt von dieſer Art der Lieder am
beſten unterrichtet iſt.

Plutarch
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[6/0016] Dergleichen ſind erſtens die Lieder, welche man waͤhrend der Mahlzeit ſang; man kann ſie Trink-Lieder nennen, ob ſie gleich nicht allemal von den Ergetzlichkeiten der Tafel handelten. Zweitens, dieje- nigen, welche eine beſondere Lebens-Art betrafen, und auf die Umſtaͤnde einiger Begebenheiten oder einiger Gebraͤuche giengen. Jch will dieſer Eintheilung in den beyden Theilen dieſer Abhandlung folgen, worinn ich nicht allein das, was uns die Geſchichte von dieſen Liedern berichtet, ſammeln werde; ſondern auch dasjenige beybringen will, was uns die Zeit von ihrem Jnhalte und den Worten, woraus ſie beſtunden, uͤbrig gelaſſen. Jch will hier nicht von den Epoden, von den Prooemen, den No- men, den Proſodien, den Paͤanen, den Dithyramben, den Parthenien, den Gymnopaͤdien, den Endymatien, den Hyporchemen, den orthiſchen Liedern, und von mehr andern Arten der Geſaͤnge reden, die von dem, was wir ein bloſſes Lied nennen, wenigſtens durch einige Abfaͤlle unter- ſchieden ſind. Sonſt hat Herr Burette, der eine ſo gute Kenntniß von der Muſic der Alten beſitzet, alle dieſe verſchiedenen Materien in den Ab- handlungen dieſer Academie ſchon ausgefuͤhret, oder wird es doch bald thun. Aus eben der Urſache will ich zu dem, was ich von den griechiſchen Liedern ſagen werde, nichts von der Melodie, dem Wohlklange, und dem Sylbenmaaſſe der Verſe hinzufuͤgen. Jch brauche hier nichts mehr zu ſagen, als daß einige in heroiſchen, oder in lyriſchen, andere in freyen Verſen, deren rechtes Maaß man ſchwerlich beſtimmen kann, abgefaſſet ſind; und daß viele einer rechten ungebundenen Rede gleichen. Erſter Theil. Von den Tiſch-Liedern. Unter allen Liedern, die bey den alten Griechen im Gebrauche wa- ren, iſt uns von keinen mehr uͤbrig geblieben, als von den Tiſch-Liedern. Alle andern wurden ſeltener geſungen, weil ſie gemeiniglich in beſonde- ren Umſtaͤnden eingeſchraͤnket waren. Einige gehoͤrten zu einer gewiſ- ſen Lebens-Art, als die Lieder der Hirten und der Schnitter; andere konn- ten nur in gewiſſen Begebenheiten gebraucht werden, als die Lieder, welche man von der Schlacht oder von dem Siege ſang. Aber die Tiſch-Lieder waren weder durch die Perſonen, noch durch den Ort, noch durch die Zeit eingeſchraͤnket. Weil kein Stand, kein Ort, kein Tag von der Nothwendigkeit zu eſſen und zu trinken frey iſt: ſo hatte man Gelegenheit, mehr bey Tiſche, als anderswo, zu ſingen. Man darf ſich alſo nicht wundern, daß die Nachwelt von dieſer Art der Lieder am beſten unterrichtet iſt. Plutarch

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Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/16>, abgerufen am 29.03.2024.